Drogenbekämpfung oder biologischer Krieg?

Die USA versuchen in Kolumbien und in Asien, den Anbau von Coca- oder Mohnpflanzen großflächig biologisch mit speziellen Pilzen zu bekämpfen

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In Zusammenarbeit mit dem United Nations Drug Control Program (UNDCP) oder, wie manche meinen, unter dem Deckmantel dieser internationalen Organisation wird von Großbritannien und der USA die Züchtung einer biologischen Waffe -Mycoherbizide - gegen Mohnpflanzen zur Gewinnung von Rauschgift in Usbekistan. Mögliches Einsatzgebiet: Afghanistan. Die Pläne, das Labor und die Kulturen stammen pikanterweise bereits aus dem Kalten Krieg, der Einsatz wäre ein erster Schritt zur Wiedereinführung der verpönten biologischen Waffen.

Schon lange denkt man in den USA auch nach, wie man mit der Hilfe von biologischen Mitteln das Drogenproblem in Südamerika lösen könnte. Der Plan Columbia (Pilz gegen Drogen) der amerikanischen Regierung, ein 1,3 Milliarden Mark schweres Hilfspaket, das vor allem Militär- und Polizeihilfe zur Bekämpfung des Terrorismus und des Drogenhandels enthält, verpflichtet Kolumbien, die "gesamte Coca- und Mohnproduktion" bis zum Jahr 2005 zu unterbinden. Geschehen soll dies unter anderem durch das Zerstören der Felder, das Versprühen von Herbiziden aus der Luft und durch "getestete, für die Umwelt sichere" Mycoherbizide, auch "Agent Green" genannt. Kolumbien soll sich, um die Hilfsgelder zu erhalten, einverstanden erklären, diese Pilze im Freiland zu testen, um sie dann später großflächig einzusetzen.

Während die kolumbianische Regierung noch unschlüssig zu sein scheint, ob sie die Bedingung akzeptiert, sind die angrenzenden südamerikanischen Staaten nicht nur besorgt, dass durch die Aufrüstung des Militärs die Kämpfe auf ihr Territorium übergreifen könnten, sondern haben sich auch schon entschieden Position gegen ein solches Ansinnen zur Wehr gesetzt. Brasilien, Ecuador, Venezuela, Peru und Bolivien lehnen den Einsatz von Mycoherbiziden ab, Ecuador und Peru haben bereits das Testen und die Verbreitung von Fusarium oxysporum verboten, der Pilzvariante, der von dem Pflanzenpathologen David Sands, Professor an der Montana State University und mittlerweile Gründer der Ag/Bio Con (Agricultural Biological Control), für Kolumbien gegen die Coca-Pflanzungen entwickelt wurde. Im Oktober findet in Quito ein Kongress statt, der sich mit dem Kampf gegen Drogen und den Einsatz biologischer Waffen beschäftigt.

Das hochumstrittene Vorhaben, den Drogenanbau "biologisch zu kontrollieren", wurde im August von Präsident Clinton zumindest etwas zurück genommen. Die USA, so betonte er in einem Memorandum zum "Plan Columbia", würden den Einsatz von Mycoherbiziden nur dann billigen, wenn ein "strenges, sorgfältig kontrolliertes Forschungs- und Testprogramm in Kolumbien belegt, dass Mycoherbizide sicher, wirksam und herkömmlichen chemischen Vernichtungsmitteln überlegen" seien. Zudem müsse ein solcher Einsatz im Rahmen der Nationalen Sicherheit auf seine möglichen Folgen für die Verbreitung biologischer Waffen und für den Terrorismus diskutiert werden.

Die Entwicklung und der Einsatz von Mycoherbiziden verstößt vermutlich gegen die Biological and Toxic Weapons Convention (BTWC), die von den USA allerdings bislang nicht unterzeichnet wurde. Und zuletzt müsse auch noch die kolumbianische Regierung mit dem Programm einverstanden sein. Angeblich aber will die kolumbianische Regierung die vorgesehenen Tests durchführen. Sicher ist nämlich keineswegs, ob das Toxin des Pilzes nicht auch andere Pflanzen und möglicherweise auch Menschen gefährdet, wenn es in großen Massen verbreitet wird.

Ein anderer Schauplatz derselben Strategie der US-Regierung ist in Asien. In der Nähe von Taschkent, der Hauptstadt von Usbekistan, befindet sich das Institut für Genetik. Was jetzt so harmlos klingt, ist in den 50er Jahren erbaut worden und war Bestandteil der sowjetischen Rüstungsindustrie für die Entwicklung von biologischen Waffen. Viele der dort arbeitenden Wissenschaftler waren in diesem "Garten des Sieges" - so ein Schild aus den vergangenen Tagen der Aufrüstung mit biologischen Waffen - schon während der Zeit der Sowjetunion beschäftigt. Und auch der Pilz, den man jetzt zur Bekämpfung des Mohns einsetzen will, stammt bereits aus dieser Zeit.

