Die unerträgliche Leichtigkeit der Schwerreichen?

Die Gated Community der 0.01 Prozent und der Rest der Gesellschaft. 1.Teil

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Noch nie gab es so viele dieser Märchengestalten. Während man in den USA 1985 gerade mal 13 Milliardäre zählte, wie die New York Times vor kurzem schrieb, sollen es nach Information der Zeitung gegenwärtig mehr als tausend sein. Schon macht in den Vereinigten Staaten das Wort vom neuen "Gilded Age" die Runde. Auch Großbritannien, vor allem London, kennt das Phänomen einer neuen Klasse so genannter Superreicher, die zum Zorn der Mittelklasse die Grundstückspreise verderben. Seit diesen Sommer funkeln "super-rich" und "very rich" immer öfter aus englischsprachigen Schlagzeilen heraus und versprechen etwas Glamour für die einen und Grund zu Besorgnis oder Schlimmerem bei anderen. Ist da tatsächlich etwas Neues entstanden oder hat sich das Gesellschaftskarussell "Ihr da oben, wir da unten" nur ein paar Runden weiter gedreht? Bereichern die neuen "Superreichen" unsere Welt - oder machen sie sie ärmer?

Zumindest die Vorstellungskraft einiger Lesern dürfte etwas belebt werden, wenn sie ein paar medienvermittelte Blicke hinter die hohen Mauern werfen und erfahren, dass sich die Superreichen eine Suite für 40.000 Dollar einschließlich Maserati pro Nacht gönnen, einen Martini on the Rock (= Diamant) für 15.000 Dollar an der Bar bestellen können, sich Grundstücke in den Hamptons für 103 Millionen Dollar kaufen, für Charity-Empfänge auf einsame Pazifik-Inseln zu Bono jetten und glanzvolle Biographien für hundertausende schreiben lassen.

Und damit die Neugier nicht nur Richtung Neid gelenkt wird, gibt es auch Berichte, die von der Schattenseite der Bling-Welt erzählen: von den "Spoiled Rotten Rich Kids" etwa, die bald Milliarden erben und darauf in Erziehungslagern vorbereitet werden müssen. Das Schicksal hält für jeden harte Prüfungen bereit.

Der Autor, der solche Erziehungscamps für die "Richie Rich" beschreibt, ist Robert Frank, Blogger für das Wall Street Journal ("The Wealth Report) und Erfinder der Bezeichung "Richistan" für die abgeschlossene Welt der Superreichen.

Diese Welt ist nach Einblicken des Kundschafters Robert Frank in den USA eine Art Ausland im eigenen Land, die "finanziellen Ausländer" verfügen über ihr eigenes Gesundheitssystem, eigene Einkaufswelten, eigene Reisewelten, kurzum über ihre ganz eigene Infrastruktur und Netzwerke, die sie von uns anderen trennen. Die Eingangsschwelle zu dieser Oberklasse liegt nach Informationen von Frank bei etwa 10 Millionen Dollar - alles darunter gilt nicht als "reich" sondern nur als vermögend.

Vielen unter denen, die neu in die 1a-Klasse gekommen sind, sollen dies so genannten "liquidity effects" zu verdanken haben: eher Aufkäufen von Firmen und Unternehmungen als Erbschaften, meint Robert Frank und auch die FAZ ließ in einem Artikel über den Klassenkampf in den Hamptons durchblicken, dass sich die spektakulär hohen Preise den guten Einkünften der "Hedge Fundies" verdanken. Und es ist nicht untypisch für die FAZ, das sie hier den altbekannten Dünkel gegenüber den Nouveaux Riches aufgreift:

Der Konsumrausch am Meer trägt allerdings auch sonderbar konformistische Züge. In ihrer Einfallslosigkeit eifern die als Statussymbole vorgesehenen Villen Plattenbauten nach. Nichts Individuelles und schon gar nichts Zeitgenössisches ist erwünscht. In ihrer Luxusausstattung, vom Sprudelbadebecken im manikürten Garten bis zum Heimkino und klimatisierten Weinkeller, gleichen sie einander ebenso wie in ihrer äußeren Gestalt, die sich ins vorletzte Jahrhundert zurücksehnt.

