Die bösen Guten?

Hooligans machen mobil gegen Salafisten, angeblich um Deutschland zu retten

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Für Gunter A. Pilz, einem der führenden Fanforscher in Deutschlands Fußballstadien, verfolgen verschiedene Hooligan-Gruppen derzeit eine "sehr geschickte Strategie", indem sie sich zusammenschließen gegen Salafisten. Zwar betonen die "Gewalttäter Sport", dass sie sich auch weiterhin mit Hooligan-Gruppen anderer Clubs prügeln wollen, doch im Kampf gegen Radikalislamisten trete man künftig gemeinsam auf. Vergessen machen will man so wohl auch, dass Ausschreitungen im Umfeld von Fußballspielen der Allgemeinheit, die man doch vor den Salafisten schützen will, zugleich einen Schaden und zuweilen auch immense Kosten bereiten.

Erst an diesem Wochenende kam es beim Südwest-Derby zwischen Kaiserslautern und Karlsruhe zu Schlägereien und Ausschreitungen. Auch im Umfeld des Rheinland-Derbys zwischen Köln und Mönchengladbach im September beherrschten Ausschreitungen und Krawalle, die sich sogar auf nicht gewaltbereite Fans ausweiteten, teilweise die Berichterstattung. Regelmäßig kommt es ebenso beim Revier-Derby zwischen Schalke und Dortmund zu Randale durch Hooligans und Problemfans. Begleitet wird all das von großen Polizeieinsätzen, deren Kosten in Nordrhein-Westfalen derzeit auf dem Prüfstand stehen und in Bremen für erhebliche Differenzen zwischen DFB und den Behörden sorgen.

Seit einigen Wochen nun machen die "Hooligans gegen Salafisten" Schlagzeilen. Es begann mit verschiedenen Facebook-Gruppen oder -Profilen unter wechselnden Bezeichnungen, die meist jedoch von Facebook schnell wieder gelöscht wurden. So wurde bei dem sozialen Netzwerk aus den "Hooligans gegen Salafisten" etwa die "Ho.Ge.Sa. für Deutschland" oder das Profil "Deutschland gegen Salafisten", aktuell firmiert man unter dem Label "Gemeinsam gegen Salafisten" und dem Slogan "Gemeinsam sind wir stark" sowie unter einer eigenen Homepage. "Die Familie hält zusammen" heißt es nun. In einer ersten Stellungnahme heißt es zudem, man habe sich binnen weniger Wochen "erfolgreich gesucht und gefunden".

Der Fanforscher Gunter A. Pilz wies jedoch gegenüber heute.de darauf hin, dass es schon Anfang 2012 einen Vorläufer für den Zusammenschluss gegeben habe. Verschiedene Hooligan-Gruppen hätten die "GnuHonnters" - abgewandelt von "New Hunters", neue Jäger - gegründet. "Sie verfolgen die Herstellung alter Werte und wollen keine linken Ultras in den Stadien", sagte Pilz. Nachdem man erfolgreich einige als links und antifaschistisch geltende Fangruppen aus mancher Kurve gedrängt oder geprügelt habe, "hat man jetzt mit den Salafisten ein ganz neues Feindbild auserkoren". Schon hierbei wurde deutlich, dass es zwischen diesen Hooligans und der rechtsextremen Szene enge Verbindungen gibt.

Mit spektakulären Aktionen gegen Versammlungen der Salafisten will man "auch im demokratischen Spektrum auf Resonanz" stoßen

Auf eben jene Netzwerke und Vorläufer fußen offenbar auch die aktuellen "Hooligans gegen Salafisten". Der Fachjournalist Christoph Ruf hatte nach der Auswertung interner Strategiedebatten schon im Mai festgestellt, diese Hooligans hätten "die Salafisten bewusst als Feindbild gewählt - wohlwissend, dass man kein Rechter sein muss, um Angst vor einem Vordringen der religiösen Fundamentalisten zu haben". Die Hooligans hofften daher, "mit spektakulären Aktionen" gegen Versammlungen der Salafisten "auch im demokratischen Spektrum auf Resonanz" zu stoßen. Diese ersten Aktionen der Hooligans fanden dabei schon vor Monaten in Mönchengladbach und Mannheim statt.

