Die pakistanische Armee hat gewonnen
- Die pakistanische Armee hat gewonnen
- Spiel mit pakistanischen Extremisten
- Auf einer Seite lesen
Die Gewinner des Abzugs amerikanischer Truppen aus Afghanistan sind die pakistanischen Generäle - erfolgreich haben sie die USA an der Nase herumgeführt
Zwei Tage nach dem Fall der Türme des Word Trade Centers änderte sich auch die Welt für die pakistanischen Generäle. Nur wegen ihrer militärischen und finanziellen Hilfe war es möglich, dass sich das grausame Taliban-Regime so lange an der Macht halten konnte - trotz völliger Inkompetenz, ein Land zu regieren.
In Washington bestellte der Staatssekretär Richard Armitage den pakistanischen Botschafter und den Chef des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence (ISI) ein und stellte sieben Forderungen: darunter auch jene, die Unterstützung für die Taliban zu beenden. Laut des damaligen pakistanischen Diktators General Pervez Musharraf soll Armitage sogar damit gedroht haben, Pakistan zurück in die Steinzeit zu bomben.
Offiziell stellte sich Musharraf auf die Seite der USA im "Kampf gegen den Terror". Was dann passierte, beschreibt der Autor Ahmed Rashid in seinem Buch Descent into Chaos am anschaulichsten, weil er durch jahrelange Erfahrungen aus erster Hand wusste, wovon er schrieb: Mit Hilfe des ISI und heimischer Extremisten Gruppen wurden die afghanischen Taliban in Pakistans Grenzgebieten zu Afghanistan versteckt. Im Sommer 2003 wiesen dann kanadische Truppen im Süden Afghanistans die US-Generäle darauf hin, dass die Taliban zurück seien und dass sie aus Pakistan einsickerten.
Wie mittlerweile bekannt ist, legte im Jahr 2009 General McChrystal, Kommandant der ISAF in Afghanistan, Barack Obama einen Bericht vor, der aussagte, dass sich die Talibanführer - angefangen mit Mullah Omar - im pakistanischen Quetta treffen würden. Dort würden sie bei sogenannten Schura (Versammlungen) ihre Angriffe gegen die Nato-Truppen koordinieren. Matt Waldmann, der ein Dutzend Interviews mit Führern der Taliban geführt hatte, stützte die Aussagen ein Jahr später.
Laut Taliban hätten an den Schura auch Vertreter des Geheimdienstes ISI teilgenommen. Die pakistanischen Verantwortlichen dementierten dies vehement. Doch schnell musste selbst der pakistanische Verteidigungsminister Ahmad Mukhtar zumindest die Existenz der Schura in Quetta zugeben.
Doppelspiel
Dass die pakistanischen Generäle ihr Doppelspiel trotz Wissen der USA bis heute treiben können, scheint unbestritten, zumal eines der Druck- und Lockmittel der USA bekannt ist: Zehntausende pensionierte pakistanische Armeeangehörige und ihre Verwandten leben oder studieren in den Vereinigten Staaten. Dazu flog schon im Jahr 2011 eine illegale pakistanische Lobbyisten-Gruppe in den USA auf, die mit 3,5 Millionen US Dollar vom ISI und vom pakistanischen Militär bezahlt wurde, wie der Hauptbeschuldigte Syed Ghulam Nabi Fai nach seiner Festnahme zugab.
Pervez Musharraf kann nicht nur offiziell Lobbyisten engagieren, sondern ungestört in den USA dazu aufrufen, ihn, den Ex-Diktator, wieder in Pakistan an die Macht zu bringen. Musharraf gilt als Haupt-Verantwortlicher für den Überfall der pakistanischen Armee auf den von Indien verwalteten Teil Kaschmirs im Jahr 1999, der die Welt an den Rand eines Atomkriegs brachte. Musharraf hatte sich im gleichen Jahr in Pakistan an die Macht geputscht.
Noch im November 2017 sprach Musharraf öffentlich seine Unterstützung für die Terrorgruppe Laschkar-e Taiba (LeT) aus. Die LeT steckt hinter einer Reihe von Anschlägen in Indien, wie den im Jahr 2008 in Mumbai bei dem 174 Menschen getötet wurden.
