Don't do it, Arnie!
Schwarzeneggers Haltung zur Todesstrafe sorgt für Irritationen in Österreich; in seiner Heimatstadt Graz war sogar schon von Strafmaßnahmen die Rede
Arnold Schwarzeneggers Politkarriere wurde im fernen Österreich lange mit patriotischem Stolz beobachtet. Doch das Befremden über die kalifornische Todesstrafenpolitik und seine Selbststilisierung zum Opfer des "Sozialismus", das erst in den Vereinigten Staaten die ersehnte Freiheit gefunden habe, macht seiner österreichischen Fangemeinde die patriotische Vereinnahmung nicht leicht. In seiner Heimatstadt Graz, wo man dem Todesstrafenverfechter schon im Februar ein Ultimatum gestellt hat, wird schon seit Monaten sogar die Umbenennung des "Arnold-Schwarzenegger-Stadions" diskutiert.
Noch vor einem Jahr fiel man sich in ganz Österreich - und vor allem in der Steiermark - parteiübergreifend um den Hals. Arnold Schwarzeneggers Wahlsieg in Kalifornien löste in seiner einstigen Heimat euphorisches Schulterklopfen, Wahlpartys und patriotische Jubelstimmung aus. Der Aufstieg des österreichischen Muskelexports zum Gouverneur von Kalifornien beflügelte das Selbstwertgefühl der kleinen Alpenrepublik. Kaum eine Politgröße des Landes - von Bundeskanzler Schüssel bis zum mittlerweile verstorbenen Bundespräsidenten Klestil ("Arnold, wir sind stolz auf dich!") - ließ es sich entgehen, sich ein wenig im Glanz des "Terminators" zu sonnen. Auch die Freiheitlichen konstatierten selbstzufrieden die "Aufwertung Österreichs in Amerika" und zeigten sich beglückt, dass "ab heute niemand mehr Austria mit Australia verwechseln" werde.
Doch die Jubeltöne - als bizarrer Höhepunkt des steirischen Freudentaumels folgte eine Glückwunsch-CD mit Frau Landeshauptmann (sic!) Waltraud Klasnic - sind den Gratulanten bald im Halse stecken geblieben. Schwarzeneggers Ablehnung des Gnadengesuchs des zum Tode verurteilten Kevin Cooper lösten zu Jahresbeginn in Österreich Enttäuschung und Entsetzen aus, zumal ein Gericht in letzter Minute die Hinrichtung ausgesetzt und eine Überprüfung des offenbar fragwürdigen Urteils (für Schwarzenegger war die Beweislage noch "überwältigend") angeordnet hat.
Die mittlerweile zur EU-Kommissarin aufgerückte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) zeigte sich von Arnie plötzlich "persönlich enttäuscht"; und Heinz Fischer (SPÖ), ihr siegreicher Konkurrent bei der im Frühjahr folgenden Wahl des Bundespräsidenten, schickte, ebenso wie der Österreicher Peter Schieder, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, einen eindringlichen Appell nach Kalifornien.
Arnold der Barbar
Vor allem in Arnolds steirischer Heimat gingen die Wogen hoch. Landeschefin Klasnic versuchte zwar, keine Kritik am "größten Sohn der Steiermark" aufkommen zu lassen, schließlich habe er "es sich sicher nicht leicht gemacht", doch eskalierte die Causa Cooper zum steirischen Landesproblem. Rund um die Kalifornienreise einer Wirtschaftsdelegation entspann sich im Februar ein politisches Tauziehen der Landesparteien. Die SPÖ forderte zunächst die Absage, dann die Verschiebung der Reise und plädierte schließlich für die Überbringung einer Protestpetition der (konservativ dominierten) Landesregierung.
Während Landes-ÖVP und Wirtschaftskreise davon natürlich nichts wissen wollten, ging der Streit im Grazer Rathaus seinem Höhepunkt entgegen. "Don't do it, Arnie!", ließ ihm selbst ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl ausrichten. Beinahe hätte sich - nach dem Sensationsergebnis der Grazer Stadt-KP, das den Kommunisten 2003 21 Prozent eingetragen hatte - sogar eine rot-rot-grüne Mehrheit für Strafmaßnahmen gegen den unfolgsamen Gouverneur gefunden. Um Haaresbreite wäre es so tatsächlich zur Umbenennung des Grazer "Arnold-Schwarzenegger-Stadions" und zur Aberkennung des städtischen Ehrenrings, den man Schwarzenegger vor drei Jahren stolz an den Finger gesteckt hatte, gekommen.
