Doch ein schnelleres Ende der Kohlekraftwerke?

Bild: S. Hermann und F. Richter/Pixabay

Auswirkungen der Strategie der Internationale Energieagentur: Finanzierungsvorbehalte von Banken und schwer bezahlbare Ersatzteile

Der weltweite Erfolg der Erneuerbaren macht den Kohlekraftwerken das Leben nicht gerade einfacher. Eine weitere Herausforderung besteht in den steigenden CO2-Steuern und der Forderung nach CO2-Abscheidung aus der Luft. Zudem wandelt sich die Struktur der Stromversorgung von zentralen Großkraftwerken hin zu dezentralen Stromerzeugern, die ihren Standort näher an den Verbrauchern haben.

Die seit hundert Jahren etablierte klassische Stromversorgung strebte nach immer größeren zentralen Kraftwerksanlagen, die zudem möglichst nahe an den Energiequellen wie Braunkohlegruben und Steinkohlezechen angesiedelt wurden. Solange der deutsche Steinkohlebergbau massiv über Subventionen am Leben erhalten wurde, war dieses Modell wirtschaftlich darstellbar.

Mit dem Ende der Zechen stieg der Bedarf an Importkohle und die schwankenden Wasserstände in den Hauptschifffahrtsrouten sorgten für steigende Transportkosten. Schwankende Kosten waren im Geschäftsmodell der Zentralkraftwerke jedoch nicht vorgesehen.

Mit den zunehmenden Hemmnissen bei den fossilen Großkraftwerken im Heimatmarkt setzte man die Hoffnungen auf den Weltmarkt, wofür man jedoch auf die Unterstützung der Finanzwelt und den Zuspruch von internationalen Einrichtungen wie der Internationalen Energieagentur (IEA) und internationaler Bankkonsortien angewiesen war.

IEA rechnet Klimaneutralität bis 2050 durch

In ihrer "Roadmap for the Global Energy Sector" stellt die Internationale Energieagentur vor, wie die Klimaziele auch im Energiesektor bis 2050 erreicht werden sollen. Auf über 200 Seiten wird ausgeführt, wie das ambitionierte Ziel in der Realität erreichbar sein soll.

Man will den Übergang zu einem "Zero Energy System" bis 2050 realisieren und dabei einen stabile und bezahlbare Energieversorgung sicherstellen und somit ein robustes Wirtschaftswachstum ermöglichen. Künftig sollen Wind und Solar anstelle fossiler Energieträger dominieren. Als unsicher schätzt man hingegen die Rolle von Bioenergie, die CO2-Abscheidung und mögliche Verhaltensänderungen bei der Bevölkerung ein. Die geforderte Begrenzung des Temperaturanstiegs um 1,5 Grad würde scheitern, wenn es nicht gelingt, den Netto-CO2-Ausstoß bis 2050 auf null abzusenken.

Fatih Birol, der IEA Executive Director, sieht die größte Herausforderung, "mit welcher die Menschheit je konfrontiert" war, gekoppelt mit einem geradezu historischen Investitions-Wachstum im Bereich sauberer Energie, verbunden mit Millionen neuer Jobs.

Basierend auf den Modellierungswerkzeugen der IEA zeigt die aktuelle Roadmap über 400 "Meilensteine" auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050. Ein wichtiges Signal: Teil der Roadmap ist die Vermeidung neuer Investments in die Erschließung neuer fossiler Quellen ab sofort. Ab 2035 sollen im Verkehrssektor keine Verbrenner mehr verkauft werden.

Zudem soll die Elektrizitätsversorgung schon im Jahr 2040 "Net-Zero-Emissions" erreicht haben. Der Plan sieht eine Steigerung der PV-Kapazitäten (Photovoltaik) auf 630 Gigawatt bis 2030 vor und eine Steigerung der Windkraftkapazitäten auf 390 Gigawatt im gleichen Zeitraum. Um das Ziel bei PV zu erreichen, müsste man pro Tag einen Solar-Park installieren, der das Ausmaß eines der größten aktuell existierenden Parks hätte.

Bis im Jahr 2050 wird sich die Welt der Energie vollständig verändert haben. Trotz eines erwarteten Bevölkerungswachstums von zwei Milliarden rechnet man mit einem um 8 Prozent geringeren Energiebedarf und mit einem Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung in Höhe von 90 Prozent, wovon 70 Prozentpunkte auf Wind und Solar entfallen sollen.

Die heute genutzten fossilen Energieträger sollen dann in der Hauptsache nicht mehr energetisch genutzt werden, sondern als Rohstoffe in der Warenproduktion. Für die dann immer noch nicht vermeidbaren fossilen Energieträger sollen entsprechende CO2-Abscheidesysteme entwickelt werden.

Jetzt sei es an der Zeit, die Roadmap der IEA in die jeweils nationale Planung umzusetzen. Die Industriestaaten haben dabei einerseits technische Vorteile, müssen jedoch deutlich mehr fossile Energieträger substituieren als Länder mit einem geringeren CO2-Fußabdruck.

Finanzierungsvorbehalte bei der Asian Development Bank

Die Neuausrichtung der IEA-Strategie führt schon jetzt zu deutlichen Änderungen bei der Finanzierung von Projekten, welche die Nutzung oder die Erschließung von fossilen Energieträgern betreffen. Kurz zusammengefasst stellte die Asian Development Bank (ADB) Anfang Mai 2021 dar, dass man weder Kohleabbau noch die Erschließung von Öl- oder Erdgasvorkommen sowie deren Ausbeutung finanzieren werde und auch keinen darauf basierenden Ausbau von Kraft- oder Heizwerken finanzieren wolle.

So ganz von den fossilen Energieträgern will man sich allerdings noch nicht lossagen und auch künftig Gaspipelines und Gaskraftwerke finanzieren.

Konsequenter scheint man bei der Europäischen Investitionsbank vorzugehen, wo man schon im Jahre 2019 entschieden hatte, die Förderung von Projekten mit fossilen Energieträgern auslaufen zu lassen und ab Ende 2021 keine fossilen Energieprojekte ohne CO2-Minderung mehr zu fördern. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat inzwischen wohl die Finanzierung von fossilen Energieträgern eingestellt, was noch vor wenigen Jahren für Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung sorgte.

Folgen der sinkenden Installationen fossiler Kraftwerke

Wenn keine fossilen Kraftwerke mehr realisiert werden, müssen auch die einschlägigen Hersteller ihre Kapazitäten zurückfahren. Das trifft nicht nur die Kraftwerkshersteller und ihre Komponentenproduktion, sondern auch die in diesem Bereich etablierten Zulieferer, deren Geschäftsgrundlage zusehends wegbricht.

Sie stehen nun vor der Situation, ihre deutsche Fertigung einstellen zu müssen und hoffen darauf, mit viel Glück ihre bestehenden Fertigungsanlagen in Länder verkaufen zu können, die aufgrund deutlich niederer Lohnkosten die entstehende Lücke noch füllen können.

Auf Sicht müssen die Kraftwerksbetreiber jedoch damit rechnen, dass sich das Angebot an passenden bezahlbaren Ersatzteilen deutlich reduziert und Erhaltungsinvestitionen in zunehmendem Umfang unwirtschaftlich macht.