Drei Gründe, Roland Koch dankbar zu sein

Teil 1: Alles für die Quote

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Roland Kochs Verhalten hinsichtlich der weiteren Anstellung des ZDF-Chefredakteurs gibt viel Anlass zur Kritik. Doch wir sollten ihm dankbar sein – hat er doch drei wichtigen Themen Aufmerksamkeit verschafft.

Schleichwerbung und Einseitigkeit

Seit langem wird, wenn es um die Gebühreneinzugszentrale, ihre Legitimation und die Verwendung ihrer Gelder geht, (logischerweise) auch die Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Sender (ÖR) seziert und kritisiert. Die ÖR, so heißt es, kämen ihrem Informationsauftrag nicht hinreichend nach, hätten sich vielmehr zu stark an den Privaten orientiert und böten eine Vielzahl von bloßen Kopien der erfolgreichen Serien etc., welche auf den Privaten zu sehen sind. Bereits nach Marcel Reich-Ranickis Medienschelte gab es diese Diskussion um die Qualität der ÖR, davor waren unter anderem die vermeintlich kritischen Sendungen wie "Panorama" und "Report" in die Kritik geraten. Diese boten nur allzu oft eine Bühne für Selbstdarsteller und ließen die journalistische Sorgfalt bei Themen wie Computerspiele oder Vorratsdatenspeicherung vermissen. Vielmehr bekannten sich bei "Report München" die Verantwortlichen offen dazu, hier keineswegs neutrale Berichterstattung zu ermöglichen, sondern den "Opfern eine Stimme geben zu wollen".

Bürgerrechte sollten nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat, sondern auch gegen Kriminelle einschließen, so sehen das Opfervereinigungen, denen wir in unserem Beitrag durch das Aufzeigen einiger Einzelfälle eine Stimme geben wollten.

Aus der Antwort des BR auf die Kritik an der Berichterstattung.

Dazu kamen fragwürde Deals mit Unternehmen, die ihre Schleichwerbung in den diversen Fernsehserien unterbrachten und dafür nicht wenig Geld zahlten - in diesem Fall an die Bavaria, welche als Tochterfirma der ARD fungiert und zu 100% von MDR, SWR und WDR getragen wird.

Kein Wunder also, dass, nicht zuletzt auch durch die größere Attraktivität von Streams, DVDs etc., die ÖR an Bedeutung für die Zuschauer verlieren. Informationen können, ebenso wie Musik und Filme, über das Internet schneller erhalten werden, auch überwiegt dort die Vielfalt gegenüber den, wie oben erläutert, oft einseitigen Berichterstattungen, die vorgeben, ausgewogene Informationen transportieren zu wollen.

Die Quote als Maß aller Dinge

Wenn Roland Koch nunmehr die Quote als Begründung für die Entlassung eines Chefredakteurs anführt, so lässt er hier nicht nur Aspekte wie die zeitgleiche Übertragung von Sendungen auf mehreren ÖR-Kanälen außer Acht, er widerspricht auch schlichtweg dem Informationsauftrag. Anders als die Privaten soll es eben nicht Aufgabe des ÖR sein, einer Quote hinterher zu hecheln, vielmehr sind die Aufgaben, die hinter dem Programm stehen, im ZDF-Staatsvertrag geregelt.

§ 5 Gestaltung der Sendungen

(1) In den Sendungen des ZDF soll den Fernsehteilnehmern in Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. Die Sendungen sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern.

(2) Das Geschehen in den einzelnen Ländern und die kulturelle Vielfalt Deutschlands sind angemessen im Programm darzustellen.

[...]

§ 6 Berichterstattung

(1) Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein. Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Berichte sind sorgfältig zu prüfen.

Die Aufgabe des ZDF, sowie seines verantwortlichen Chefredakteurs, kann also nicht darin liegen, auf Gedeih und Verderb gute Quoten zu erzielen. Dass dies mit sensationsheischender Berichterstattung und dem, was man gemeinhin "Tittytainment" nennt, leichter ist, ist kein Geheimnis – Sex und Crime verkaufen sich oft besser als eine ausgewogene Information, die zum Nachdenken anregt. Doch nicht zuletzt lautet die Begründung dafür, dass die GEZ Gebühren eintreibt: die ÖR sind als Gegenpol zu den Privaten wichtig, da sie einem Informationsauftrag gerecht werden.

Einfach ausgedrückt: Die ÖR sollen, anders als die Privaten, eben nicht auf die Quote schielen, sondern ihren Aufgaben gerecht werden, auf dass der Bevölkerung neben der von Schleichwerbung, Einseitigkeit und Vorurteilen durchseuchten Berichterstattung auch eine neutrale Berichterstattung zur Verfügung steht. Dass die ÖR diesem hehren Ziel immer seltener gerecht werden, steht außer Frage. Dass Roland Koch nun aber direkt die Qualität des Programms beim ZDF nicht mehr an Hand der Qualität der Sendungen und ihrer Vereinbarkeit mit dem Staatsvertrag prüft, sondern die Quote als maßgebliches Kriterium sieht, zeigt, dass an der Erfüllung des Staatsvertrages zumindest seitens Herrn Koch kein Interesse besteht. Womit er letzten Endes allen GEZ-Gegnern neues Futter gibt. Denn warum sollte es noch Gebühren geben, wenn doch das Programm der ÖR, genauso wie das der Privaten, nur an der Quote ausgerichtet werden soll? Dann könnte man die ÖR, genauso wie die Privaten, über Werbung finanzieren lassen und sich die Institution GEZ (er)sparen. Genau wie die Staatsverträge – die Quote wird es schon richten.