Die unterschiedliche Interpretation vermehrter Positivtests

Bild: NIAID/CC By-4.0

Keinen Bock mehr auf Coronazahlen? - Teil 3. Anmerkungen zur Forumsdiskussion

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Da es zu meinem Artikel Die unterschiedliche Interpretation steigender Infektionen eine rege Forumsdiskussion mit vielen interessanten Argumenten gab, gehe ich gerne auf eine kleine Auswahl der angesprochenen Themen ein. Vielen Dank an alle, die sich am Forum beteiligt haben!

Infektionen

Zu Recht wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass ich den Begriff "Infektionen" unscharf verwendet habe. Nicht alle Positiv-Getesteten sind Infizierte, denn "Infektion" bedeutet, dass sich Krankheitserreger in einem Organismus vermehren.

Ein PCR-Test sucht lediglich nach bestimmten Virenbestandteilen, das heißt:

1. Nicht jeder Positiv-Getestete trägt gesichert vermehrungsfähige Komplett-Viren.
2. Nicht jeder Positiv-Getestete kann andere Menschen anstecken.
3. Nicht jeder Positiv-Getestete entwickelt Krankheitssymptome.
4. Nicht jeder Positiv-Getestete mit Krankheitssymptomen ist zwangsläufig an Covid-19 erkrankt.

Die nicht zutreffende, aber weit verbreitete Gleichsetzung von "Zahl der Positiv-Getesteten" mit "Zahl der Infizierten" trägt wegen der etwas dramatischeren, aber falschen Begrifflichkeit zu einer Überbewertung des Cov-2-Bedrohungspotenzials bei.

Falsch-Positive

Ohne jetzt hier auf die Thematik der Falsch-Positiven ausführlich einzugehen: Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum ein Land, das viele Milliarden Euro für Corona-Hilfsmaßnahmen aufbringt, nicht in der Lage ist, weder für die zugelassenen Labore noch für die eingesetzten Testsysteme eine Qualitätssicherung aufzubauen, die eine statistisch relevante Anzahl Falsch-Positiver definitiv ausschließt.

Trotz vieler relativierender Informationen, die mittlerweile vorliegen: Niemand kann derzeit seriös behaupten, dass dieses Thema geklärt sei. Und gerade in Zeiten anlassloser Massentests mit geringer Positivrate wird diese Klärung immer dringlicher.

Meine Kritik am Nachdenkseiten-Artikel

Mehrere Foristen beklagten, dass ich den Nachdenkseiten-Artikel von Jens Berger als Beispiel genommen und zu hart kritisiert habe. Zum einen schätze ich Jens Berger als hervorragenden Journalisten und halte die Auseinandersetzung mit einem hochwertigen Artikel für besonders ergiebig. Zum anderen habe ich mehrere Aspekte des Artikels positiv hervorgehoben, ohne seine Kernaussage, "alle Fakten sagen, dass Corona nur noch in Bezug auf Einzelfälle gefährlich ist; also bitte keine Maßnahmen-Debatte" in allen Aspekten abzulehnen.

Mir erschien es jedoch wichtig, auf seine etwas selektive Faktendarstellung hinzuweisen und diese Datenbasis weniger alternativlos und eindimensional zu interpretieren. Seine Botschaft, dass Covid-19 als Gesundheitsgefahr derzeit ein Randphänomen ist und auch bleiben wird, kann ich mit dieser Gewissheit nicht teilen. Dass es richtig ist, den Fokus auf die Zahlen zu lenken, um die es letztendlich geht – Krankenhauseinweisungen, Intensivstation-Einweisungen, Sterbezahlen – finde ich unbedingt richtig. Meine Kritikpunkte halte ich auch nach der Forumsdiskussion für berechtigt. Wenn wir Artikel, die aus dem vermeintlich "richtigen" Lager kommen, nicht mehr punktuell kritisieren dürfen, sind wir genau bei dem Schwarz-Weiß-Denken, gegen das sich in mein Text richtet.

An oder mit Covid-19 verstorben

Auch wenn die Zahl der Covid-19-Toten derzeit sehr gering ist, steht die Aussage der stellvertretenden RKI-Pressesprecherin, Marieke Degen, im Raum, die folgendermaßen wiedergegeben wird: "Jemand, der gewaltsam durch Eigen- oder Fremdeinwirkung stirbt, sei demnach "verstorben mit" Covid-19 und werde in die Statistik der Todesfälle aufgenommen."

Frau Degen hat auf meine persönliche Nachfrage diese Aussage (zu extremen Ausnahmefällen) aufrecht erhalten. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass es ihr auch darum ging, nicht zurückrudern zu müssen. Was sie allerdings klarstellte: Es liegt immer im Ermessen des Kreises / Gesundheitsamtes, ob ein Todesfall in die Covid-19-Meldedaten aufgenommen wird oder nicht. Das RKI gibt als oberste deutsche Bundesbehörde lediglich Empfehlungen.

Das würde bedeuten, dass dem viel zitierten Krefelder Fall ein Kompetenz-Missverständnis zugrunde liegt. In einer amtlichen Mitteilung hieß es dort: "Obwohl es laut Feststellung des städtischen Fachbereichs Gesundheit keinen neuen Todesfall im Zusammenhang mit Covid-19 zu verzeichnen gibt, muss die Zahl der Verstorbenen systemrelevant um einen Fall auf nun 23 heraufgesetzt werden, um die Statistik an die des Robert-Koch-Institutes anzupassen. Grund ist, dass Personen, die einmal positiv auf das Coronavirus getestet wurden und später versterben grundsätzlich in dieser Statistik aufgeführt werden. Im vorliegenden Krefelder Todesfall galt die Person (mittleren Alters und mit multiplen Vorerkrankungen) nachdem es mehrfach negative Testergebnisse gab inzwischen seit längerem als genesen."

Die Verantwortung für die offenbar falsch verstandene Kompetenzlage sieht Frau Degen bei der Krefelder Verwaltung und verweist auf die (wie gesagt unverbindliche) RKI-Empfehlung - zu finden in einer FAQ-Liste: "Sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind ("gestorben an"), als auch Personen mit Vorerkrankungen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war ("gestorben mit") werden derzeit erfasst."

Die Definition des "gestorben mit" lässt einen großen Interpretationsspielraum (wenn ich das richtig verstehe, aber nicht für "Tod durch Eigen- oder Fremdeinwirkung"), und im Forum kam die berechtigte Frage auf, was das denn nun für die bevorstehende Grippe-Saison bedeutet. Bekanntlich sterben Grippepatienten häufig an einem Mix verschiedener Viren und Bakterien. Sobald Cov-2 dabei ist, verzeichnen wir dann also entsprechend viele Coronatote und die Covid-19-Sterbestatistik schnellt nach oben?

Um zu verhindern, dass die winterliche Covid-19-Sterbewelle nicht bereits jetzt als statistischer Papiertiger vorprogrammiert ist, scheint es höchste Zeit, zumindest deutschlandweit einheitliche und verbindliche Kriterien zu entwickeln. Die derzeitige Vorgehensweise macht leider keinen sehr zukunftsfähigen Eindruck; und ohne vernünftige Datenlage wird wohl kaum vernünftige Politik möglich sein.