Droht mit der AfD ein neues 1933 – oder nur Deutschland à la Meloni?

Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (rechts) mit Präsident Sergio Mattarella und der deutschen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Foto: Quirinale / CC0 1.0

Manche ziehen kaum noch Grenzen nach rechts. Andere sparen nicht mit krassen historischen Vergleichen. Was es schwer macht, heutige Rechtsparteien zu analysieren.

Sogar vom "Wunder von Nordhausen" war am letzten Sonntag die Rede, nachdem der AfD-Kandidat in der thüringischen Stadt die Wahl zum Oberbürgermeister verloren hatte. An einen AfD-Sieg hatten auch viele Gegner der Partei geglaubt, zumal der parteilose Gegenkandidat kaum noch Wahlkampf gemacht hatte.

Später wurde klar, dass vor allem zivilgesellschaftliche Gruppen in der Stadt für die Niederlage der AfD verantwortlich waren. Dabei spielten auch geschichtspolitische Argumente eine wichtige Rolle. Weil ein Außenlager des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald auf dem Territorium von Nordhausen liegt, hat auch der Leiter der Gedenkstätte vor der Wahl eines AfD-Kandidaten gewarnt und war über dessen Niederlage erfreut:

Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erklärte laut einem Bericht der Evangelischen Zeitung, die Wiederwahl Buchmanns mache "eine Fortsetzung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Stadt Nordhausen möglich".

Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner wurde mit den Worten zitiert: "Die Nordhäuserinnen und Nordhäuser haben sich am Sonntag in ihrer Mehrheit für eine weltoffene, vielfältige Stadt entschieden, die sich ihrer historischen Verantwortung bewusst ist." Gleichwohl zeigten "die vielen Stimmen für den offen geschichtsrevisionistisch auftretenden AfD-Kandidaten, dass die aufgeklärte Erinnerungskultur als Grundkonsens unserer Demokratie akut gefährdet ist".

Kann man also davon sprechen, dass mit geschichtspolitischen Argumenten die Rechten gestoppt werden? Spätestens nach den Wahlen in Bayern kann diese Frage besser beantwortet werden. Dort legen Umfragen zumindest nahe, dass die "Freien Wähler" gestärkt wurden, weil deren Vorsitzender Hubert Aiwanger in der Debatte um ein neonazistisches Flugblatt, das er mit 17 Jahren bei sich getragen hatte, von seiner Zielgruppe als Opfer wahrgenommen wurde.

Dass Aiwanger von einer "Schmutzkampagne" sprach, keine selbstkritische Auseinandersetzung mit seinen "Jugendsünden" erkennen ließ und dennoch Minister bleiben konnte, ist ein Signal an Neonazis, dass auch sie noch Minister werden können, wenn sie ihre Thesen künftig im bürgerlichen Rahmen vertreten. Dass ein Aiwanger als Chef der "Freien Wähler" damit durchkam, ist bemerkenswert, während die AfD oft gleich mit der NSDAP in der Weimarer Zeit kurzgeschlossen wird.

Warnung vor einem neuen 1933

Dabei darf auch die Warnung vor einem neuen 1933 nicht fehlen, womit auf die Machtübergabe an Hitler rekurriert wird. Der Begriff Machtübergabe wurde hier bewusst gewählt – und nicht der in der bürgerlichen Geschichtsschreibung gebräuchliche Terminus der Machtergreifung.

Denn tatsächlich wurde Hitler von den alten Staatsgewalten in Übereinstimmung mit großen Teilen der deutschen Großindustrie am 31. Januar 1933 die Macht in der Hoffnung übergeben, dass er mit den Linken aufräumen und einen autoritären Staat aufbauen würde, in dem das Kapital nicht mehr Rücksicht auf die Gewerkschaften und weniger noch auf linke Aufstände nehmen muss.

Der Antisemitismus der Nazis wurde von einem großen Teil der Kreise, die Hitler die Macht übergaben, geteilt oder zumindest akzeptiert. Das bedeutet nicht, dass die NSDAP eine Marionette des Großkapitals war. Mit ihrer Volksgemeinschaftsideologie konnte sie Teile der Bevölkerung ansprechen.

Gerade dadurch wurde sie für Kapital und nationalkonservative Apparate erst interessant, weil sie eben einen Massenanhang hinter sich hatte, der ihnen selbst fehlte. Ohne die Zustimmung dieser Staatsapparate wären die Nazis nicht in die Macht gekommen. Man kann auch verallgemeinert formulieren, dass der Faschismus immer eine volksgemeinschaftliche Komponente hat.

An die Macht konnte er nie gegen, sondern nur mit Zustimmung wichtiger Kapitalfraktionen und wesentlicher Teilen des Staatsapparats kommen. Doch genau darüber wird in der Debatte über die AfD zu wenig geredet. Dafür werden mit der Warnung vor einem neuen 1933 falsche Bilder erzeugt. Man kann auch von hilflosem Antifaschismus sprechen. Denn die Machtetablierung der Ultrarechten wird heute nicht mehr nach dem Muster von 1933 verlaufen.