Draghi, buy 'em out!
Wie die EZB mit dem Rückkauf von Euro-Anleihen den Euro und die Euro-Staaten retten könnte
Rund 10 Billionen Euro schulden die EU-17-Staaten – ja, wem eigentlich? Den Banken? Den Bürgern? Tatsächlich halten italienische und französische Pensionsfonds deutsche Staatsanleihen, deutsche Fonds italienische und französische. Etwa 80% aller Euro-Staatsanleihen werden zwar nicht nur im eigenen Land, aber im Euroraum gehalten. Deutschlands Top-30-Dax-Unternehmen haben zusammen mit rund 700 Milliarden Euro eine Marktkapitalisierung von gerade einem Drittel des deutschen Anleihevolumens. Einfacher gesagt: Der Finanzmarkt ist weitgehend staatlich.
Laut Finanzagentur Deutschland beträgt das jährliche Handelsvolumen mit deutschen Staatsanleihen unvorstellbare 5 Billionen Euro. Keine Sparmaßnahme vermag es, die europäischen Staatsschulden nennenswert zu reduzieren, zumal jede Streichung neue Einnahmeausfälle im Steuersäckel bewirkt – ein Lauf im Hamsterrad.
Die Spar- und Bürgschaftsdiskussionen säen Zwietracht im friedlichen Selbstverwirklichungs- und Naturparadies Europa. Misstrauen kommt auf. Und doch könnte die EZB nun Euro und Euro-Staaten gemeinsam retten. Sie wendet sich allerdings bisher an die falschen Gläubiger: Europäische Banken und Versicherer sind nämlich in ihrer Anlageentscheidung vom Eurokurs weitaus unabhängiger als britische, asiatische, arabische und amerikanische. Letztere verkaufen nämlich, wenn der Euro sinkt. Der damit verbundene Kurs- und Zinsdruck – zur Erinnerung: auch Deutschland bezahlte bereits 11 Prozent Zinsen – gefährdet die langfristig auf Euro-Anleihen bauenden Finanzprodukte und Sicherheitskonstruktionen. Obwohl nur ein kleiner Teil der Euro-Anleihen von Außer-Euro-Gläubigern gehalten wird, bedeuten deren Launen und Krisen ein unabschätzbares Zinsrisiko für die Steuerzahler, ein unkalkulierbares Kursrisiko für unsere Alterssicherungs-Fonds, ein nicht zu unterschätzendes Währungsrisiko im Verkaufsfall.
Was also tun? Jeden Tag muss allein Deutschland im Schnitt etwa eine Milliarde Euro neu aufnehmen. Es reicht, wenn die EZB die Anleihen aufkauft, die bei europäischen Käufern nicht abgesetzt werden können. Sind diese selbst klamm, kauft ihnen die EZB die Anleihen ab. So macht es Japan. So machen es die USA.
Aber halt: Wer haftet? An den Paritäten der EZB wird sich nichts ändern lassen. Auch ein Fiskalpakt ist unrealistisch, da selbst bei identischen Gesetzen die Handhabung in jedem Land unterschiedlich ist. So ist – Paul Kirchhof wusste es – die Bundesrepublik Deutschland eines der ganz wenigen Länder, in denen man völlig steuer- und abgabenfrei ist, wenn man so reich ist, dass man kein Einkommen benötigt. Der Steuersatz ist dann völlig egal.
Das Gesamtrisiko der EZB-Aufkäufe bei Außer-Euro-Gläubigern beträgt etwa zwei Billionen Euro. Natürlich wäre es schön, wenn es in allen 17 EU-Staaten eine Schuldenbremse gäbe. Aber der worst case der EZB wäre ein innereuropäischer Lastenausgleich von derzeit etwa 25 Prozent der Grund- und Geldvermögen. Damit wären dann die ganzen 10 Billionen Euro erledigt. Aber ist gibt auch mindestens drei gute Gründe gegen eine europäische Vergesellschaftung der Euroanleihen:
- Die Tilgung, so die Mehrheitsmeinung unter Volk, Politikern und Ökonomen, gibt den falschen Anreiz, neue Schulden aufzunehmen.
- Als Bedingung für den Anleihekauf oder gar die Tilgung sollten deshalb Reformen, Einsparungen und Solidaritätsopfer eingefordert werden.
- Mit der "mündelsicheren" Staatsanleihe entfällt ein sicheres Kapitalmarktprodukt, das zur Ergänzung der umlagefinanzierten Altersvorsorge dringend benötigt wird.
Während das erste Argument schwer widerlegbar ist, da der Vertrauensvorschub, den eine solche Maßnahme erfordert, sich als unberechtigt erweisen könnte, sind die Argumente zwei und drei leichter widerlegbar. Bedingungen – siehe das Maastricht-Kriterium – haben bisher noch nie funktioniert. Warum also ausgerechnet für den anonymen und pauschalen Aufkauf von Euro-Anleihen? Und wenn die Staatsanleihe als Renditeobjekt ausfällt, wäre der Weg frei für echtes Venture-Capital, also für die Beteiligung an neuen, nicht nur innovativen Unternehmen.
Europa ist ein idealer Platz für traditionelle Geschäftsmodelle in Handwerk, Landwirtschaft, Wohnen und Gastronomie, die die wechselnden demographischen und wirtschaftspolitischen Anforderungen erfüllen. Zum Beispiel werden wir zunehmend wieder europäische Produkte produzieren müssen, wenn China keine Lust mehr hat, als Billiglieferant die Wertschöpfung ganz an Transport und Marketing abzugeben. Wir brauchen dann auf einmal nicht nur Schuhe und Hosen, sondern auch Bildschirme und PCs.
Der Erhalt des friedlichen und längst miteinander verwobenen Euroraumes könnte ärgere Opfer als den Aufkauf von Anleihen erfordern. Der Ausbau der regenerativen Energien und die sinkende Bevölkerungszahl werden zu dauerhaft niedriger Inflation führen. Viele Senioren in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien werden lernen müssen, dass es statt 3.000 auch 1.200 Euro monatliches Ruhegeld sein können. Also: Draghi, buy 'em out! Meinen Segen hast du.