Dolly - ein Nachruf
Das berühmteste Tier der Welt ist tot
Dolly war nicht nur das erste vaterlos Schaf, sondern auch ein Symbol der gesamten Biomedizin, das auf Bio-Enthusiasten, Angstapostel und Medienkritiker gleichermaßen anziehend wirkte. Jetzt ist Dolly tot. Jeder weiß, was gemeint ist. Die Klonierung Dollys wurde zum bekanntesten Kapitel im Buch der Wissenschaften seit Jahrzehnten. Dolly ließ niemanden kalt: Sie wurde geliebt oder gehasst, bemitleidet, gefürchtet oder geachtet (Dolly und die Folgen).
Die Obduktion steht noch aus, doch Dolly musste wahrscheinlich im für Schafe viel zu jungen Alter von sechs Jahren wegen einer Lungenentzündung eingeschläfert werden, möglicherweise als Folge eines defekten Immunsystems. Dolly litt bereits seit einem Jahr an einer rheumatoiden Arthritis, einer entzündlichen Gelenkerkrankung, die ebenfalls mit einem defekten Immunsystem im Zusammenhang stehen kann. Es spricht vieles dafür, dass letztlich die Tatsache, dass Dolly ein Klon war, nicht nur ihre Geburt am 5. Juli 1996 einzigartig machte, sondern auch ihr Leben limitierte.
Dolly war ein Star, eine Popikone der Biologie. Und obwohl es die Weltpresse war, die sie dazu gemacht hat, waren es doch Wissenschaftler, die sie auf den Thron gehoben haben, auch wenn sie daran später nicht immer so gerne erinnert wurden. Es waren Wissenschaftler, nämlich die namenlosen Reviewer der Forschungszeitschrift Nature, die Dolly für so wichtig erachteten, dass sie auf das normalerweise übliche Kontrollexperiment verzichteten und damit einer hoch medienwirksamen Unsicherheitsgemeinde Vorschub leisteten, die ein Jahr lang daran zweifelte, dass Dolly tatsächlich ein Klon sei. Und es war nicht in der Presse, sondern in Dollys Heimat, wo eine neue Zeitrechnung eingeführt wurde, die das Schaf zum Messias machte: Die im Englischen allgemein übliche, aus dem Lateinischen entlehnte Abkürzung AD für "nach Christus" wurde am schottischen Roslin Institute zu after Dolly.
Es ist sicher kein Fehler, an diese Anekdoten noch einmal zu erinnern, bevor Dolly endgültig zum Mythos wird, ausgestopft im National Museum in Edinburgh, wo sie nach der Obduktion ihre letzte und wahrlich verdiente Ruhestätte finden wird.
Dolly jedenfalls hat ihre mediale Rolle bravourös gespielt und ist auf der Bühne einen angemessen tragischen Tod gestorben. Die Wirkung ihres Auftritts war wahrlich interdisziplinär. Sie hat die Welt elektrisiert und sie für Biologie interessiert. Sie hat ein (wissenschaftliches, nicht mediales) Dogma gesprengt. Sie hat Debatten ausgelöst und nebenbei eine Familie gegründet. Sie ruhe in Frieden.