Digitaler Punk im surrealen Limbus
Capcoms neuer Dante durchkämmt die Vorhölle auf PC, Playstation 3 und Xbox 360
Was im Film geht, können Spiele auch: DmC - Devil May Cry, Teil fünf der Serie, ist ein Neustart der Geschichte um Dämonenjäger Dante.
Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig. Satirische Seitenhiebe auf die Gesellschaft drängen sich während des acht- bis zehnstündigen Hack‘n Slay-Abenteuers DmC - Devil May Cry (Cinematic Trailer) allerdings auf. So bekommt z.B. eine Persiflage des US-amerikanischen Nachrichtensenders Fox News seine Rolle im Krieg zwischen Himmel und Hölle - ein Story-Element, das sogar in einem erinnerungswürdigen Bosskampf gipfelt.
Neuer Look, gleiche Action
Die auffälligste Neuerung von DmC - Devil May Cry ist das Re-Design der Hauptfiguren. Für eine nachgewachsene Generation von Spielern (das erste Devil May Cry erschien 2001) vertraut der japanische Hersteller Capcom westlichen Entwicklern. Das Studio Ninja Theory (Enslaved: Odyssey to the West, Heavenly Sword) aus Cambridge halste sich zwar gleich nach der ersten Präsentation des neuen Dante den Ärger alter Fans auf, zeigt nun aber mit dem Gesamtergebnis, dass die spielerische Essenz geblieben ist. Immer noch ist Devil May Cry ein flüssiges, dynamisches Actionspiel, dessen Combo-Ketten Spieler in einen Sog ziehen. Wo die Geschichte der Ursprungsreihe ein belangloses wie unglaubwürdiges Durcheinander war, versucht Ninja Theory mithilfe des britischen Roman- und Drehbuchautors Alex Garland ("The Beach", "28 Days Later", "Sunshine") Ordnung in die Story zu bringen.
Der neue Dante - ein junger Rebell
Direkt zu Beginn bekommt der neue Dante einen Paradeauftritt. Ein paar Jahre jünger und mit stylisher Mohawk-Frisur gleicht sein Aussehen nicht mehr so sehr dem hageren Teenie-Punk aus den ersten von Fans so verrissenen Promo-Bildern. Mit seinem Vorgänger (über dessen Fönfrisur sich Ninja Theory gleich im ersten Abschnitt lustig macht hat Dante 2013 auch nicht mehr viel gemein - nicht nur wegen des dunklen statt weißen Haars. Alt-Dantes Manga-Charme weicht dafür einer schnoddrigen Rebellenattitüde, die erst mal nichts kennt als Vergnügungssucht. In einer Welt, in der Dämonen die Bevölkerung der Großstadt Limbo City infiltrieren, weiß sich der clevere Draufgänger einigermaßen durchzuschlagen.
Halb Dämon, halb Engel
Als dann eines Tages die hübsche Kat an Dantes Wohnwagentür klopft, wandelt sich sein passives Dasein. Nach ein paar Zweifeln schließt er sich der Untergrundorganisation seines getrennt von ihm aufgewachsenen Zwillingsbruders Virgil an und macht Jagd auf Mundus, den König der Unterwelt. Dieser gibt sich in der Realität als Banker Kyle Ryder aus, der den Nachrichtensender Raptor News Network für seine Propagandazwecke nutzt. Nach außen hin gilt Ryder/Mundus als großzügiger Menschenfreund, während er eigentlich die Unterdrückung der Menschheit vorbereitet. U. a. verbreitet er den infizierten Energy-Drink Virility (Potenz), der seine Konsumenten willenlos macht. Dantes wie Virgils Rolle darin ist die der Auserwählten, denn beide sind Vertreter der Nephilim, Mischwesen aus der verbotenen Liaison zwischen Dämon und Engel.
Westliches Remake japanischer Popkultur
Die verrückten Ideen des Plots könnten auch einem Manga stammen. In den Händen der englischen Entwickler entsteht jedoch etwas Neues. Ninja Theory schafft es, aus dem übertriebenen, schrägen Stil östlicher Game-, Film- und Comic-Kunst und westlichen Ansprüchen an eine realistischere Inszenierung eine Balance herzustellen. Diese Kulturmischung funktioniert für beide Seiten sehr gut und drückt sich vornehmlich im Optischen von DmC - Devil May Cry aus - respektive im abgedrehten wenn auch klar strukturierten Level-Design der Alptraum-, Märchen- und Drogenrausch-Architektur.
