Die lokalen Klüngel

Seite 2: Die politische Idiotie des ewigen ’Rein und ’Raus

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Hannover hat viele Steuern und Gebühren um etwa zehn Prozent aufgeschlagen: Hundesteuer, Eintrittsgelder, Parkgebühren, Abschleppkosten. Im thüringischen Suhl wird über eine höhere Pacht für Garagen auf städtischem Gelände nachgedacht.

Die Idiotie der Politik leerer Kassen wird wohl durch nichts durchsichtiger als durch die kommunalen Bettensteuern, die schon gelten oder noch geplant sind. Durch die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels von 19 auf 7 Prozent durch die christlich-liberale Bundesregierung, an der die große Koalition übrigens nichts geändert hat, sind den Kommunen 1,6 Milliarden Euro an Einnahmen weggebrochen. Die versuchen sie nun, mit aberwitzigen Formen der Besteuerung wieder hereinzuholen, ob die nun Bettensteuer, City Tax, Tourismussteuer, Matratzen-Maut oder sonst wie genannt werden.

Es ist das alte Lied der Politik in repräsentativen Demokratien: In die eine Tasche wird es ’reingestopft und aus der anderen wieder ’rausgeholt. Es sind Akte der Umdekoration, mit denen sich die Repräsentanten stolz in Szene setzen. Bloß: Mit verantwortungsbewusster Politik hat das ewige ’Rein und ’Raus nichts zu tun.

Der Aberwitz daran ist, dass die Bürger höhere Gebühren und Steuern für dramatisch verschlechterte Leistungen zahlen müssen. Wen wundert’s, wenn sie nicht verstehen und erst recht nicht akzeptieren, dass sie immer stärker zur Kasse gebeten werden und dafür im Gegenzug immer weniger bekommen.

In Westdeutschland haben manche Kommunen so viele Schulden, dass Banken ihnen kein Geld mehr leihen. Leidtragende sind die Bürger. Schwimmbäder, Sportanlagen und Bibliotheken werden geschlossen, Straßen nicht mehr repariert, städtisches Eigentum wird verkauft, Schulen verfallen, Theater stehen vor dem Aus.

Fast zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen werden von den Kommunen getätigt. Dennoch nehmen sie nicht die Summen ein, die sie für die Finanzierung ihrer Projekte brauchen würden. Die bedrohliche Schieflage vieler Gemeindehaushalte gefährdet nicht nur den Standard im öffentlichen Leben. In den Kommunen fürchtet man, dass die Finanznot das politische System aushöhlt. Das Beschwören der "Kommunalen Selbstverwaltung" wird zum leeren Gerede, wenn Stadtverordnete und Bürgermeister fast nichts mehr entscheiden können.

Das wirkt auch nicht anziehend auf politische Nachwuchstalente. Schon jetzt finden die Parteien kaum noch begabte Kandidaten für ihre Listen. Ehrgeizige junge Leute in anspruchsvollen Berufen nehmen immer seltener nebenher ein ehrenamtliches Mandat in der Kommunalpolitik wahr. Stellten Unternehmen und Kanzleien früher wichtige Mitarbeiter ab, um einen Draht ins Rathaus zu haben, ist eine solche Nebentätigkeit heute fast schon ein Karrierehindernis.

Die Politik - und auch die Kommunalpolitik - hat sich in den entwickelten Demokratien immer weiter von den Bürgern losgelöst und bekommt nun auf allen Ebenen die Quittung: Die Bürger wollen von Politik und Politikern nichts mehr wissen und nichts mehr damit zu tun haben.

Das Elend der Public-Private Partnerships (PPP)

Dass sich die Lebensverhältnisse in den Städten und Gemeinden in Zukunft stark auseinander entwickeln werden, scheint vorgezeichnet.

Hilfe erwarten die verschuldeten Städte und Gemeinden ausgerechnet von den noch wesentlich höher verschuldeten Bundesländern und vom Bund. Doch woher sollten die das Geld nehmen? Sollen sie etwa Steuern erhöhen oder sich neu verschulden? Viele Bundesländer und auch der Bund selbst sind hoch verschuldet, Nordrhein-Westfalen etwa mit 172 Milliarden Euro, der Bund sogar mit 2 Billionen und 27,5 Milliarden Euro. Die Katze beißt sich da in den Schwanz…

Das Elend der Zerrüttung kommunaler Finanzen zieht längst weitere Kreise. In vielen Städten und Gemeinden haben die Lokalpolitiker in ihrem grenzenlosen Mangel an wirtschaftlichem Sachverstand überdimensionierte Protzbauten hingestellt, die sich nicht rechnen. Selbst in kleinsten Gemeinden haben sie im ruhmsüchtigen Streben, sich selbst ein weithin sichtbares Denkmal zu setzen, geradezu großstädtische Schwimmbäder und Wellness-Oasen in die Landschaft geklotzt.

Die hatten von Anbeginn an keinerlei wirtschaftliche Zukunft, rutschten in die Verlustzone und brachten den betroffenen Gemeinden über Jahre hohe Betriebskosten. Jahrelang schossen die Gemeinden Millionenbeträge aus ihren ohnehin schon ausgezehrten Kassen zu, um den kommunalen Protz am Leben zu erhalten.

