Dr. jur. Guido Westerwelles Doktorarbeit

Seite 2: Es geht ums Geld!

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Im 3. Kapitel enthüllt der Doktorand, dass Jugendorganisationen die Partei bei den Jugendlichen vertreten, die Jugendlichen bei der Partei vertreten, und dass es sich um Nachwuchsverbände handelt (8 S.). Das musste mal gesagt werden.

Ab dem 4. Kapitel (32 S.) wird es überraschend doch juristisch: Der Doktorand strukturiert die weitere Arbeit, wie es sich für einen systematisch arbeitenden Juristen gehört, rund um die Norm des Art. 21 GG ("Art." und "GG" werden im Abkürzungsverzeichnis erklärt).

Zunächst erörtert der Doktorand auf 9 1/2 Seiten den "Parteienbegriff" und diskutiert die Anwendung desselben auf die im 2. Kapitel vorgefundenen drei Jugendorganisationen (10 S.). Er kommt zu dem Ergebnis, dass dies unterschiedlich ausfalle.

Sodann erörtert der Doktorand die akademischen Frage, ob den Jugendorganisationen das Privileg der Parteienfreiheit zukäme. Auf die praxisrelevante Frage, ob diese denn auch die Narrenfreiheit beanspruchen dürfen, geht der Rheinländer nicht ein.

Der geduldige Leser wird im 5. Kapital (7 S.) schließlich mit der für verfassungsrechtlich interessierte Juristen halbwegs spannenden Frage belohnt, ob das Parteienprivileg (Art. 21 Abs. 2 GG) auch für Jugendorganisationen bzw. Nebenorganisationen gilt, ob also das Bundesverfassungsgericht für ein Verbot der Nachwuchsorganisationen der Parteien zuständig ist. Dies bejaht der Doktorand für die drei untersuchten Kaderschmieden. Da keine dieser Organisationen wohl jemals ein Verbot hat fürchten müssen, ist die Frage rein akademischer Natur.

Das 6. Kapitel (12 S.) untersucht, inwiefern das Demokratiegebot des Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG auch für die Jugendorganisationen gilt. Souverän steuert der Doktorand auf die Erkenntnis zu, dass die zu dieser Frage vertretenen Lehrmeinung sich im Ergebnis wenig nehmen, da spätestens das allgemeine Demokratiegebot aus Art. 20 GG jedem Hühnerzüchterverein via BGB demokratische Standards gebietet. Für unbedenklich hält der Doktorand die Festlegung der Mitglieder auf einen bestimmten politischen Kurs durch die Partei, auch wenn die Mitglieder nicht notwendig Parteimitglieder sind. Der Koppelung des passiven Wahlrechts in solchen Organisationen an die Parteimitgliedschaft erteilt er eine Absage, da man Parteiloyalität auch durch weniger einschneidende Maßnahmen sichern könne.

Im 7. Kapitel (18 S.) schließlich lässt der Doktorand die Maske fallen: Es geht ums Geld! Wie finanzieren sich die Jugendorganisationen der Parteien? Der Kandidat beleuchtet die kontrovers diskutierte Frage, ob die Finanzierung der Jugendorganisationen als Parteienfinanzierung zu werten ist, was er bei den drei großen Jugendorganisationen für mindestens indirekt einschlägig hält. Sodann erörtert er die neue Situation nach der damals im Promotionszeitraum aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.04.1992 zur Parteienfinanzierung. Die Einzelheiten anzureißen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, zumal die Summe der an die Jugendorganisationen insgesamt gezahlten Beträge Anfang der 90er jährlich gerade einmal eineinhalb Millionen ausmachte - Peanuts.

Im 8. Kapitel (5 S.) schließlich, betitelt als "Eine rechtspolitische Bewertung und der gesetzgeberische Handlungsbedarf", plädiert der Doktorand für eine Ausweitung des Parteienrechts auch auf Sachverhalte außerhalb der Parteiinstitutionen. Nur so könne eine die Maßstäbe des Verfassungsgerichtsurteils umgehende Parteienfinanzierung vermieden werden. Die qualifizierten Hilfsorganisationen seien zur Publizität zu verpflichten. Eine Aufnahme von Spezialregelungen im Parteiengesetz hält er nicht für sinnvoll, weil dies zu unübersichtlich würde.

Warme, salbungsvolle Worte. Wenige Jahre später wurde der einstige Doktorand mit dem FDP-Spendenskandal konfrontiert. Noch immer tut sich seine Partei mit dem Ablegen alter Gewohnheiten schwer ... Wie viel Herr Dr. Westerwelle in eigener Sache von Transparenz hält, beantwortet dieses Bundestagsvideo.

Die Arbeit ist in leicht verständlicher Sprache geschrieben und setzt beim Leser keine nennenswerten juristischen Vorkenntnisse voraus. Das für einen Politiker schmeichelhafte Talent zur Breitenwirkung hat sich der Doktorand bewahrt. Für die Erfüllung des traditionellen Traums von Jurastudenten, den des Chefdiplomaten, haben seine Fähigkeiten gereicht. Sein Vorgänger hatte nicht einmal Abitur, ziert sich inzwischen jedoch sogar mit einem Professorentitel - ohne eine für Peinlichkeiten anfällige Habilitationsschrift.

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