Diesel-Ausstieg sinnlos?
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Die Energie- und Klimawochenschau: Von CO2-Steuern, gefährlichen Wendepunkten, Vattenfalls zu langem Festhalten an der Kohle und der eigenartigen Umweltpolitik sogenannter Kanzler-Kandidaten
Wie zu erwarten, bliebt die Abschlusserklärung des G20-Gipfels deutlich hinter denen früherer Jahre zurück. Im Wesentlichen beschränkte man sich darauf, den Dissens festzustellen: Die USA steigen aus dem Pariser Abkommen aus, die übrigen 18 Regierungen sowie die EU-Kommission lassen wissen, dass es keine Neuverhandlungen geben wird.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan scheint diese Stellungnahme allerdings nicht besonders ernst genommen zu haben. Am Samstag verkündete er, dass die Türkei das Abkommen nicht ratifizieren werde. Damit stellt sich die Türkei gemeinsam mit den USA ins Abseits, denn die Liste der Vertragsparteien wird immer länger. Inzwischen haben 152 Staaten ratifiziert, eine gute Drei-Viertel-Mehrheit der internationalen Gemeinschaft. (Der echten, nicht der imaginierten Kriegsgemeinschaft westlicher Medien.)
So oder so, die bisherigen G20-Erklärungen mögen zwar schöner anzuschauen gewesen sein, blieben aber dennoch in Sachen Klimapolitik meist weitgehend folgenlos. Und die Umsetzung muss ohnehin in den einzelnen Ländern laufen und diesbezüglich tut sich in den USA zumindest einiges. Trotz Trump.
Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown war schon Anfang Juni in China, um - unter anderem mit Präsident Xi Jinping - über gemeinsame Projekte in Sachen Klimaschutz zu reden. Auch der Ausbau der Windenergie kam jenseits des Atlantiks in den letzten Jahren ganz gut voran, und im Ostküstenstaat Massachusetts hat gerade das dortige Energieministerium eine Aufforderung herausgegeben, Angebote für einen 400-Megawatt-Offshore-Windpark zu machen.
Hierzulande sind hingegen in letzter Zeit wenig Fortschritte in Sachen Klimaschutz festzustellen. Wie bereits des öfteren berichtet, stagnieren die hiesigen Treibhausgas-Emissionen seit 2009 auf hohem Niveau. Was also tun? Vielleicht endlich die Emissionen mit einem wirksamen Preis versehen? Das Strom-Unternehmen Greenpeace Energy hat am Dienstag eine CO2-Steuer vorgeschlagen.
Bei erneuerbaren Energien fließen sämtliche durch die jeweiligen Technologien verursachten Kosten transparent in den Strompreis ein. Bei fossilen Energien hingegen spiegeln sich die durch sie verursachten Klimaschäden, Verschmutzungen und Gesundheitsfolgen nur in geringem Umfang im Preis wider. Da im aktuellen Strommarkt der Einsatz von Kraftwerken in der Reihenfolge ihrer jeweiligen Kosten erfolgt, wird dieser Markt ohne eine CO2-Besteuerung erheblich verzerrt. So kommen fossile Kraftwerke derzeit zu oft zum Zug, was das Klima belastet - aber auch die Bürgerinnen und Bürger, da sie die hohen Folgekosten konventioneller Energieträger letztlich bezahlen.
Marcel Keiffenheim, Greenpeace Energy
Der Vorschlag geht auf eine Initiative des Bundesverbandes Erneuerbare Energien zurück. Der hatte in einer Studie (noch nicht online verfügbar) vorrechnen lassen, welche Wirksamkeit eine Besteuerung der CO2-Emissionen entfalten könnte. Das Ergebnis: Schon bei einem Preis von 25 Euro pro emittierter Tonne CO2 ist ein erheblicher Minderungseffekt zu erwarten.
Die Berechnungen von Energy Brainpool zeigen, dass bereits ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne die Emissionen im Stromsektor im Jahr 2020 um ein Drittel reduziert. Zudem wird bereits mit 25 Euro pro Tonne CO2 die Hälfte der Klimaschutzwirkung eines CO2-Preises von 80 Euro pro Tonne erreicht.
Harald Uphoff, Bundesverband Erneuerbare Energien
Eigentlich sollte ja das EU-Emissionshandelssystem diese Wirkung erzeugen, doch kosten die Zertifikate schon seit geraumer Zeit weniger als fünf Euro pro Tonne CO2. Daher ist der Kohlestrom besonders billig und drückt den Preis an der Strombörse. Das wiederum treibt die hauptsächlich von den privaten Haushalten und kleinen Gewerbetreibenden zu zahlende EEG-Umlage in die Höhe.
Emissionshandelssystem in Ordnung bringen
Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen bekommen nämlich eine garantierte Vergütung für ihren Strom bezahlt, der dann zu niedrigen Preisen an der Börse verkauft werden muss. Die Differenz zwischen jeweils aktuellem Börsenpreis und der Vergütung wird von der Umlage abgedeckt. Wäre der Strompreis an der Börse höher, so fiele die EEG-Umlage - derzeit 6,88 Cent pro Kilowattstunde - niedriger aus.
Man könnte also, statt eine Steuer einzuführen, auch einfach das Emissionshandelssystem in Ordnung bringen, um die Zertifikate zu verteuern. Das ginge zum Beispiel, in dem diese verknappt würden. Doch dagegen haben sich bisher innerhalb der EU-Gremien vor allem Deutschland und Polen gewehrt.
Könnte sein, dass in diese Debatte demnächst wieder Bewegung kommt, denn Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron hat vor einem Monat angekündigt, sich für die Verteuerung der Zertifikate einsetzen zu wollen. Ihm schwebt offensichtlich ein Preis von 30 statt der derzeitigen knapp fünf Euro pro Tonne CO2 vor. Die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt, dass er die Bundesregierung zu entsprechende Maßnahmen überreden will.
Und der Strompreis?
Was würde das für den Strompreis bedeuten? Deutscher Braunkohlestrom würde um 2,9 Cent verteuert. In Deutschland fallen bei der Verstromung dieses relativ energiearmen Brennstoffs im Durchschnitt 1,151 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde an. Bei der Steinkohle sind es 0,863 und beim Erdgas 0,391 Kilogramm pro Kilowattstunde. Damit würde sich der Strom eines Steinkohlekraftwerks im Durchschnitt um 2,2 und eines Gaskraftwerks um einen Cent pro Kilowattstunde verteuern.
Entsprechend der Anteile am Strommix (Bruttostromerzeugung) liefe ein Anheben des CO2-Preises von fünf auf 30 Euro also auf eine Verteuerung von maximal 0,87 Cent pro Kilowattstunde hinaus. Allerdings würden die Mechanismen an der Börse dazu führen, dass weniger Kohlestrom verkauft wird, sein Anteil am Strommix also sinkt.
Außerdem sollte die EEG-Umlage durch die Verteuerung des Kohlestroms abgesenkt werden. Insgesamt wäre der preistreibende Effekt also mit Sicherheit kleiner als diese 0,87 Cent pro Kilowattstunde, wenn es ihn denn überhaupt gäbe.