Donald Trump und ein mediales Blutbad

Foto (von 2016): Gage Skidmore / CC BY-SA 2.0 Deed

Aufregung über ein einzelnes Wort in einer Rede des Wahlkämpfers: Wie die Vierte Gewalt aus einem Fragment eine eigene Wirklichkeit schafft. Eine Medien- statt Trump-Kritik.

"Trump droht mit 'Blutbad'", auf diese Formel brachten dieser Tage zahllose Medien-, Agentur- und Korrespondentenberichte über den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Bald waren zwar auch medienkritische Stimmen dazu zu vernehmen, doch das Schlagwort "Blutbad" war gesetzt.

"Trump irritiert mit 'Blutbad'-Äußerung", titelte die Tagesschau.

"Im Fall einer Wahlniederlage: Trump prophezeit ein 'Blutbad' und das Ende der US-Demokratie", hieß die Überschrift im Tagesspiegel.

Web.de wählte ein Zitat-Fragment: "Trump: 'Wenn ich nicht gewählt werde, wird es im Ganzen ein Blutbad geben'".

"Mit einem 'Blutbad' startet Präsidentschafts-Kandidat Trump ins Rennen", betitelte Die Welt ihren Korrespondentenbericht.

Was hatte Trump bei seiner Wahlkampfrede in Ohio am Samstag (16. März) gesagt?

Das Original

Es ging um chinesische Pläne, in mexikanischen Autofabriken Fahrzeuge für den US-Markt zu produzieren. Rhetorisch an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping gerichtet sagte er dann:

[If] you think you're going to get that you're going to not hire Americans and you're going to sell the cars to us now we're going to put a 100% tariff on every single car that comes across the line. And you're not going to be able to sell those, guys, if I get elected.

Now, if I don’t get elected, it’s going to be a blood bath for the whole, that’s going to be the least of it. It’s going to be a blood bath for the country.

Wenn Sie glauben, dass Sie es schaffen werden, keine Amerikaner einzustellen und die Autos an uns zu verkaufen, dann werden wir jedes einzelne Auto, das über die Grenze kommt, mit einem Zoll von 100 Prozent belegen. Und ihr werdet sie nicht mehr verkaufen können, Leute, wenn ich gewählt werde.

Nun, wenn ich nicht gewählt werde, wird es ein Blutbad fürs Ganze geben, das ist noch das geringste Problem. Es wird ein Blutbad für das Land sein.

Donald Trump, Redeauszug

Trump sagte also, er werde gegebenenfalls mit einer Einfuhrsteuer dafür sorgen, dass China seine günstig im US-Nachbarland Mexiko produzierten Wagen nicht auf dem US-amerikanischen Markt absetzen könne. Und er betonte: "Wenn ich gewählt werde." Werde er hingegen nicht gewählt, werde es ein Blutbad geben.

Womit wohl gemeint sein dürfte: ein Wirtschafts-Chaos.

Denn, wie etwa t-online im Hinblick auf die eigene Schlagzeile selbstkritisch einräumt:

Im Englischen ist der Begriff "bloodbath" zwar martialisch, aber doppelt besetzt. Einerseits bezeichnet er eine tatsächliche Gewalttat. Andererseits aber wird er ökonomisch verwendet, um etwa ein besonders drastisches Szenario von Job-Vernichtung zu beschreiben.

Bastian Brauns, t-online

Rhetorische Falle?

Allerdings sieht Brauns das Problem nicht in erster Linie beim Journalismus, der sich mal wieder auf ein Schlagwort kapriziert und dieses reißerisch in die Überschriften packt, sondern bei Trump, der mit dem Begriff "blood bath" eine rhetorische Falle gestellt habe, "in die weite Teile der amerikanischen Medien tappten", wie etwa die New York Times.

Dass bewusstes Missverstehen zum politischen Geschäft gehört, sollte auch in und aus Deutschland bekannt sein. Schließlich wollen die politischen Gegner nur selten miteinander reden, dafür umso häufiger übereinander. Regelmäßig entstehen deshalb aus einzelnen Zitat-Fragmenten tagelang anhaltende öffentliche Debatten, die ihre eigene Wirklichkeit schaffen.

Abhilfe

Abhelfen ließe sich dem nicht mit nur etwas mehr Kontext, sondern dem vollständigen: Wenn die Rede eines amerikanischen Ex-Präsidenten und neuerlichem Präsidentschafts-Kandidaten von Journalisten für so bedeutsam gehalten wird, dass sie hier vermeldet werden muss, dann sollte sie im Wortlaut veröffentlicht werden.

Zusätzliche Erläuterungen, wie etwa zu landestypischen Sprachbildern oder auch Ereignissen, die hier nicht als bekannt vorausgesetzt werden können, wären darüber hinausgehende redaktionelle Serviceleistungen.

Erst ein einzelnes Schlagwort aufzugreifen, es zu verbreiten, Leser in den digitalen Medien zu catchen und hernach noch ein wenig Einordnung zu bringen, dürfte nicht der richtige Weg sein, ausgewogen zu informieren.

Ein paar nützliche Fragen

Nach vier Jahren Trump-Präsidentschaft kann sich jeder selbst fragen: Was weiß man eigentlich über dessen Politik? Für welche Gesetze steht er, welche hat er verhindert? Wie war die wirtschaftliche oder soziale Entwicklung der USA vor, während und nach Trump? Welche Beziehungen hat Trump aufgebaut, welche hat er abgebrochen?

Wenn so viele Menschen in Deutschland ein Mysterium darin sehen, dass es derzeit zumindest realistisch möglich erscheint, Donald Trump könne erneut Präsident der Vereinigten Staaten werden, dann hat das vermutlich weniger damit zu tun, dass dort ein merkwürdiges Volk an die Wahlurnen tritt, sondern mehr damit, dass wir so wenig über das Land, seine Menschen und deren Leben in unseren Medien erfahren.