Nichts Neues, keine geistige Bereicherung sondern eher Verarmung, Verblödung stellt der deutsche Schriftsteller Rainald Goetz bei den Reichen, dem ihm vermutlich in Berlin über den Weg laufen fest. Allerdings kommt seine Kritik ohne den fazig distinguierten Geschmacksdünkel aus:

Wie kommt es eigentlich, dass Leute durch Reichtum so stark verblöden? Das liegt vor allem am Geld und seinen Effekten. Der Arme will geben, weil er selbst bekommen möchte, der Reiche lebt in beständiger Angst, ausgenutzt zu werden, wird engherzig dadurch, ungroßzügig und geizig. Schon ist die Seele kaputt, der Geist narkotisiert. Und da haben die sozialen Großfolgen des Geldes noch gar nicht gezündet: Freiheit, Überlegenheit, Weltzugang, Beweglichkeit, Macht [...]

Verblödung durch vorsortierte Kommunikation. Flucht vor Nichtreichen mit ihren anstrengenden Ideen, mit dem Ideenüberhang überhaupt, Flucht in den Genuss beim guten Essen und beim komplett sinnlosen Einkaufen von Schwachsinn, von Dingen, die superscheußlich sind und einen brutal und gewalttätig erniedrigen. Es ist so hohl, dass man es nicht glauben möchte, aber es stimmt, die Frauen der reich gewordenen Männer gehen hinaus in die Stadt und kaufen den allerscheußlichsten Krempel der Welt zusammen, schauen am Ende mit ihren debilen Jeans, Pumps und Taschen alle aus wie neureiche Polinnen, weil sie auch dafür keine Zeit haben, ein Gefühl für ihren Geschmack zu entwickeln, irgendetwas Nichtnachgeplappertes zu empfinden. Daran ist in der Welt der Reichen der größte Mangel, an einer einzigen eigenen Idee.

So groß der Graben zwischen Reich und Arm geworden ist, in England etwa so groß wie seit 40 Jahren nicht, so schwierig ist es für die Mittelklasse geworden, an die nächsthöhere Klasse Anschluss zu finden, wie ein viel kommentierter Guardian-Artikel vor einigen Wochen feststellte - die Versprechen, dass der von Steuern geförderte Wachstum Reichtum weniger später vielen nützen würde, haben sich nach Ansicht der Kommentatorin Madeleine Bunting nicht erfüllt: Von oben ist nichts nach unten "getröpfelt", bzw. nur Unerwünschtes, so die Klage von Bunting:

What "trickle down" means is massive inflation in the London housing market - which, in turn, drives the entire nation's housing market. Prices are being sharply skewed by an elite who are prepared to pay ludicrous money, and, insult to injury, manage to evade stamp duty - that bete noire of the property-obsessed - by transferring ownership of the property to an offshore company (another tax dodge). What infuriates the middle classes is not just the injustice, but that they are now priced out of the neighbourhoods they grew up in, and forced into near-unmanageable mortgages to cling on - hence the cheapo Frascati, taking your own lunch into work, the love of Ikea, Primark and Lidl.

Da die soziale Durchlässigkeit mit dem disproportionalem Anwachsen der Vermögen nicht Schritt halten könnte und abgenommen hat, ist für böszüngige Kulturbeobachter der Bourdieu-Schule die Diagnose klar: Da sich die oberste Klasse gegenüber den Nachrückern nicht mehr abgrenzen muss und abgrenzungs-distinktionstechnisch gut mit phantasielosen, traditionelle klassenüblichen Konsum über die Runden kommt, ist der kulturelle Stillstand in westlichen Ländern die unweigerliche Folge.

Fortsetzung folgt ...