Die neue französische Sicherheitsstrategie: eine hybride Kriegserklärung
Seite 3: Demütigung in Westafrika
Die hier dargestellte Drastik der neuen französischen Sicherheitsstrategie entspricht zwar angesichts des Ukraine-Krieges und der Reaktionen der NATO dem Zeitgeist, im französischen Falle jedoch scheint sie zugleich aus der Zeit gefallen.
Die neue Strategie wurde von Macron – wie bereits erwähnt – in einer Rede in Toulon vorgestellt – die allerdings wegen eines anderen dort angesprochenen Sachverhalts deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat: Macron erklärte aus diesem Anlass knapp drei Monate nach dem Abzug der letzten (offiziellen) französischen Soldaten aus Mali die Operation Barkhane für beendet.
Niemand kommt umhin, deren Scheitern anzuerkennen, es ist von einem Fiasko und einer Demütigung die Rede und Vergleiche zum Abzug der USA aus Afghanistan werden gezogen.
Die einflussreiche und der Regierung wie Bundeswehr nahestehende "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) hatte einen Monat zuvor eine Analyse veröffentlicht, in der sie von einer "gescheiterten Militärintervention" schreibt, "die den größten Auslandseinsatz seit dem Algerien-Krieg darstellte" und "als politische Zäsur in die Geschichte der französisch-afrikanischen Beziehungen eingehen" dürfte.
Zurückgeführt wird dies u. a. auf eine "Vielzahl folgenschwerer politischer Fehleinschätzungen". Erwartet wurde entsprechend, dass "Paris … auf Jahre hinaus mit einem nachhaltig erschütterten Selbstverständnis über seine eigene Rolle in Afrika befasst sein" dürfte und "vor der historischen Herausforderung [steht], einen neuen Kurs gegenüber Afrika zu definieren".
Für die SWP bestand mit der französischen Erschütterung "[f]ür Deutschland und andere europäische Regierungen" Aussicht darauf, "mit Frankreich in einen afrikapolitischen Dialog einzutreten, der nicht a priori von der Überlegenheit politischer Einsichten in Paris und dem Vorrang französischer Interessen bestimmt wird".
Von beidem – einer kritischen Reflexion der Afrikapolitik und deren europäischer Neuverhandlung – ist in der neuen französischen Sicherheitsstrategie wenig zu spüren.
Allenfalls deutet sich an, dass Frankreich zukünftig versuchen wird, mit deutlich kleinerem "Fußabdruck", also weniger Sichtbarkeit, Partnerschaften mit den jeweiligen Streitkräften zu pflegen und so weiterhin militärisch Einfluss in den ehemaligen Kolonien auszuüben.
Die aktuellen Diskussionen um eine neue, reformierte Ausbildungsmission der EU in der Republik Niger unter dem Akronym EUMPM (Military Partnership Mission) deuten darauf hin, dass diese auch hier Frankreich folgen wird, wie sie das vor zehn Jahren mit desaströser Bilanz in Mali getan hat.
Was die neue französische Sicherheitsstrategie jedoch nahelegt und verschiedene Medien bereits aus anonymen Quellen gehört haben wollen, ist, dass Frankreich dabei verstärkt auf hybride, und geheimdienstliche Mittel zurückgreifen und sein eigenes Süppchen kochen wird.
Neu wäre das aber ebenso wenig, wie die Tatsache, dass die europäischen Partner das als Teil des Problems erkennen und kritisieren – und zugleich trotzdem mitspielen wollen.
Zu erwarten ist jedoch, dass Frankreich und die EU dies zukünftig noch stärker als Teil einer globalen Auseinandersetzung mit Russland und China verstehen und ihre Bemühungen um strategische Kommunikation intensivieren werden: Europa wird in der Sahara verteidigt.
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