Diesel-Ausstieg sinnlos?

Seite 2: Raus aus den fossilen Kraftstoffen

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Unterdessen hat Vattenfall angekündigt, binnen einer Generation auf fossile Energieträger verzichten zu wollen. Das erklärte Konzernchef Magnus Hall im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Vattenfall ist in Hamburg und Berlin Netzbetreiber und sogenannter Grundversorger, das heißt, die Mehrzahl der Kunden bezieht dort ihren Strom vom schwedischen Staatskonzern. In Hamburg besitzt das Unternehmen unter anderem das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg.

In Berlin werden seine Kraftwerke meist mit Erdgas, einige auch noch mit Steinkohle betrieben. Widerstand aus der Bevölkerung hatte vor einigen Jahren ein Umdenken in Sachen Kohle erzwungen. Die Pläne, im Ostteil der Bundeshauptstadt ein riesiges Braunkohlekraftwerk zu errichten, wurden aufgegeben.

In beiden Städten betreibt Vattenfall das Fernwärmenetz, doch sowohl an der Elbe als auch an der Spree sind die Landesregierungen bemüht, diese in öffentliche Hand zu überführen. In Berlin erhielt der dortige Senat allerdings kürzlich vor Gericht eine Abfuhr. In Hamburg wird über einen Rückkauf verhandelt, der zum Januar 2019 erfolgen könnte.

Ausstieg in einer Generation hört sich gut an, oder? Nicht wirklich: Eine Generation, das hieße in 25 bis 30 Jahren und wäre also viel zu spät, um einen ernsthaften Beitrag um Klimaschutz zu liefern. Um die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten, wie es im Pariser Abkommen vereinbart wurde, muss der weitere Anstieg der Treibhausgasemissionen bis spätestens 2020 aufgehalten sein und danach sehr rasch zurückgehen.

Kritische Wendepunkte

Darauf haben kürzlich erneut Wissenschaftler des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung hingewiesen. Schon jetzt, erklären Stefan Ramstorf und Anders Levermann, sei das arktische Meereis auf dem Rückzug. Sowohl die Gebirgsgletscher in aller Welt als auch die riesigen Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis verlören im zunehmenden Tempo an Masse.

Immer mehr Menschen hätten unter der Zunahme extremer Wetterereignisse zu leiden, die schwere Zerstörungen anrichten. Und das alles schon bei einer globalen Mitteltemperatur, die inzwischen rund ein Grad Celsius über dem Durchschnittswert des 19. Jahrhunderts liegt. Dieser war dem vorindustriellen Niveau noch sehr nahe.

Levermann und Rahmstorf - Letzterer ist auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen - argumentieren, dass das Ziel des Pariser Abkommens realistischer Weise nur noch zu erreichen ist, wenn die globalen Treibhausgasemissionen spätestens 2020 ihren Höhepunkt überschreiten. Das scheint derzeit noch machbar, denn in den letzten drei Jahren sind sie kaum noch gestiegen.

Allerdings ist es auch allerhöchste Zeit, denn das Klimasystem nähert sich zunehmend kritischen Wendepunkten. Schon jetzt sind zum Beispiel viele tropische Korallenriffe erheblich geschädigt. Eine weitere Erhöhung der globalen Temperatur von 0,5 bis 0,7 Grad Celsius wird voraussichtlich schon ausreichen, um sämtliche Riffe zu vernichten. Die Folgen für Fischereiwirtschaft und Welternährung wären dramatisch.

Noch schlimmer wären die Auswirkungen auf die Küsten, wenn die Eismassen auf Grönland oder in der Westantarktis destabilisiert würden, was schon bei einem Grad zusätzlicher Erwärmung sehr wahrscheinlich wird. Dann würden in den nächsten Jahrhunderten weltweit die Meere um etliche Meter steigen und rund um den Globus Küstenstädte gefährdet.

Im Falle der Westantarktis könnte der Wendepunkt sogar bereits erreicht sein, was allein drei Meter Meeresspiegelanstieg in den nächsten Jahrhunderten bedeuten würde, so die beiden Potsdamer Geowissenschaftler.

Soll Schlimmeres verhindert werden, müssten die globalen Emissionen spätestes 2040 oder 2045 vollkommen aufgehört haben. Und auch das wird nur ausreichen, wenn sie schrittweise aber rasch vermindert werden. Auf keinen Fall dürfen, wie Vattenfall es ankündigt und wie es offensichtlich auch der Bundesregierung mit den anderen Kraftwerken vorschwebt, die meisten bis in die 2030er Jahre oder gar darüber hinaus weiterlaufen.