Direkte Demokratie und Rauchverbot

Bayerisches Volksbegehren zum Nichtraucherschutz

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Bayern hatte das strengste Nichtraucherschutzgesetz Deutschlands, bis die Herren Beckstein und Huber den langjährigen Ministerpräsidenten absägten und die darauf folgende Wahl mit Pauken und Trompeten verloren. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, war die Ursache für die Wahlniederlage nicht der Grabenkampf in der CSU, sondern das Rauchverbot.

Dieses, zuvor schon kräftig ausgehöhlt durch aus dem Boden schießende Raucherclubs, wurde dann bald danach auch offiziell eingeschränkt. Dabei hatte man sich bereits vorher keinerlei Mühe gegeben, den Nichtraucherschutz in die Tat umzusetzen. Ein bekanntes Fischlokal hatte ganz offiziell im einzigen Gastraum einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich, ohne dass dies während der Gültigkeit je beanstandet worden wäre. Ein Cocktail-Restaurant in der Innenstand teilte an Speisetischen die Mitgliedsausweise für die sofortige Aufnahme in den Raucherclub aus, ohne dass diese Regelwidrigkeit anscheinend je beanstandet worden wäre.

Dabei geht es bei Nichtraucherschutz in erster Linie nicht darum, dass sich ein paar Quälgeister darüber aufregen, dass sie ihr komplettes Outfit nach einem Restaurantbesuch zur Reinigung geben müssen oder dass Essen einfach schlechter schmeckt, wenn einem der Nachbartisch Rauch herüberbläst. (Übrigens sind auch dies allesamt gute Gründe.)

Es geht darum, dass die Gesundheitsbelastung durch Passivrauchen derart gravierend ist, "dass Mitarbeiter und Gäste Schutzmasken mit Luftfilter tragen müssten", so Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum nach einer Studie in 100 Restaurants, Bars, Diskotheken und Zügen.

Es geht darum, dass von allen Berufsgruppen Kellner das größte Risiko aufweisen, an Krebs zu erkranken, wie das Nordische Projekt zur Erforschung von berufsbedingten Krebs (NOCCA) in einer umfassenden Studie feststellte.

Dieser Tage veröffentlichte die University of California in Riverside eine Studie, die es sehr wahrscheinlich macht, dass Passivrauchen eine wichtige Rolle für die Fettleber spielt, auch bei Nichtalkoholikern.

Gleichzeitig ist es natürlich eine Illusion (oder vielmehr: eine leicht zu entlarvende Schutzbehauptung), dass die Leute von selbst zur Vernunft kommen würden: Dieser Tage meldet der Verband der deutschen Rauchtabakindustrie, dass die Trendwende erfolgt sei und nach Jahren rückläufigen Zigarettenverbrauchs wieder mehr Glimmstängel konsumiert werden.

Noch Skandalöser ist der Hinweis, für Kellner und andere Gastronomiemitarbeiter könne der Schutz am Arbeitsplatz ignoriert werden, denn schließlich zwinge sie keiner, in der Gastronomie zu arbeiten; mit exakt derselben Argumentation lassen sich sämtliche (wirklich sämtliche) Arbeitnehmerrechte abschaffen. Besonders zynisch ist dieses Argument auch deswegen, weil gerade in der Gastronomie viele Gelegenheits- und Aushilfskräfte tätig sind, die kaum eine andere Verdienstmöglichkeit finden können.

Umso erfreulicher ist, dass die Bayerische Verfassung (und das Engagement von Parteien, Verbänden und einzelnen Bürgern) es der bayerischen Bevölkerung erlaubt, selbst eine Entscheidung über den Nichtraucherschutz zu stellen. Das Volksbegehren Nichtraucherschutz hat bereits die erste Hürde genommen: Die bayerische ÖDP konnte statt der geforderten 25.000 Unterschriften mehr als 40.000 Unterschriften sammeln, um das Volksbegehren anzustoßen.

Nun müssen sich vom 19.11. bis zum 2.12.2009 mindestens 10% der bayerischen Wahlberechtigten in ihren jeweiligen Rathäusern in die Unterschriftenlisten eintragen (das sind derzeit gut 900.000 Unterschriften). Gelingt dies binnen der zweiwöchigen Frist nicht, ist das Begehren gescheitert. Ansonsten geht der Gesetzesentwurf an den Landtag.

Akzeptiert der Landtag das Volksbegehren als Gesetz, ist das Verfahren beendet (erfahrungsgemäß geschieht dies nie). Ansonsten wird das Gesetz in einem Volksentscheid der Bevölkerung vorgelegt. Der Landtag darf zusätzlich einen eigenen anderen Vorschlag hinzufügen (dies geschieht erfahrungsgemäß immer).

Das Volksbegehren ist ein wichtiges Korrektiv in Bayern. Die (jedenfalls bis Beckstein/Huber) stabilen CSU-Mehrheiten waren auch deswegen möglich, weil die Bevölkerung im Volksbegehren die Möglichkeit hatte, wichtige Details auch gegen den Willen der Staatspartei zu ändern. Volksbegehren werden oft von der außerhalb von Kommunalparlamenten unbedeutenden ÖDP angestoßen, die damit trotz ihrer stabilen 2% bei Landtagswahlen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der bayerischen Politiklandschaft spielt.

Nicht jedes Bürgerbegehren ist erfolgreich; 1991 scheiterte "Das bessere Müllkonzept". Dagegen siegte "Mehr Demokratie in Bayern" 1995 über den CSU-Gegenentwurf, und durch den Bürgerentscheid waren künftig Volksabstimmungen auch auf kommunaler Ebene möglich. Einen dramatischen Sieg fuhr "Schlanker Staat ohne Senat" 1998 ein, wo 69% der Bürger gegen den Widerstand der Regierung dafür stimmten, den sinnlosen und kostspieligen Honoratiorenclub "Senat" aufzulösen.

Man merkt also, dass die eigentlich konservative Wählerschaft Bayerns sehr wohl in Einzelfragen ganz anderer Meinung sein kann als ihre gewählte Parlamentsmehrheit. Die Entscheidung beim Nichtraucherschutz kann mit Spannung erwartet werden. Gleichzeitig zeigt der große Erfolg des bayerischen Volksgesetzungsmodells, dass es endlich an der Zeit wäre, Volksabstimmungen auch im Bund zu verankern.