Die pakistanische Armee hat gewonnen

Seite 2: Spiel mit pakistanischen Extremisten

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Auch der chinesischen Regierung dämmert langsam, dass sie mit mehr als einem Bein im Schlamassel steckt, was ihre Pakistan-Politik betrifft. Der Gegenwind für den reichen Nachbarn im Norden wird stärker, je mehr durchsickert, wie unvorteilhaft die chinesisch-pakistanischen Verträge in Sachen Neue Seidenstraße für Pakistan sind. So gehen 91 Prozent der Gewinne am Hafen im südlichen Gwadar an Peking.

Der Unmut wächst. Es gab bereits mehrere Anschläge auf chinesische Staatsangehörige in Pakistan. Im November 2018 verhinderte einzig ein pakistanischer Polizist mit seinen Leben, dass es bei einem Selbstmordanschlag auf das chinesische Konsulat in Karatschi zu vielen Toten kam. So hat China seine Investitionen in Pakistan rigoros zurückgefahren.

Den pakistanischen Generälen kann das alles egal sein: Sie besitzen Atomwaffen und wissen, dass sich die "Großen" dieser Erde gegeneinander ausspielen lassen. Dazu haben sie gelernt, dem Westen immer wieder Sand in die Augen zu streuen. Nach den gewalttätigen Demonstrationen von islamischen Fanatikern in Islamabad im November 2018 gegen die Freilassung der Christin Asia Bibi, hatte die Armee ein hartes Vorgehen angekündigt und verhaftete den Führer der Proteste Khadim Hussain Rizvi und mehr als 3.000 seiner Anhänger.

Im Januar 2002 kündigte Musharraf ein großes Vorgehen gegen islamische Militante an: Terrorgruppen wie Lashjar-e-Taiba (LeT) wurden verboten. In nur vier Tagen wurden 1.900 Islamisten verhaftet und ihre Verurteilung angekündigt. Weitere Konsequenzen hat das nicht. Denn seit 20 Jahren spielt Pakistan dieses Spiel perfekt. Kein einziges Verfahren wurde gegen die Verhafteten eingeleitet. Die LeT führte schon kurz darauf ihre Organisation unter einem anderen Namen weiter - wie schon aufgezeigt, ist Musharraf sogar ein bekennender Fan der LeT geworden.

Das Spiel geht weiter: Khadim Hussain Rizvi gehört der Islamschule der sunnitischen Brelwis an. Diese sind zwar für Straßenproteste zu gebrauchen, aber die eigentliche Zusammenarbeit der Armee passiert mit den sunnitischen Extremisten der Deobandischulen. Es gibt viele Indizien, die darauf deuten, dass die LeT auf Betreiben der Armee Anschläge in Indien ausführt. Wegen ihrer Nähe zum Wahhabismus werden die Deobandis von Saudi-Arabien explizit unterstützt. So ist Khadim Hussain Rizvi nur ein Bauernopfer, das bei Bedarf wieder ins Spiel gebracht werden kann - denn natürlich fällt sein Fall in den Bereich der Anti-Terror-Gesetze.

In seinem Buch "Pakistan Paradox" hat Christophe Jafflerot nicht nur die Entstehung der verschiedensten pakistanischen Extremisten-Gruppen beschrieben, sondern zugleich ihre Zusammenarbeit mit dem Establishment: Auch Ex-Premierminister Nawaz Sharif, selbsternannter Verteidiger der Demokratie, arbeitete mit den gefährlichsten sunnitischen Terrorgruppen zusammen, solange es ihm den Machterhalt in seiner Heimatprovinz Punjab diente.

Eine Lösung des Problems Pakistan ist in der Theorie einfach: Indien, China und die USA müssten sich "nur" einmal zusammensetzten, damit die pakistanischen Generäle sie nicht gegeneinander ausspielen können. Da China mit der Neuen Seidenstraße seine eigenen Pläne in Pakistan hat, wird es die Interessen seines "Partners" nicht ganz vernachlässigen. Ein weiterer Akteur macht mobil: Mit ausgezahlten und in Aussicht gestellten Krediten von 10 Milliarden US-Dollar, ist es Saudi Arabien, dass jetzt auch offiziell groß im Land der Reinen mitspielt.

Die Schergen des Kronprinzen bin Salman werden sicherlich gut mit dem ISI zusammenarbeiten. Denn es war die intolerante Islam-Auslegung von Saudi-Arabien, die ab 1979 auch mit Hilfe amerikanischer Dollar und des ISI in Pakistan verbreitet wurde. In Tausenden von Madrassas (Religionsschulen) wurden fanatische Islamisten herangezüchtet, die man in den Kampf in Afghanistan gegen die Sowjets senden konnte.

Saudi-Arabien hat bis heute mit Millionen von Dollar die Verbreitung seines Glaubens in Pakistan weitergeführt. Nicht nur dies, wissen die Verantwortlichen der USA schon lange: Wie durch Wikileaks im Jahr 2010 bekannt wurde, steht in einem von Hillary Clinton unterzeichneten Bericht, dass die größten Geldspenden für sunnitische Terrorgruppen wie Al Kaida oder der pakistanischen LeT, die der kruden Islamauslegung der Saudis nahe stehen, aus Saudi-Arabien stammen.

Welche Schlüsse haben die USA aus diesem Wissen gezogen? Die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien wurde verstärkt, Julian Assange soll der Prozess gemacht werden. Man kann sich leicht ausmalen, was dem Rest der Welt in Sachen Pakistan noch bevorsteht.

Von dort wurde übrigens schon einmal Material zum Bau einer Atombombe unter der Hand verkauft. Die pakistanische Armee hat behauptet, davon nichts gewusst zu haben. Dass ein Mann unter ihren Augen pakistanisches Know-how zum Bau einer Atombombe illegal verkauft hat, ist wohl genauso beunruhigend wie die wahrscheinlichere Variante, dass die Generäle bei den Atomgeschäften selber mitmischten.

Eines steht nebenbei fest: Unter einer von Pakistan unterstützen Talibanherrschaft wird Afghanistan weder sicherer noch lebenswerter. Das gebeutelte Land am Hindukusch - nach den Anschlägen von 9/11 durch den internationalen "Kampf gegen den Terror" erneut in den Fokus gerückt - bleibt der blinde Fleck im Pokerspiel der Mächtigen.