Dschihad als Familientradition
Bis zu 300 im IS-Kalifat indoktrinierte und traumatisierte Kinder könnten mit ihren Müttern nach Deutschland zurückkehren. Die Behörden wissen nicht, wie sie mit ihnen umgehen sollen
Schon Ende 2017 zeichnete sich ab, dass eine große gesellschaftliche Herausforderung für 2018 im Umgang mit den aus dem IS-Gebiet in Syrien und dem Irak rückkehrenden Frauen besteht (vgl. Die Bräute Allahs und ihre verborgenen Netzwerke). Inzwischen ist klar: Nicht nur die Frauen beunruhigen die zuständigen Behörden, sondern auch deren Kinder stellen sie vor nahezu unlösbare Probleme. Behörden gehen davon aus, dass diese Kinder gleichermaßen traumatisiert und indoktriniert sind.
Diese Indoktrinierung, auch von Kindern und Jugendlichen, findet allerdings nicht nur beim IS statt, sondern auch in den Familien im salafistischen Umfeld in Deutschland. Das macht hiesigen Behörden große Probleme, denn ganz so harmlos, wie sie gern tun, sind die im Irak inhaftierten Frauen in den salafistischen Netzwerken nicht - ebenso wenig wie ihre umtriebigen Schwestern in Deutschland.
Indokrinierte Kinder
Laut behördlichen Angaben handelt es sich um mehrere Dutzend Frauen, die zurückkehren möchten, und insgesamt rund 300 Kinder, die wie ihre Mütter aufgrund deren deutschen Staatsbürgerschaft das Recht auf die Einreise nach Deutschland hätten. Diese Kinder seien möglicherweise vom IS indoktriniert, so die Befürchtung.
"In IS-Propagandavideos tauchen Minderjährige auch als Kämpfer (auch als Mörder, Anm. d. Verf.) auf. Zeitweise sollen die Extremisten sogar eigene Rekrutierungsbüros eingerichtet haben, um Nachwuchs anzuwerben. Aber auch Kinder, die einer Rekrutierung entgingen, indoktrinierte der IS in Schulen mit seiner Ideologie", schrieb die Lippische Landes-Zeitung (LZ) in einem Bericht über ein Video, auf dem die Hinrichtung eines IS-Opfer durch einen vielleicht 13-jährigen Jungen zu sehen ist.
Dass die Kinder im Einflussgebiet des IS einer speziellen Form der "Bildung" ausgesetzt wurden, berichtete auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) im Juni 2017:
Die Älteren gingen zur Schule oder in das, was der IS so nannte. Den Einband der Schulbücher zierten die Bilder von Kämpfern, Ideologie und Waffentraining waren wichtiger als Mathematik oder Geografie. Wer immer als Kind im Kalifat leben musste, wird die Indoktrination ebenso wie seine Erinnerungen womöglich den Rest seines Lebens nicht oder nur schwer abschütteln können.
Hilfsorganisationen vergleichen dies bereits mit dem Schicksal afrikanischer Kindersoldaten und schwer misshandelter Opfer in Kriegsgebieten. Erste Erfahrungen gibt es bereits: Psychologen berichten über das Schicksal befreiter jesidischer Mädchen, die von IS-Kämpfern als Sklavinnen gehalten wurden. Viele von ihnen sind seit der Befreiung schwer traumatisiert und suizidgefährdet.
SZ
In jedem Fall dürften die meisten dieser Kinder zutiefst traumatisiert sein. Doch diese auf Gewaltbereitschaft orientierende Erziehung findet laut Verfassungsschutz nicht nur im IS-Kalifat, sondern auch in den hiesigen salafistischen Familien statt.
Welche Gefahren von ihnen später als Jugendliche oder Erwachsene ausgeht - in zu erkämpfenden Gebieten irgendwo in der Welt oder auch vor unserer eigenen Haustür - vermag niemand zu sagen.
CDU-Politiker brachten kürzlich die staatliche Überwachung auch von Kindern unter 14 Jahren ins Gespräch. Das sei absolut indiskutabel, antwortete Linken-Politikerin Ulla Jelpke in einer Stellungnahme, der Verfassungsschutz habe in Kinderzimmern nichts zu suchen.
Eine im Kern richtige Sicht, doch in Bezug auf salafistische Familien wird pädagogische Betreuung nicht reichen. Kinder gelten dort nicht als kleine, in hohem Grade schützenswerte Menschen, sondern als potentielle Gotteskrieger, bzw. zukünftige Mütter potentieller Gotteskrieger.
Die salafistische Szene stellt die westlichen Gesellschaften vor Probleme, denen sie eindeutig nicht gewachsen sind. Althergebrachte Konzepte werden hier nicht reichen. Die Kinder sind zweifelsohne Opfer. Aber, wie gefährlich sind sie? Bzw. wie gefährlich werden sie in wenigen Jahren sein? Gefährden sie sich oder andere? Welche Hilfen - oder möglicherweise auch Kontrolle - brauchen sie?