Erste Schlagzeilen machte das angeblich neue Netzwerk "Hooligans gegen Salafisten" indes erst Mitte September nach einem unangemeldeten Aufmarsch in Essen. Dabei betonten verschiedene Teilnehmer oder Sprecher der Gruppe gegenüber den Medienvertretern, dass man mit Rechtsextremisten oder gar Neonazis nichts zu tun habe, angeblich hätten sogar Migranten und gemäßigte Muslime an dem Treffen teilgenommen. Kurz darauf folgten indes Berichte, dass auch ein Mönchengladbacher Ratsherr der rechtsradikalen Splitterpartei "Pro NRW" vor Ort war und "offenbar Gegenstand polizeilicher Ermittlungen" wurde. Dabei handelte es sich um Dominik Roeseler, der Eigenangaben zufolge dem virtuellen Netzwerk angehörte - zugleich aber auch als stellvertretender Vorsitzender von "Pro NRW" fungiert.

Ein erneutes Treffen der "Hooligans gegen Salafisten" in Dortmund soll Roeseler eine Woche später sogar mit organisiert und geleitet haben. Deutlich wurde bei dem Aufmarsch in Dortmund jedoch auch, wie nah das Netzwerk der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Szene wirklich steht. Unter den Teilnehmern waren ebenso Führungskader, Mitglieder und die Galionsfigur "SS-Siggi" der Neonazi-Splitterpartei "Die Rechte" (Seriöser Neonationalsozialismus?). Das "Netz gegen Nazis" stellte zudem fest, dass die Hooligans und Mitglieder der Facebook-Gruppe(n), oftmals keine Berührungsängste zu rechtsextremen und fremdenfeindlichen Parteien oder Gruppierungen haben, beziehungsweise selbst rechtsextrem, antisemitisch und neonazistisch eingestellt seien.

Zwar stellen die "Ho.Ge.Sa" eher einen heterogenen Zusammenschluss dar - doch dass der Feind nicht zwingend nur "der Salafist" ist, wird an einem Posting aus Stuttgart deutlich. Dabei wird sogar entgegen dem in solchen Kreisen vermeintlich unpolitischen Gehabe ein Wahlaufruf publiziert, und zwar für die "Alternative für Deutschland" (AfD). Der Text selbst richtet sich allerdings gegen fast alles, was in irgendeiner Weise undeutsch anmutet. Statt des klassischen Begriffs "Volksverräter" schreibt man hier von einem "Bevölkerungsverräter":

Es könnte wohl sein, das sich die Deutschen so langsam aber sicher erheben. Sie erheben sich gegen den Salafismus, gegen die Islamisierung Deutschlands und vor allem aber gegen unsere altpolitischen Parteien, wobei man ja nicht mehr von Parteien reden kann, sondern eh von einer einzigen Partei, bestehend aus CDU, CSU, SPD, GRÜNE und Linke also einer CCSGL Partei. […] In diesem Sinne hoffe ich innig auf ein Gelingen und größer werden der AFD und auch der HoGeSa, damit der Widerstand immer größer und effektiver wird […]. Steht also Alle auf und wehret umgehend den Anfängen, schließt euch z.B. der HoGeSa oder AFD an, um unser schönes Land vor dem Islam zu retten […].

In Hannover kursierten am Wochenende Meldungen, Hooligans hätten ein Protestcamp von Asylbewerbern attackiert, doch unterdessen wurden solche Berichte abgeschwächt. Nun heißt es nur noch, verfeindete Hooligans hätten sich im Umfeld des Camps Schlägereien geliefert. Aber auch wenn diese Krawalle nichts mit den "Hooligans gegen Salafisten" zu tun haben mögen, feiern Vertreter aus der rechten und fremdenfeindliche Szene diese Randale in diesem Kontext besehen schon als "Jetzt geht's los!" im Kampf gegen "die Primaten", die "wie Schweine" hausen würden.