Die legale Filmleihe übers Internet kommt
Mehrere große Filmstudios planen den Betrieb einer Download-Plattform für temporär nutzbare Kopien digitalisierter Kinostreifen
Erst werden die illegalen Konkurrenten eliminiert (Vgl. Heute im Zielfadenkreuz: AIMSTER) , jetzt gehen die Filmstudios daran, selbst am Handel mit digitalisierten Filmen zu verdienen. Ein Verbund mehrerer Hollywood-Studios will spätestens Anfang 2002 einen Download-Dienst starten, bei dem gegen Gebühr Filme gesaugt werden können. Der Gebrauch ist allerdings stark eingeschränkt und bei der Größe der Dateien nur für User mit Breitband-Zugang interessant.
Der Austausch digitalisierter Filme (oder Serienfolgen) im World Wide Web war bisher nicht so verbreitet wie der rege Handel mit Musik-MP3-Dateien über Napster, Bearshare und ihre berühmt-berüchtigten Kollegen. Ein Film ist als MPEG-Datei mit der Durchschnittsgröße von ca. 500 Megabyte mehr als 100mal so groß wie ein Lied. Das Herunterladen ist somit praktisch nur für User mit schnellen Zugängen per DSL, Glasfaserkabel oder ähnlichen Medien erschwinglich. Der Vorgang dauert dann je nach Verbindung im günstigsten Fall wenige Stunden.
Immer mehr Internet-Nutzer verfügen heute über einen solchen Breitband-Zugang, was zu einer stark ansteigenden Tauschbörsen-Piraterie auch mit Kinofilmen geführt hat. Analog zum Aufbau legaler MP3-Plattformen durch die Labels der Musikindustrie wollen nun auch die Filmproduzenten dem ungesetzlichen Treiben mit ihren Werken das Wasser abgraben. Seit Anfang diesen Jahres versuchte die Sony-Tochter Moviefly daher, andere Filmstudios zur Mitarbeit beim Aufbau einer gemeinsamen legalen Alternative zu bewegen, denn Yair Landau, der Präsident von Sony Digital Pictures Entertainment, glaubt an das Gute im Menschen. Die überwiegende Zahl der Leute achte Urheber- und sonstige Eigentumsrechte, so Landau. Man wolle daher den copyrightfürchtigen und gesetzestreuen Filmfreunden eine ehrliche Alternative beim Genuss bewegter Bilder bieten.
Der geplante Filmdienst der großen Studios wird nicht der erste digitale Filmdienst überhaupt sein. Der Provider CinemaNow bietet bereits seit März 2000 Independent-Filme unabhängiger Produzenten im Netz an und wird dabei ausgerechnet von Microsoft (!) unterstützt. Der Anbieter SightSound ist ebenfalls im Geschäft. Auch Video-on-Demand-Service von Betreibern einzelner Kabelnetze für ihre Kunden gibt es schon. Ein Download-Dienst mit Zugriff auf den Output und die riesigen Archive der großen Hollywood-Player ist jedoch qualitativ etwas ganz anderes und neues.
Die Partner bei diesem Unternehmen sind Warner Brothers, Universal Pictures, MGM, Paramount Pictures und Sony Pictures. Nicht eingebunden sind Disney und 20th Century Fox, die jeweils ihren eigenen Filmdienst aufbauen werden. Auch anderen Studios soll zukünftig ermöglicht werden, ihre Werke auf der Website des Gemeinschaftsunternehmens anzubieten.
Es dauerte seine Zeit, bis Sonys Moviefly, das die Systemtechnik für den Dienst entwickelt hat, andere Studios überzeugt hatte. Erst mussten Bedenken hinsichtlich der Kosten, der Kopierschutzsicherheit und der Konkurrenz mit Anbietern von Kabelfernsehen ausgeräumt werden. Der Kostenfaktor gab letztendlich den Ausschlag für die Zustimmung zur Kooperation. Angeregt durch die firmeneigenen Controller sahen die Manager der Studios ein, dass es ökonomisch gesehen schlauer ist, die hohen Investitionskosten in ein so aufwändiges Projekt auf mehrere Schultern zu verteilen.
