Die lokalen Klüngel

Seite 3: Das demokratische System wendet sich gegen die Bevölkerung

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Das Verwaltungskostengesetz des Bundes und die Verwaltungskostengesetze der Länder schreiben deshalb vor, dass Gebühren grundsätzlich angemessen sein müssen. Der Grundsatz der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) verlangt, dass neben dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit auf Kostenerstattung für individuell abgegebene staatliche Leistungen auch der wirtschaftliche Wert oder sonstige Nutzen, den der Leistungsempfänger erhält, in angemessener Weise berücksichtigt wird. Zwischen beiden Interessen ist ein ausgewogenes Verhältnis herzustellen.

Gebühren dürfen also nicht einfach nach Lust und Laune oder dem Geldbedarf der Gemeinde festgesetzt werden. Da muss zwischen dem Verwaltungsaufwand und dem wirtschaftlichen oder dem sonstigen Nutzen der Leistung ein angemessenes Verhältnis bestehen (Äquivalenzprinzip).

Primärer Gesichtspunkt ist der durchschnittliche Aufwand einer Amtshandlung. Im Prinzip darf für eine Amtshandlung nicht mehr berechnet werden, als sie die Behörde selbst kostet. Zusätzlich darf eine Behörde beim Preis aber auch den durchschnittlichen Wert oder Nutzen und die Bedeutung der Amtshandlung für den Bürger abschätzen.

Das wird - leider - häufig im Baurecht so gehandhabt: Da werden Gebühren beispielsweise an der Höhe des Kaufpreises von Grundstücken orientiert. Für ein und denselben Verwaltungsakt wird ein hoher Preis berechnet, wenn das Grundstück sehr viel Geld kostet, und ein niedrigerer Preis, wenn es nicht so viel kostet.

Beide Größen, Verwaltungsaufwand und wirtschaftlicher Wert oder Nutzen der Amtshandlung für den Empfänger, sind bei der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigen und in ein angemessenes Verhältnis zu setzen.

Und an diesem Punkt kippt die finanzielle Misere der Städte und Gemeinden in den entwickelten Demokratien zur Systemkrise. Denn wenn die Kommunen nun unter dem Druck ihrer Finanznot nach und nach Gebühren und Steuern so anheben, dass sie mit den höheren Einnahmen aus der eigenen Schuldenkrise herauskommen und sich aus demselben Grund laufend weitere Einnahmequellen ausdenken, dann dreht sich das System der kommunalen Verwaltung um 180 Grad und verliert seine Existenzberechtigung.

Schlimmer noch: Das politische System wendet sich gegen die eigene Bevölkerung; denn die Bürger sehen sich nun in wachsendem Maße mit Kosten, Steuern und Gebühren für Leistungen konfrontiert, die sie in der Privatwirtschaft günstiger und besser bekommen könnten, wenn sie dort erbracht werden würden.

In einer milden Diktatur mag das gerade noch so hingehen. In einer Demokratie jedoch ist es völlig unerträglich. Wenn sich in einer Demokratie das politische System gegen die eigene Bevölkerung wendet, dann ist die Demokratie pervertiert und am Ende. Sie hat ihren Sinn verloren. Das Volk herrscht nicht mehr. Es wird beherrscht.

Die Bevölkerung ist dann nur noch dazu da, die zerrütteten Finanzen von Städte- und Gemeindeverwaltungen mit zweifelhafter Existenzberechtigung zu überteuerten Preisen zu sanieren, ohne etwas dafür zurückzubekommen.

Der Apparat von Gemeinde- und Städteverwaltungen ist damit zum überflüssigen, schmarotzenden Moloch ohne Nutzen und Funktion außer seiner Selbsterhaltung mutiert - ein autopoietisches System, das sich laufend selbst reproduziert, ohne noch einen über es selbst hinaus weisenden Sinn und Zweck zu haben.

Schon längst erheben die Kommunen eine ganze Reihe von Gebühren, die in Wahrheit überhaupt keine Gebühren sind, weil sie in keinerlei Beziehung zu den tatsächlichen Kosten stehen und auch den Angemessenheitsgrundsatz in geradezu sträflicher Weise missachten. Speziell im Baurecht und bei Grundbucheinträgen werden die Gebühren längst weit über die Grenzen der Prinzipien der Kostendeckung und der Äquivalenz ausgereizt.

Auch die maroden Städtefinanzen werfen Systemfragen auf. Wenn in vielen Städten Schwimmbäder, Bibliotheken, Jugendhäuser und andere öffentliche Einrichtungen geschlossen werden, fragt es sich doch, wozu kommunale Verwaltungen überhaupt noch existieren, wenn sie kaum noch etwas von dem leisten, wofür sie da sind.

Das Elend ist in vielen Städten und Gemeinden so weit verbreitet, dass nun die Bürger wieder Dinge in die Hand nehmen, die zu den Aufgaben der Kommunen gehören. Wenn Bürger marode Schulen und Jugendhäuser in freiwilliger Arbeit selbst sanieren, dann ist das ein schlagender Beweis dafür, dass die ursprünglich dafür verantwortlichen Verwaltungen überflüssig geworden sind. Die Willensbildungsprozesse in den entwickelten Demokratien haben angefangen, die Substanz ihres eigenen Systems aufzubrauchen.