Zwischen Taktik und Stammtisch: Warum Markus Söder an Hubert Aiwanger festhält

(Bild: UNWTO / CC BY-NC-ND 2.0)

Nach Flugblattaffäre bleibt Aiwanger im Amt und wird am Stammtisch gefeiert. Söder schiebt die Aufarbeitung den jüdischen Verbänden zu. Was man stattdessen lernen könnte.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bleibt vorerst im Amt. Das entschied der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntagmittag, wie in einer Pressemitteilung erklärt wurde.

Nachdem der Chef der Freien Wähler in Bayern den Fragenkatalog an den bayerischen Ministerpräsidenten geschickt hatte, war Söders Reaktion abgewartet worden. Dass er Aiwanger vorerst im Amt belässt, mag auch eine taktische Frage sein. Denn nun gilt es, Aiwanger zu zähmen, damit er als Koalitionspartner der CSU nicht zu forsch auftritt.

Söder wird sich noch an die Kundgebung gegen das Energiegesetz der Bundesregierung erinnern, bei der Aiwanger mit seiner populistischen Volte Söder glatt die Show gestohlen hat. Da gab Aiwanger den Strauß, der ja der Prototyp eines erfolgreichen Rechtspopulisten in der BRD war.

Erfolg des rechten Stammtischs

Hätte Söder Aiwanger entlassen, hätte er sich als Opfer nicht nur einer Kampagne der Linken und Linksliberalen, sondern auch der CSU darstellen können. Möglicherweise hätte er dann auf deren Kosten Stimmengewinne erzielen können.

Insofern ist die Entscheidung von Söder selbst auch eine populistische Entscheidung und folgt der Vorgabe von Franz Josef Strauß, niemals gegen den bayerischen Stammtisch zu regieren. Wer gesehen hat, wie Aiwanger in den vergangenen Tagen in bayerischen Bierzelten gefeiert wurde, bekommt eine Ahnung von jenem Deutschland, in dem noch unberührt von allen woken Diskussionen eine rechte Hegemonie herrscht. Dort kann sich ein Aiwanger als Opfer feiern lassen.

Genau diese Stimmung befördert Aiwanger mit seinem Umgang mit den Vorwürfen, wenn er von einer Kampagne gegen ihn spricht. Er muss gar nicht im Einzelnen aufzählen, wer diese Kampagne angeblich trägt: die SPD, die Grünen, die Linke allgemein.

Natürlich wird er die jüdischen Interessenverbände nicht beim Namen nennen, die fordern, dass die rechten Flugblätter aus Aiwangers Schultagen nicht einfach folgenlos bleiben dürfen. Denn die blieben eben nicht in Aiwangers Schultasche, wie rechte Kreise jetzt munkeln, sondern wurden in der Schule vermutlich auch verteilt.

Indem sich Aiwanger als Opfer bestimmter Kampagnen stilisiert, verhält er sich wie viele Rechte, die, wenn Konsequenzen für ihr Handeln gefordert werden, auf die Kampagnen derer verweisen, die schon immer Gegner der Rechten waren und sind.

Vorbild Waldheim

Aiwanger agiert hier wie der ehemalige österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim, der Wahlkämpfe nur mit Ressentiments gegen diejenigen führte, die einen ehemaligen aktiven Nazi nicht im Präsidentenamt sehen wollten. Und ein großer Teil dieses Österreichs, das zeigt der Film Waldheims Walzer von Ruth Beckermann, der auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung heruntergeladen werden kann, hat sich hinter Waldheim versammelt.

Dort wird auch gezeigt, dass Waldheims Anhänger sich eines offenen Antisemitismus bedienten, den der Kandidat freilich nie so offen äußerte. Die Kampagne für Waldheim bereitete auch den Boden für den Aufstieg der rechtspopulistischen FPÖ. Der damalige große Zampano der österreichischen Rechtspopulisten, Jörg Haider, brauchte nur aufzugreifen, was in der Kampagne für Waldheim vorbereitet worden war.

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