In den kommenden Monaten soll ein paritätisch zusammengesetztes Führungsgremium bestellt werden, das dem Kind einen Namen gibt und ausführliche Sicherheitstests durchführen lässt. Das Angebot soll beim Start aus etwa 100 neuen und älteren Filmen bestehen. Die Auswahl der Streifen und der Download-Preis bleibt den einzelnen Studios überlassen. Die Leihgebühr soll sich in der Höhe der Gebühr bewegen, die man beim Kabel-Pay-TV bezahlen muss. Wer sich einen Film heruntergeladen hat, muss ihn sich innerhalb von 30 Tagen ansehen. Spätestens nach einem Monat werden nämlich auch Filmdateien ohne Zugriff darauf automatisch von der Festplatte des Kunden gelöscht. Innerhalb von 24 Stunden nach dem ersten Start der Anwendung kann der kopiergeschützte Film so oft wie gewünscht abgespielt werden, nach Ablauf der Frist verflüchtigt sich die Datei von selbst. In der aus Kinovorstellung, DVD, Kabel-Pay-TV und Free-TV-Ausstrahlung bestehenden Verwertungskette wird der Download übers Internet nach Angaben von Studio-Offiziellen mit Sicherheit grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt der Einspeisung in Kabelprogramme möglich sein. Das gut laufende Geschäft mit Filmen auf DVD-Scheiben soll vor selbstgemachter Konkurrenz in jedem Fall geschützt sein.
Die Dachorganisation der Filmbranche "Motion Picture Association of America" MPAA begrüßt erwartungsgemäß die copyright-geschützte Filmplattform der Multis. Nach den Worten des MPAA-Präsidenten Jack Valenti zeigen die Filmproduzenten mit ihrem Vorhaben, dass ihnen am Gedeihen des Internet liege. Valenti findet es prima, dass zahlungswillige Konsumenten zukünftig viele verschlüsselte Streifen zu einem "vernünftigen" Preis kriegen könnten. Es wird sich aber noch zeigen müssen, ob der Kopierschutz gegen die Vervielfältigung heruntergeladener Kino-Dateien dauerhaft funktioniert. Bisher ist jede Sperre dieser Art geknackt worden, siehe etwa die DVD-Ripper-Tools. Ebenso ist mit der neuen Plattform das Problem mit den Raubkopien aktueller Filme, die in Kinos mit versteckter Digital-Kamera von der Leinwand abgefilmt werden und in Newsgroups erhältlich sind, nicht gelöst. Diese Kopien sind zwar qualitativ nicht optimal, dafür kosten sie halt nur die Download-Zeit selbst, bei Usern mit Flatrate ohnehin kein Thema. Und man hat den Film auf Dauer. Die Attraktivität der Studioplattform bewegt sich für die meisten Konsumenten so mit Sicherheit bei Null.
Die Hollywood-Studios sind jedoch erst einmal zuversichtlich, bei einem Markt von geschätzt 10 Millionen Haushalten mit Breitbandzugang, in Zukunft eine rasch wachsende Kundenzahl erreichen zu können. Und sollte der Download-Dienst wie erwartet funktionieren, betrachtet die Branche dies als wichtigen Schritt beim Aufbau eines echten Video-on-Demand-Systems. Der Kabelkanal HBO, der zu AOL-TimeWarner gehört, testet Video-on-Demand bereits seit Juli in einzelnen Städten. Jedermann könnte nach der Vorstellung der Studios dann, wann immer er möchte, Zugang zu jedem gewünschten Film erhalten. Nicht nur private PC-Nutzer, sondern auch Betreiber von Kabelnetzen oder Fernsehsendern wären dabei als Kunden erreichbar. Die Pay-TV-Unternehmen im klassischen Sinne wie Brämiere Wöarld (Kaiser Franz) wären existenziell bedroht.