Die palästinensische Einheitsregierung steht
Das Parlament sprach den von Ministerpräsident Ismail Hanija (Hamas) und Präsident Mahmud Abbas (Fatah) vorgeschlagenen 24 Ministern am Samstag sein Vertrauen aus
Hanija wurde damit als Ministerpräsident bestätigt. Sein Stellvertreter ist Azzam al-Ahmad von der Fatah, die unter anderem auch die Ministerien für Arbeit und Gesundheit hält. Das Finanzministerium wird wieder von Salam Fayyad (Partei „Dritter Weg“) geführt, der sich bereits in einer früheren Amtszeit hohe Anerkennung der westlichen Länder erwarb. Außenminister ist der parteilose Ziad Abu Amer. Dem Innenministerium steht der ebenfalls unabhängige Hani Qawasmi vor. Insgesamt besteht das 25-köpfige Kabinett nun aus 12 Hamas-Mitgliedern, einschließlich des Ministerpräsidenten. Dazu kommen sechs Fatah-Minister. Die Fraktionen des Dritten Wegs, das Unabhängige Palästina, der Volkspartei und der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas stellen jeweils ein Portfolio. Parteilose besetzen drei Ministerposten.
Damit gehören fast alle für die auswärtigen Beziehungen wichtigen Ministerien nicht mehr der Hamas. Von den Schlüsselministerien sind nur noch die für Bildung und Planung in deren Hand. Letzteres ist normalerweise für die Koordination der Geberländer zuständig, ein Umstand, der sicherlich veränderbar ist.
Internationale Isolierung überwunden
Den politischen Boykott der westlichen Länder konnte die neue Regierung bereits beenden. Schon am Donnerstag erklärten einige europäische Staaten und die USA, mit Ministerien, die nicht von der Hamas geführt werden, zusammenarbeiten zu wollen. Frankreich hat dem neuen Außenminister eine Einladung nach Paris überreicht. Die Europäische Union plant die erneute direkte Zusammenarbeit mit einem Teil der Autonomiebehörde und lud Salam Fayyad zu Konsultationen nach Brüssel ein. Seit der Regierungsübernahme der Hamas im März 2006 wurde die Budgethilfe an die palästinensische Regierung ausgesetzt. Die EU machte seither Zahlungen an einen Teil der Beamten individuell über den sogenannten Temporären Internationalen Mechanismus. Dieser könnte, so die EU, ausgeweitet werden und demnächst auch zu Wirtschaftsaufbau und Institutionenbildung beitragen.
Die wichtigste Hürde zur Regierungsbildung fiel bereits am 8. Februar im saudi-arabischen Mekka. Dort einigten sich Fatah und Hamas auf eine gemeinsame Plattform. Im „Abkommen von Mekka“ und im aktuellen Regierungsprogramm hat sich nun die Hamas ebenfalls zur Anerkennung aller PLO-Resolutionen verpflichtet. Das schließt die Akzeptanz der Zwei-Staatenlösung und die Anerkennung Israels ein, nachdem dieses die seit 1967 währende Besetzung der Palästinensergebiete beendet. Allerdings betonte Haniya, dass der "Widerstand in allen Formen" ein "legitimes Recht" gegen die Besatzung ist.
Israel rief die internationale Gemeinschaft zum Boykott der neuen palästinensischen Regierung auf. „Das Regierungsprogramm entspricht nicht den Bedingungen des Nahostquartetts“, erklärte Außenministerin Tzipi Livni. Das Quartett - USA, EU, Vereinte Nationen und Russland - fordert von der Hanija-Regierung die Anerkennung Israels, die Einstellung bewaffneten Widerstands und die Anerkennung internationaler Abkommen vor dem Ende der israelischen Besatzung.
Innere Sicherheit oberste Priorität
Die Verteilung der Ministerien richtet sich offenbar nach palästinensischen und internationalen Bedürfnissen. Ämter, die auf internationale Zusammenarbeit angewiesen sind, werden von der Fatah oder anderen den Westen genehmen Parteien besetzt. Andere, wie das Ministerium für Kommunalverwaltung, werden von der Hamas geführt. Die Unfähigkeit der Fatah, lokale Strukturen aufzubauen, ist berüchtigt.
Laut Programm gibt die Einheitsregierung der inneren Sicherheit „oberste Priorität“. In den vergangenen Monaten fielen Dutzende Palästinenser, auch Zivilisten, Kämpfen zwischen Hamas und Fatah zum Opfer. Der Konflikt dauert noch an. Verschiedene Sicherheitsdienste sind Teil der Schießereien. „Die Neustrukturierung der Sicherheitsdienste und deren professioneller Aufbau“, sind nun die Aufgabe von Innenminister Hani Qawasmi. „Parteiliche Erwägungen“ sollen reduziert und die Beamten auf den Dienst am Land insgesamt eingeschworen werden. Ein Sicherheitsplan soll „alle Formen von Chaos“ beenden. Bisher werden die etwa 80.000 Polizisten und Militärdienste von der Fatah kontrolliert. Sie verweigerten der Hamas-Regierung den Gehorsam.
Palästinenser haben hohe Erwartungen an ihre neue Regierung. „Nur eine Koalition aus Fatah und Hamas kann intern Recht und Ordnung und extern einen Waffenstillstand mit Israel durchsetzen“, meint der Politologe Khalil Shikaki aus Ramallah. „Nur sie kann den Islamischen Dschihad, lokale Kriegsherren und andere Quertreiber neutralisieren.“
International wird die elfte palästinensische Regierung offenbar als die derzeit bestmögliche gesehen. Neben Israel lehnt ansonsten nur Al-Qaida die neue Einheitsregierung komplett ab. Osama bin Ladens Stellvertreter verurteilte das Verhalten der Hamas als „Kompromiss“ und „Hochverrat“.