Zwischen Surrealismus und digitaler Ästhetik
Im Limbus, der Vorhölle, in der die verbannten Seelen hausen, spielt sich die meiste Handlung ab. Zwischen ihm und der Realität wandert Dante, um Aufgaben im Feldzug gegen Mundus zu erfüllen. Mit Kats magischer Hilfe wechselt er zwischen den Welten und betritt detailliert gestaltete Szenarien, die von Kunststilen wie Surrealismus, Gotik und Street Art sowie Punk-Kultur, digitaler Ästhetik und Mythologien inspiriert sind. Den Spieler erwartet vor fast jedem der 20 verschiedenen Level-Abschnitte ein neues verrücktes Umgebungs-Design. In knalligen Kulissen häckselt sich Dante durch Monsterhorden - u. a. auf einer in blutroten Gewitterwolken kochenden Kirmes, in einem Neonuniversum aus Nachtclub-Deko und Discolichtsäulen, unter einer auf dem Kopf stehenden Großstadt oder im Inneren einer Fernsehsendergrafik.
Mit Engels- und Dämonenwaffen
Weniger Neues gibt es zum Kampfsystem des fünften Devil May Cry-Spiels zu berichten. Da dies für Fans nun wirklich der Heilige Gral der Spielserie ist (und Ninja Theory schon wegen Dantes Re-Design Morddrohungen in Form von selbstgezeichneten Comics und Death Metal-Songs erhalten hat), verfeinerten die Entwickler lediglich die Kräfte, die der Held progressiv über die gesamte Spieldauer findet, freischaltet oder oder hochlevelt. Der Spieler investiert die gesammelte Orb-Energie (Erfahrungspunkte, die die Feinde umso mehr hinterlassen, je stilvoller Dante sie zerhackstückelt) entweder in Moves oder in Kampfgerät wie sein Schwert Rebellion, seine Pistolen Ebony & Ivory oder seine Engels- und Dämonenwaffen Osiris bzw. Arbiter. Die zwei letzteren sind die stärksten, haben im Getümmel unterschiedlicher Feinde aber nicht bei allen die gleiche Wirkung. Dafür besitzen sie mehrere Funktionen. Z.B. sind beide mit Ketten ausgestattet, mit denen Dante sich an Gegner oder Gegner an sich heranziehen kann. Auch höhere Plattformen erreicht er mithilfe der Ketten - eine Fähigkeit, die Ninja Theory zur Auflockerung der Action für ein paar knifflige Jump 'N' Run-Passagen nutzt.
Im Kampf gegen jähzornige Bosse
Die Action an abwechslungsreichen Locations macht den Reiz von DmC - Devil May Cry aus und mit aihr die Jagd nach besseren Wertungen für stilvoll aneinandergereihte Combos. Rechts im Bild blitzen Punkte auf und nach bestandener Prügelei erscheint die jeweilige Wertung von A bis SSS. Auch Bosse warten auf Dante - insgesamt sechs Stück. Während die Inszenierung der Kämpfe gegen widerlich fluchende Monster filmreif ist, hapert es hier dennoch ein wenig an spielerischen Einfällen. Es ist zwar spannend und erfrischend anders, dem riesigen Kopf von Raptor-Nachrichtensprecher Bob Barbas - Ähnlichkeiten zu Bill O’Reilly von Fox News sind natürlich rein zufällig - eins überzuziehen, seine Angriffsmuster sind jedoch leicht durchschaut und die Kämpfe zu schnell erledigt.
Weitere kleine Negativpunkte wie eine im Gemetzel nicht immer perfekt platzierte Kamera können vor allem für Wertungsfetischisten zum Ärgernis werden. Die Strafe für Dantes Tod hält sich mit einem Energieabzug und der Wiederholung der Kampfsequenz dennoch in Grenzen. Selbst Checkpoints sind im Vergleich zu den Vorgängern an etlichen Stellen des Levels gesetzt und können auch nach einem Neustart des Spiels geladen werden - ohne das gesamte Level vom Anfang spielen zu müssen, wie bei den Vorgängern.
Unsachliches Fanboy-Bashing
Trotz nahezu einstimmiger Top-Noten der Fachpresse im oberen Bereich (Metascore: 86/100 - zwei Tage nach Veröffentlichung) polarisiert DmC - Devil May Cry die Anhängerschaft. Ein großer Teil sogenannter Fanboys der kultisch verehrten ersten Teile gaben dem je nach eingestellten Schwierigkeitsgrad sehr leichten bis ultraschweren Spiel (im letzten der sieben möglichen Modi stirbt Dante von nur einem einzigen Treffer) bei der User-Wertung gar null von zehn Punkten - viele mit der Begründung das Spiel sei zu einfach.
Fazit: DmC - Devil May Cry stellt seinen fünf Jahre alten Vorgänger Devil May Cry 4 in den Schatten. Das Hack‘n Slay-Genre hat zuletzt zwar mit Bayonetta und Castlevania: Lords of Shadow zwei ähnlich gute Spiele hervorgebracht, doch seitdem sind nun schon drei bzw. zweieinhalb Jahre vergangen. Bis auf seine paar verzeihlichen Fehler ist DmC - Devil May Cry entgegen des Fanboy-Aufstands das erste Topspiel des Jahres 2013.
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