Warum die US-amerikanischen Regierungen von den pakistanischen Generälen so an der Nase herum geführt werden konnten, hat Daniel S. Markey in seinem Buch No Exit from Pakistan auf den Punkt gebracht: Weil die verschiedenen US-Regierungen keine konsequente Pakistan-Strategie hatten und sich allzu oft von der Tagespolitik leiten ließen. So wollten die Verantwortlichen der USA Ende der 1990er-Jahre eigentlich auf die Zusammenarbeit mit Indien setzen, doch dann fielen die Türme des World Trade Centers.
Die pakistanischen Generäle hatten dagegen immer feste Ziele: Machterhalt, eigene Bereicherung und den Kampf gegen Indien. Die Feindschaft zum östlichen Nachbarn ist das Lebenselixier der aufgeblähten pakistanischen Armee und wird auch mit Hilfe von islamischen Fanatikern am Köcheln gehalten - dass darunter das eigene Land leidet, ist ihnen offenbar egal.
Bedrohliche Probleme
Spätestens ab Februar wird der staatsbedrohende Wassermangel wieder zum bedrohlichen Problem. Die Infrastruktur ist völlig veraltet, dafür hat sich die Bevölkerung seit 1947 von 30 Millionen auf 210 Millionen vergrößert. Offiziell können 40 Prozent der Bevölkerung weder lesen noch schreiben. Wie mir ein Beamter erzählte, der an einer dieser Zählungen teilnahm, gelten in Pakistan Menschen, die nur ihren Namen schreiben können, bereits als alphabetisiert.
Die pakistanische Rupie hat im letzten Jahr 30 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar verloren, die Preise für alle lebenswichtigen Güter schießen in die Höhe. Der Plan, die Wirtschaft des Landes wieder auf die Beine zu bringen, indem die einfache Bevölkerung als Billigkräfte in der Textilproduktion und anderen Billigindustrien "verwendet" wird - wenn es erst einmal genug Strom durch chinesische Kohlekraftwerke gibt - ist schon mittelfristig zum Scheitern verurteilt: Konkurrenten wie Bangladesch beginnen schon mit dem Einsatz von Nährobotern, was die zu erwartende große Fluchtwelle aus Bangladesch jedoch noch beschleunigen wird.
Die Umweltzerstörungen in Pakistan durch Billigindustrie, Gier, Schlamperei und völliges Desinteresse aller vorigen Regierungen sind schon jetzt alarmierend, dabei fängt das Land gerade erst an, mit chinesischer Hilfe Kohle als Energiequelle zu nutzen. Mittendrin steht Premierminister Imran Khan - das geringste Übel an der Spitze des Landes, seit es Pakistan gibt -, der mit notdürftigem, politischem Flickzeug von einem Problem zum nächsten springt.
Jetzt sollen schnell riesige Staudämme her, um das Wasserproblem zu lösen. Dabei sagen Experten voraus, dass im Falle weiterer Stauung des Indus-Flusses dem Industal im Süden des Landes durch Austrocknung eine Katastrophe droht.
Dass Khan in Sachen Armee kaum einen Hebel hat, um Druck auszuüben, zeigt ein Blick in die Gesetzgebung des Landes: Die pakistanische Armee darf ohne Haftbefehl jede Person festnehmen, jedes Fahrzeug beschlagnahmen und jeden Gegenstand konfiszieren, der theoretisch für Straftaten zu gebrauchen ist. Dagegen darf die pakistanische Polizei keine Straftat eines Angehörigen der Streitkräfte untersuchen. Dieses Recht behält sich die Armee selber vor…
Zudem arbeitet die Militärspitze an einer Verlängerung der Anti-Terror Schnellgerichte, so dass die Armee auch weiterhin jeden nach Belieben als Terrorist verurteilen kann. Der Bürgerrechtler und politische Aktivist Baba Jan ist nur ein Beispiel von Hunderten, wie die Anti-Terror-Gesetze in Pakistan benutzt werden, um jeden zivilen Widerstand im Keim zu ersticken.