Doppelpass: Geht es um Integration oder das Abwehren unangenehmer Fragen?
Seite 2: Worum geht es den Gegnern der türkisch-deutschen Staatsbürgerschaft?
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- Worum geht es den Gegnern der türkisch-deutschen Staatsbürgerschaft?
- Die Ablehnung des Doppelpasses ist integrationsfeindlich
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Außerdem stellt sich natürlich die Frage, warum sich so viele Unionspolitiker jetzt auf die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft einschießen? Weil es ein prima Wahlkampfthema ist, wie schon seinerzeit Roland Koch gezeigt hatte?
Der hatte 1998/99 im hessischen Landtagswahlkampf die Stimmung mit einer Unterschriftensammlung polarisiert, die sich gegen die damals bereits geplante und dann auch in abgeschwächter Form durchgesetzte Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts richtete. Auf einer nationalistischen Welle reitend konnte er in der Folge in dem einst sozialdemokratisch dominierten Bundesland einen strahlenden Wahlsieg einfahren.
Vielleicht konzentrieren sich die Unionspolitiker aber auch deshalb so sehr auf die Doppelstaatler unter den Einwanderern aus der Türkei, um nicht über ihr Verhältnis zu Erdoğan sprechen zu müssen?
Immerhin ist es das NATO-Mitglied Türkei gewesen, das die IS-Faschisten gehätschelt hat. Die konnten sich problemlos über die Türkei mit Ausrüstung, Geld neuen Kämpfern aus aller Welt versorgen. Auch mit Kämpfern aus Deutschland übrigens, wogegen auch hierzulande auffallend wenig unternommen wurde.
Ablenkungsmanöver?
Deutsche Soldaten betreiben über Nordsyrien vom türkischen Incırlık aus Aufklärung in einer Region, wo nicht nur kurdische Verbände gegen den IS kämpfen sondern auch türkische Einheiten immer wieder diese kurdischen Kräfte angreifen, im Bündnis mit Milizen übrigens, von denen zumindest ein Teil der al-Qaida nahesteht.
Außer einigen bestenfalls lauwarmen Einwänden hat es von der Bundesregierung daran bisher wenig Protest gegeben, die Waffenlieferungen an die Türkei gehen weiter, und auch die Finanztransfers im Rahmen des Flüchtlingsdeals. Dass das Geld in der Türkei keinesfalls bei den syrischen Flüchtlingen ankommt, scheint hingegen in der Union keinen weiter zu interessieren, wie sich auch der Protest gegen den von Erdoğan wieder aufgenommenen Bürgerkrieg gegen die kurdische Bevölkerung im Osten sehr in Grenzen hält.
Auch an den Massenentlassungen von Akademikern und Richtern, der Schließung zahlloser Zeitungen und der Inhaftierung von über 100 Journalisten, nehmen die Union und auch ihr sozialdemokratischer Koalitionspartner auffallend wenig Anstoß.
Soll vielleicht das Gerede über das Nicht-Problem Doppelstaatler von diesen Themen ablenken, wie auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen meint?
Das ist natürlich nur eine polemisch zugespitzte Erklärung, denn nationalistische Kampagnen haben meist mehrere Facetten und sind für ihre Initiatoren in mancherlei Hinsicht von Nutzen. Unter anderem sind die Einwanderer aus der Türkei und ihre Nachkommen meist Angehörige der Arbeiterklasse und anderer Schichten am unteren Rand der Gesellschaft.
Diese politisch unter Druck zu setzen und rechtlos zu halten, macht für eine Partei, der vor allem die Interessen der Exportwirtschaft am Herzen liegt und deren Familienpolitiker ohnehin der Meinung sind, dass die unteren Klassen nicht so viele Kinder bekommen sollten, sicherlich Sinn.