Doch die SPÖ, zunächst mit Grünen und Kommunisten an vorderster Front der Schwarzenegger-Schelte, stellte dem kalifornischen Neo-Gouverneur stattdessen bloß ein Ultimatum: Bis Jahresende werde Schwarzenegger unter Beobachtung gestellt; sollte er bis dahin keine Schritte gegen die Todesstrafe unternehmen, werde man den Ring der "Menschenrechtsstadt" Graz zurückfordern.
Schwarzenegger strafte indes die österreichische Aufgeregtheit mit Stillschweigen. Für die steirische Wirtschaftsdelegation, die im Februar - sichtlich verschnupft - aus Sacramento zurückgekehrt ist, hatte der Gouverneur jedenfalls plötzlich keinen Termin mehr frei. In Österreich wertete man dieses Desinteresse als Zeichen einer transatlantischen Verstimmung. Doch schon im Juli war beim Staatsbegräbnis von Bundespräsident Klestil von einer Trübung der österreichisch-kalifornischen Beziehungen nichts mehr zu erkennen. Beim Trauerakt wurde dem nach Wien gereisten US-Gouverneur sogar die protokollarische Behandlung eines Staatschefs zuteil (was auch von der Los Angeles Times erstaunt vermerkt wurde).
"Österreichbeschmutzung" im Dienste Bushs
Nachdem also der Streit um die Stadionumbenennung mit der Grazer Petition für einige Monate vom Tisch schien, sorgte Schwarzeneggers Auftritt beim Parteikonvent der Republikaner in New York im September neuerlich für Aufregung.
Als der Gaststar aus Kalifornien versuchte, Bushs Wahlkampf mit einigen Bemerkungen zur österreichischen Geschichte in Schwung zu bringen, traute seine fassungslose Fangemeinde jenseits des Atlantiks ihren Ohren nicht. Da wollte sich der Auslandssteirer an den Furcht erregenden Anblick sowjetischer Panzer erinnern ("I saw communism with my own eyes") und gab zu verstehen, doch selbst vor dem "Sozialismus", der sich in Österreich breit gemacht habe, in die amerikanische Freiheit entflohen zu sein.
In Österreich nahm man dem Gouverneur solche Jugendanekdoten freilich übel - zumal er es mit den historischen Fakten nicht so genau nahm. Denn weder rollten nach 1945 Sowjetpanzer durch die Steiermark (die war nämlich britische Besatzungszone), noch konnte sich Schwarzenegger von einem sozialistischen Regime zur Emigration genötigt sehen (denn damals herrschte eine konservative Alleinregierung).
"Arnold-Menschentöter-Stadion"
Seitdem schlummerte der Fall wieder vor sich hin, bis die Grazer Grünen Mitte Oktober wieder einen Vorstoß wagten, um das fast vergessene Ultimatum abermals auf die Tagesordnung zu setzen. Allerdings ließ die SPÖ nun plötzlich anklingen, sich momentan doch lieber mit wichtigeren Dingen befassen zu wollen. Nachdem das Zustandekommen einer Strafaktion gegen den US-Gouverneur somit in weite Ferne gerückt sein dürfte, bemühte sich zuletzt eine Gruppe von Menschenrechtsaktivisten, die steirische Diskussion um die amerikanische Todesstrafenpolitik nicht abflauen zu lassen.
Unbemerkt erklommen sie in Graz-Liebenau das Dach des "Arnold-Schwarzenegger-Stadions" und entrollten über dem Eingang pressewirksam ein Transparent. Für einige Stunden prangte nun über der Sportarena, in deren Katakomben Arnie seine ersten Hanteln gestemmt haben soll und das heute ein kleines Schwarzeneggermuseum beherbergt, der Schriftzug "Arnold-Menschentöter-Stadion". Ob sich der "Governator" davon erweichen lässt, darf man bezweifeln. Doch dem Kampf gegen die Todesstrafe in den USA konnte so für einen Moment zu internationaler Aufmerksamkeit verholfen werden - und sei es nur als Kuriosameldung aus der österreichischen Provinz.