Die "rote Linie" nicht überschritten

Ex-Außenminister Fischer verteidigt sich und die alte Regierung gegen die Kritik, nicht direkt gegen CIA-Verschleppungen, Folter und rechtsfreie Räume wie Guantanamo aufgetreten zu sein

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Indirekt, über die Niederschrift und Zusammenfassung eines befreundeten Journalisten, gab nun der ehemalige Außenminister Joschka Fischer endlich erstmals einige Stellungnahmen zu den Verwicklungen der deutschen Regierung mit dem amerikanischen Krieg gegen den Terrorismus und den dabei eingetretenen "Kollateralschäden" im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen. Man hätte von dem grünen Minister eigentlich erwartet, gerade weil er sich von leitenden Positionen zurückgezogen hat, dass er früher und deutlich zu den bekannt gewordenen Vorfällen Stellung genommen hätte. Aber in dem indirekt wieder gegebenen Gespräch wird zumindest der Druck deutlich, unter dem die alte deutsche Regierung gestanden hat.

Ex-Außenminister Fischer am 8. Juni 2005 bei seiner Kollegin Rice im State Department. Bild: State Department

Den Druck vergisst man leicht hinter den moralischen Vorwürfen, zumal CDU/CSU und auch die jetzt so sich durch Aufklärung profilierende Westerwelle-Partei seiner Zeit ganz anders agiert hatte. In der Opposition hatte man die Distanz der Regierung zum Weißen Haus gegeißelt und dabei gerne über die vielen Verletzungen von internationalen Abkommen sowie die durch rohe militärische und wirtschaftliche Macht agierende US-Regierung hinweggesehen. Eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit stünde bei CDU/CSU und FDP dringend an, jetzt aber kann man sich hinter den Fehlern der Schröder-Regierung verstecken, die wenigstens ambivalent war, aber auch meinte, pragmatisch nach den faktischen Machtverhältnissen handeln zu müssen, um nicht den Interessen Deutschlands langfristig zu schaden. Fischer sagt zurecht, dass die Christdemokraten nun eigentlich dran wären, den "Kulturschock" zu verarbeiten, wenn sie nun erkennen, auf was sie sich eingelassen hätten, wenn sie mit Bush als treue Vasallen in den Krieg gezogen wären.

Gleichwohl wäre es auch hochinteressant zu wissen, wie ein Politiker wie Fischer, der gleich seiner Partei politische Ideale wie die Durchsetzung der Menschenrechte immer hochgehalten hat, sich hinter den Kulissen verhalten hat, wenn er auf offener Bühne zu den ihm bekannten Sachverhalten schwieg. Er habe, so zitiert ihn Gunter Hofman wieder, in Gesprächen mit Powell oder Rice immer gesagt, dass Folter nicht gebilligt werden könnte und die Genfer Konventionen eingehalten werden müssten. Aber öffentlich geschah dies eben nicht. Und er sagt, man könne "Grauzonen" im Antiterrorkampf sowieso nie ausschließen, was andersherum heißt, man kann es mit dem Rechtsstaat hier nicht so genau nehmen.

Man kann es Fischer durchaus glauben, dass die deutsche Regierung mutig war, sich dem Druck auf Teilnahme am Irak-Krieg oder zumindest auf Unterstützung von diesem zu entziehen. Nach dem 11.09. stand schließlich auch Deutschland unter besonderer Beobachtung. Schließlich wurde der Anschlagsplan in Hamburg ausgeheckt, zudem war Deutschland unter großen Opfern auch von den Amerikanern vom Faschismus befreit und zu einer wohlhabenden demokratischen Wirtschaftsmacht befördert worden. Man stand in Schuld. Es ging nicht anders, soll Fischer gesagt haben. Wenn man Solidarität mit den USA nach dem 11.9. zeigen wollte, dann habe man die "Grauzonen" nicht vermeiden können. Beispiel Guantanamo: Verhöre von dort Gefangenen durch deutsche Beamte seien für ihn durchaus legitim wie solche in syrischen Gefängnissen, um Informationen zu erhalten, eben weil Deutschland die Terroristen habe ungehindert operieren lassen. Trotzdem sei es ein Fehler, rechtsfreie Räume einzurichten, nach Guantanamo Gefangene zu verschicken und die Genfer Konventionen zu missachten.

Jetzt sagt Fischer, dass man darüber offensiv streiten muss. Das haben seine Regierung und er versäumt, auch noch dann, als die Diskussion hier über Verschleppungen durch die CIA und geheime CIA-Gefängnisse aufkam, in die Gefangene verschwinden. Vermutlich war es immer so wie beim Fall al Masri. Man zog es vor, wie Hofman wohl Fischer richtig wiedergibt, wegen eines solchen Falls keinen "großen Krach" zu machen, und ermittelte lieber "hinter den Kulissen". Dann aber spielt man eben doch mit, im Zeichen der diplomatischen Realpolitik und mit einem guten Gewissen, auch wenn sich die Fälle häuften, und hält den Glauben aufrecht, niemals die "rote Linie" überschritten zu haben, die sich damit sehr flexibel und dehnbar zeigt. Und dass Fischer sich nur indirekt zitieren lässt und nicht offen spricht, erscheint so als Ausdruck einer vielleicht nachvollziehbaren Realpolitik, aber gleichzeitig auch als Fortsetzung des Spiels mit der angeblich unvermeidlichen "Grauzone". Der Realpolitiker Fischer ist hier auf gleicher Linie mit Schily und Schäuble.