Pleospara papaveraccea gibt es in Südeuropa und praktisch überall in Asien. Für Mohn- und Marihuanapflanzen ist er normalerweise nicht besonders gefährlich. Aber in den 80er Jahren entdeckten die sowjetischen Wissenschaftler den Pilz und entwickelten daraus eine gefährlichere Variante. Dann aber brach die Sowjetunion zusammen. Als Usbekistan selbständig wurde, wurden die meisten Dokumente nach Moskau geschafft. Übrig blieben jedoch viele der eingefrorenen Proben. 1992 wurde das Institut wieder unter der Leitung von Abdusattar Abdukarimov, einem Pflanzengenetiker, eröffnet. Er überprüfte die "Vorräte" des Instituts, erkannte die Einsatzmöglichkeiten für den Pilz und schaffte es auf der Suche nach Geldgebern die Amerikaner und die UNDCP für das Projekt zu interessieren.

Offiziell wurde in den USA das Programm zur Entwicklung von biologischen Waffen 1969 beendet. Aber schon damals hatte man sich dabei auch mit der "Biokontrolle" von Drogenpflanzen beschäftigt (ansonsten war der Vietnamkrieg ein Großeinsatz von biologischen Waffen wie Agent Orange zur Entlaubung der Bäume, aber auch Agent Blue zur Vernichtung von Reispflanzen). So wurde von der USDA ein Virus aus Kolumbien entdeckt, der sich auch als Mittel gegen Mohnpflanzen einsetzen ließ. Unter der Bezeichnng D-347 wurde er in dem Zentrum für biologische Kriegsführung in Fort Detrick, Maryland, geführt. Nach der Beendigung des Programms aber wurde der Virus offenbar nicht vernichtet, zumindest entdeckte Ed Hammond vom Sunshine Project den Namen auf einer Website des Militärs. Nachdem Hammond mehr darüber wissen wollte, wurde jeder Hinweis auf den Virus von der Seite entfernt.

Aber wieder zurück zu den Mycoherbiziden von Usbekistan. In diesem Land den Pilz zur biologischen Waffe gegen den Mohnanbau zu entwickeln, sollte wahrscheinlich auch verhindern, dass die USA und Großbritannien zu schnell in politische Probleme geraten. Zudem haben sich neben dem Goldenen Dreieck zwischen Burma, Laos und Thailand mittlerweile Afghanistan, Iran und Pakistan zu größeren Mohnanbauländern entwickelt. Allein in Afghanistan wurden nach der UNDCP vornehmlich an der Grenze zu Pakistan in diesem Jahr auf mindestens 80000 Hektar Mohn angebaut, aus denen 3275 Tonnen Opium gewonnen wurden. Auch wenn es gegenüber wegen der Trockenheit einen Rückgang der Menge gegeben hatte, bleibt Afghanistan damit der größte Opiumproduzent. 96 Prozent der Anbaufläche für Mohn werden von der Taliban kontrolliert, weil damit viel Geld ins Land kommt - und 10 Prozent der Einnahmen kommen den Taliban zugute.

Das Problem an solch einer "Biokontrolle" in großem Maßstab ist natürlich, ob die Pilze sich einzig gegen die Zielpflanzen wenden und nicht doch auch andere, mit ihnen verwandte angreifen können, welchen Einfluss die einige Jahre noch im Boden befindlichen Toxine auf die Umwelt und die Menschen haben werden, auf die sie durch Flugzeuge herabgesprüht werden sollen - und ob eine derartige Bekämpfung des Drogenanbaus, wenn sie beispielsweise in Afghanistan stattfindet, nicht gegen internationales Recht verstößt. Ist eine Regierung damit einverstanden, selbst wenn sie eigentlich wie in Kolumbien derzeit eher erpresst wird, dann mag dies noch zu keinen großen Konflikten führen, sprüht man sie aber ohne Genehmigung der Talibanregierung über die afghanischen Felder und Menschen, dann ist dies wohl eine biologische Kriegsführung.

Abdusattar meinte allerdings gegenüber BBC, dass es von der Forschung bis zur Herstellung der riesigen Mengen an Sporen, die für einen großflächigen Einsatz notwendig sind, noch ein langer Weg sei. Und der britische Wissenschaftler Mike Greaves, der für die UNDCP die Arbeit beobachtet, sagt, dass man weiterhin die Sicherheit überprüfe, doch sei bislang der Pilz an 130 anderen Pflanzen gestestet worden, ohne zu Schäden zu führen.

Zumindest was Kolumbien angeht, hat die UNDCP bereits am 5. September auf die Anschuldigungen reagiert und versichert, dass man keinen "biologischen Krieg" gegen Coca-Pflanzen führen will und dazu Pilz-Herbizide entwickle und teste. Pino Arlacchi, der Direktor der UN-Organisation, bezeichnete die Medienberichte als "sensationell und verzerrt". Im Zentrum der Strategie in Kolumbien stehe die Förderung alternativer Projekte: "In diesem Kontext denken wir darüber nach, mit der kolumbianischen Regierung und der UNEP zusammen zu arbeiten, um eine für die Umwelt sichere, alternative Methode zur Pflanzenvernichtung durch Sprühen vom Flugzeug aus zu entwickeln. Bislang aber konnte noch kein Abkommen erreicht werden." Arlacchi bedauert die "Verzerrungen in Bezug auf die biologische Kontrolle im Allgemeinen", schließlich sei der Ansatz nicht neu, sondern man gehe so bereits seit 100 Jahren vor, um Nutzpflanzen wie Reise, Weizen oder Sojabohnen zu schützen. Ganz überzeugend ist dies freilich nicht, zumal kein Wort über Usbekistan fällt.