Die schlimmste Seuchenkatastrophe der Geschichte
Bei der Eroberung Amerikas könnten bis zu 90 Prozent der Einwohner durch Bakterien und Viren ums Leben gekommen sein
Die New York Times errechnete anhand von Durchschnittswerten aus den Jahren davor für 35 Länder die Übersterblichkeit in den Monaten März bis September/Oktober im ersten Coronapandemiejahr 2020. Dabei kam sie zum Ergebnis, dass es unter anderem in Peru mit 133, in Bolivien mit 93 und in Ecuador mit 88 Prozent eine massive Übersterblichkeit gab. Für Ungarn, Tschechien und Deutschland gibt die Zeitung die Zahl der Toten in diesem Zeitraum als "normal" an (vgl. Der Coronatribalismus und die Übersterblichkeit).
Gruppen unter den Indigenas, die ganz allgemein anfälliger für Viren sind als andere Menschen
Warum die Übersterblichkeit gerade in den drei oben genannten südamerikanischen Ländern so hoch ist, ist noch unklar. Gemeinsam ist ihnen auf jeden Fall, dass in ihnen der indigene Bevölkerungsanteil höher ist als in anderen lateinamerikanischen Staaten: In Bolivien liegt er bei gut 50, in Peru bei 47 Prozent und in Ecuador an der Sprache gemessen bei sieben und genetisch gemessen bei 59,6 Prozent. Eine genetisch bedingt höhere Anfälligkeit für Sars-CoV-2-Viren wurde bislang aber nicht bei den dort vertretenen Haplogruppen postuliert, sondern bei der besonders in Irland und anderen Teilen Westeuropas häufigen Haplogruppe R1b.
Es gibt allerdings Gruppen unter den Indigenas, die ganz allgemein anfälliger für Viren sind als andere Menschen: Die wenig kontaktierten wie die Arara im brasilianischen Cachoeira-Seca-Territorium. Ihre Immunsysteme konnten sich durch die relative Isolation noch nicht auf Erreger einstellen, die Zuwanderer aus der europäisch-asiatisch-afrikanischen Landmasse seit 1492 auf die beiden amerikanischen Kontinente und die davor liegenden Inseln brachten.
Am Anteil an der Bevölkerung gemessen schlimmer als mittelalterlichen Pestwelle Mitte des 14. Jahrhunderts
Im 16. und 17. Jahrhundert führte das zu einer Seuchenkatastrophe, die Hochrechnungen von Historikern nach nicht nur bei weitem das Ausmaß der direkten Corona-Folgen, sondern sogar das der mittelalterlichen Pestwelle Mitte des 14. Jahrhunderts übertrifft, wenn man die Opfer als Anteil an der Bevölkerung misst: An der Pest starben den Berechnungen des norwegischen Historikers Ole Jørgen Benedictow nach zwischen 1347 und 1353 50 von damals etwa 80 Millionen Europäern. Die Zahl der präkolumbianischen Amerikaner könnte sogar auf ein Zehntel geschrumpft sein, bevor sie wieder stieg.
Ein Unsicherheitsfaktor dabei ist jedoch, dass die Historiker die Gesamtbevölkerung dieser Kontinente sehr viel stärker schätzen müssen als die des spätmittelalterlichen Europas, weil es dazu weniger Aufzeichnungen gibt. Anhand von Berichten, archäologischen Befunden und Plausibilitätsannahmen hat man sich aber darauf geeinigt, dass um 1492 wohl um die 50 und um 1650 nur noch um die fünf Millionen Indianer in Amerika lebten.
Sklaven brachten Malaria und Gelbfieber mit
Auf den Karibikinseln, auf denen die Spanier zuerst anlandeten, starben die Indianer sogar fast vollständig aus und wurden durch Arbeitssklaven ersetzt, die man afrikanischen Potentaten abkaufte. Diese Sklaven brachten dann unter anderem Malaria und Gelbfieber mit, was die Indigenen weiter dezimierte. Für Mesoamerika, das als nächstes dran kam, schätzt man einen Rückgang von über 90 Prozent. Alleine an den Pocken könnte dort über die Hälfte der Bevölkerung gestorben sein.
In Nordamerika, wo eine häufig nomadische Bevölkerung weniger dicht beisammen lebte, breiteten sich die Seuchen langsamer aus. Hinzu kam, dass es durch ihre kaum spezialisierten Wirtschaftsweisen nicht so leicht zu Hungerkatastrophen kam, wenn ein Berufsstand wegstarb.
Dafür verbreitete sich dort eine Seuche nicht nur zufällig, sondern wurde im Siebenjährigen Krieg von den mit den Preußen gegen Frankreich und Österreich verbündeten Engländern bewusst eingesetzt: Ihr General Jeffrey Amherst ließ an Indianervölker, die sich den Franzosen zugesellt hatten, Decken von Pockenkranken verteilen, von denen man auch ohne eine Vorstellung von Viren wusste, dass sie die Krankheit übertragen.
Gegen weniger tödliche Krankheiten wie Masern und Grippen hatten intensiver kontaktierte Indianer aber bald die Resistenzen nachgeholt, für deren Bildung die Europäer, Asiaten und Afrikaner durch ihren intensiven Kontakt mit Rindern, Ziegen, Schafen, Schweinen und Hühnern mehrere tausend Jahre Zeit hatten.
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