Druck von Trump, Angst vor Putin - wie Balten den NATO-Gipfel sehen
Für die Balten war der Auftritt von Donald Trump eher beunruhigend
Der vormalige Verteidigungsminister Estlands, Kalev Stoicescu, spekulierte in der überregionalen Tageszeitung Eesti Päevaleht, dass Trumps Rede von Stephen Miller geschrieben wurde, den er schon für Trumps Aussage im Januar, die NATO sei "obsolet", verantwortlich macht, was kein so gutes Zeichen sei.
Es fehlte zudem die "Beruhigungspille" - der Verweis auf die NATO-Beistandsverpflichtung -, die bislang von allen amerikanische Präsidenten an die Ex-Ostblockstaaten unter den Mitgliedern des Bündnisses verabreicht wurde.
Auch machte der US-Geschäftsmann am Donnerstag in Brüssel unmissverständlich klar, dass die Mitgliedsländer ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen haben. Während Estland die geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufwendet, gaben sich Litauens wie Lettlands führende Politiker bereits 2016 zerknirscht, als Trump im Wahlkampf den Beistands-Artikel 5 der NATO in Frage stellte, sollte nicht ausreichend gezahlt werden (Baltikum: Verunsicherung durch Donald Trump).
Beide Länder zahlten im vergangenen Jahr nicht viel mehr als ein Prozent in den Militärhaushalt und gelobten für das Jahr 2018, die vorgeschriebene Quote zu erreichen.
Doch mit einer Verschärfung der Sparpolitik, die die anvisierten zwei Prozent ermöglichen sollten, würden weitere Letten und vor allem Litauer in die Emigration getrieben. Die Auswanderung gilt als das größte Problem des Landes (Abwenden der demografischen Katastrophe).
Alle drei baltischen Länder reagierten auf die Finanzkrise 2008, die die kleinen und offenen Volkswirtschaften besonders traf, mit einer rigorosen Austerität, unterstützt durch EU-Strukturhilfe, die Sozialausgaben wurden radikal zurück gefahren. Um die Aufnahme in die Euro-Zone nicht zu gefährden, wurde sogar darauf verzichtet, die eigene Währung abzuwerten. Auf dem Gipfel der Misere ging das Bruttoinlandsprodukt in Lettland um 19 Prozent zurück.
Zwar wird in den baltischen Staaten heute ein solides Wachstum von zwei bis drei Prozent vorhergesagt, Litauen gehört zu den drei europäischen Spitzenwachstumsmärkten. Dennoch hält die Abwanderung an, beziehungsweise steigt sie, da die Verdienstmöglichkeiten in Westeuropa deutlich höher sind und die soziale Absicherung dort ihren Namen verdient. Seit der Unabhängigkeit hat Litauen mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern 16 Prozent durch Abwanderung verloren.
Mittels eines "Start-up-Visa" sollen besonders qualifizierte Unternehmer und Fachkräfte einen erleichterten Zugang zum litauischen Arbeitsmarkt bekommen. Dies müsste dann auch für russische Personen gelten.
Wenn auch Russland als Aggressor weiterhin gefürchtet wird, so hat sich das Verhältnis zwischen den baltischen Staaten und dem großen Nachbarn auf der wirtschaftlichen Ebene eher entspannt. Zumindest diskutiert Lettland derzeit mit Russland die Erweiterung einer regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.Estland und Russland unterschrieben in der vergangenen Woche ein Abkommen, das eine Verbesserung des Grenzverkehrs. Gute Kontakte zu Russland werden schließlich auch Trump zunehmend nachgesagt.