Am Ende mussten sie die Monumente ihrer eigenen Gigantomanie wieder verkaufen. Doch da die Dinger auf dem Markt keinen angemessenen Preis erzielen können, ging das nur zum symbolischen Preis von einer Mark oder - später - einem Euro.

So hat sich um die unökonomisch wirtschaftenden Gemeinden inzwischen eine ganze Branche herum etabliert, die von deren betriebswirtschaftlichem Dilettantismus profitiert. Sie kaufen beispielsweise riesige Schwimmbäder, Freizeitzentren und Wellness-Zentren für den Preis von so gut wie überhaupt keinem Geld auf, bauen sie professionell komplett um und entwickeln für sie hochprofitable Geschäftsmodelle.

Das Problem ist nur: Die Kommunen haben die Protzbauten zuvor für Millionenbeträge gebaut und verkaufen sie nach oft vielen verlustreichen Jahren wieder für weniger als einen Apfel und ein Ei.

Die Firmen, die diese Bauten kaufen, bekommen also auf Kosten der Steuerzahler wahre Prachtobjekte zu praktisch überhaupt keinen Kosten, bauen sie hochprofessionell um, gestalten sie hochrentabel und lassen sich dann weiterhin von der Gemeinde üppige Geldbeträge als Zuschüsse zum Unterhalt zahlen.

Den Betreiberunternehmen ist daraus kein Vorwurf zu machen. Sie retten wirtschaftlich ja noch, was die Kommunalpolitiker versaubeutelt haben.

Aber warum muss sich eine Gemeinde diesen Luxus leisten, dass ihre Politiker erst einmal Projekte mit Millionenkosten in den Sand setzen, die dann von freien Unternehmen - oft in Public-Private-Partnerschaft (PPP) - wieder saniert werden müssen und trotzdem noch ohne kommunale Zuschüsse nicht betrieben werden können?

Die Antwort fällt leicht: Es ist der sattsam bekannte Systemfehler. Die repräsentativen Demokratien leisten sich den Luxus, als Entscheider absolut ignorante Dilettanten mit Hang zur Großmannssucht zu halten, die regelmäßig Steuergelder verprassen.

Um diesen Mangel wieder auszubügeln, setzen sie neuerdings entweder private Unternehmen oder PPP-Partnerschaften ein, die immer noch viel kosten, aber etwas von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen verstehen.

Bleibt die Frage: Warum der Luxus der dilettantischen Entscheider, wenn die nichts taugen? Und warum muss man erst Millionenverluste machen, die dann nochmal öffentliche Zuschüsse erfordern?

Doch die Finanznot der Kommunen greift noch tiefer in das politische System ein, als es auf den ersten Blick scheint. Es geht nicht in erster Linie darum, dass die Städte und Gemeinden knapp bei Kasse sind. Das ließe sich ja doch irgendwie verkraften. Es ist auch noch das allergeringste Problem, dass alles teurer wird, wenn die Städte und Gemeinden viele Leistungen streichen müssen und die Gebühren für andere Leistungen drastisch erhöhen, um sich an den eigenen Haaren aus der Klemme zu ziehen.

Eine Gebühr ist ja nicht einfach ein Preis, den eine Verwaltung nach Belieben festsetzen kann, also zum Beispiel danach, wie viel Geld sie gerade braucht. Sie ist vielmehr ein Geldbetrag, der eng an die Kosten der Leistung geknüpft ist, die eine Stadt- oder Gemeindeverwaltung erbringt. Sie soll nämlich die Kosten für diese Leistung ganz oder teilweise decken.

Das ist von fundamentaler Bedeutung für das Funktionieren der Verwaltung. Gebühren sind nicht Preise, mit denen Kommunen Geld verdienen und Gewinne erwirtschaften. Preise, die deutlich über den wirklichen Kosten liegen, dürfen nur private Wirtschaftsunternehmen berechnen. Öffentliche Behörden dürfen das nicht. Das ist ein guter Grundsatz demokratischer Gemeindepolitik.

Schließlich ist es Sinn und Zweck des Bestehens von Verwaltungen, öffentliche Leistungen zu so günstigen Preisen wie möglich zu erbringen. Eine öffentliche Verwaltung, die mit ihren Leistungen auch noch Profite erwirtschaftet - und seien es auch nur ganz bescheidene -, wäre für eine Demokratie ein Unding. Denn profitorientiertes Wirtschaften ist Aufgabe und Privileg der Privatwirtschaft und nur dort überaus sinnvoll.

Die öffentlichen Verwaltungen sind dazu da, Leistungen zu kostendeckenden Gebühren zu erbringen. Deshalb existieren sie überhaupt. Wenn Wirtschaftsunternehmen das besser und billiger machen könnten, müssten sie sofort abgeschafft werden. Verwaltungs- und Benutzungsgebühren sollen die Kosten der in Anspruch genommenen Leistungen decken, aber nicht übersteigen.