Weil es so schwer ist, Lösungen zu finden, wird das Problem vermutlich weiter ausgesessen. Und in wenigen Jahren werden wir uns wundern, wo all die gewaltbereiten jungen Männer herkommen, die zunächst in den muslimischen Communities für Recht und Ordnung sorgen - bzw. das, was sie für Recht und Ordnung halten - und entweder weiterhin in Kriegsgebiete ziehen oder eine extrem hohe Bereitschaft aufweisen, terroristische Anschläge in Europa zu verüben.
Wundern würden wir uns dann auch über die jungen Frauen, die die Familien und Netzwerke zusammenhalten, andere junge Frauen über soziale Netzwerke akquirieren, Konvertitinnen betreuen, fleißig Spenden für das Kalifat sammeln, online Niqabs und Gebetsteppiche verkaufen, Puppen im Salafisten-Look basteln, um mit dem Erlös aus deren Verkauf Gefangene, inhaftierte Terroristen, die als Märtyrer verehrt werden, zu unterstützen und freudig die nächste Generation potentieller Gotteskrieger erziehen.
Was ist das Problem?
Den Salafismus kennzeichnet eine rigide Auslegung des Islams. Der Koran gilt über jeden Zweifel erhaben als das direkte und somit unverrückbare Wort Gottes, das dem Propheten Mohamed vor etwa 1.400 Jahren mittels der Erzengel verkündet wurde.
Da er der direkte Empfänger war, gilt Mohameds Lebensführung als vorbildlich und vor allem verbindlich. Als Leitfaden für das rechtgeleitete Leben gilt das Leben Mohameds und seiner rechtschaffenen Gefährten und deren nächste Nachfahren in der besonders frommen Zeit der Vorbilder, die salafis heißen.
"Rechtgeleitet" umfasst alle Bereiche des Lebens, die Scharia bildet das dafür notwendige Normen-, Werte- und Rechtssystem, dem sich ausnahmslos alle Menschen unterzuordnen haben. Zum Kern gehört das Familienrecht, mit dem die Frauen komplett unterworfen, aber auch Männer auf Gedeih und Verderb in das System eingebunden werden.
So mancher Salafist möchte diesem Normen-, Werte- und Rechtssystem auf der ganzen Welt Gültigkeit verschaffen und ein nicht unerheblicher Teil der Salafisten - die Dschihadisten - ist bereit, dafür auch brachiale Gewalt anzuwenden. Der Islamische Staat (IS) wollte dieses System im auf syrischem Gebiet ausgerufenen Kalifat in Raqqa sozusagen in Reinkultur umsetzten.
Davon fühlten sich Menschen, darunter sehr viele Jugendliche, aus aller Welt und auch aus Deutschland angezogen. Laut Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) reisten seit 2012 etwa 930, meist jugendliche Personen ins IS-Kalifat aus. 20 Prozent der Ausgereisten waren weiblich, das sind immerhin knapp 200 Mädchen und junge Frauen, die es heim in "Allahs Reich" zog.
Die SZ konkretisierte: "Eine BKA-Auswertung ergab im Jahr 2016, dass von 784 Syrien-Reisenden 290 zum Zeitpunkt ihrer ersten Ausreise bereits Kinder hatten. Unter den 56 registrierten Minderjährigen, die auf die Reise gingen, waren 22 junge Mädchen."
Die "verfolgte Unschuld"
Der IS gilt unterdessen in Syrien und im Irak weitestgehend als zerschlagen, viele der Ausgereisten gerieten in Gefangenschaft, darunter auch Frauen und ihre Kinder. Die zuständigen Behörden gehen von etwa 300 Kindern aus, die das Recht hätten, in Deutschland einzureisen.
Laut der Neuen Westfälischen gelten allein in Nordrhein-Westfalen etwa 3.000 Personen als "Salafisten", 350 davon sind weiblich:
Wie das NRW-Innenministerium jetzt auf eine Anfrage der Grünen im Landtag mitteilte, sind unter den 253 Gefährdern elf Frauen und unter den 134 sogenannten "relevanten Personen", das sind solche, die als Unterstützer der Gefährder gelten, ist sogar inzwischen jede vierte weiblich. In beiden Gruppen hat die überwiegende Mehrheit die deutsche Staatsangehörigkeit.
Unter den 255 Personen, die nach aktuellen Erkenntnissen aus NRW in die dschihadistischen Kampfgebiete in Syrien und im Irak ausgereist sind, ist inzwischen nahezu jede dritte weiblich. 86 Prozent der ausgereisten Frauen und Mädchen sind unter 30 Jahren alt. Zurückgekehrt sind nach den Erkenntnissen der Staatsschutzbehörden bisher 75 Personen, darunter 15 Frauen und Mädchen.
Neue Westfälische
Die im Irak inhaftierten Frauen weisen in den meisten Fällen jede Schuld von sich; sie hätten nur den Haushalt geführt, die Kinder erzogen, etc. . Bekannte Beispiele sind Linda W. aus der sächsischen Pfefferkuchenstadt Pulsnitz, die als 15jährige nach Syrien ausgereist ist, oder Lamia K. und deren Tochter Nadja P. aus dem baden-württembergischen Mannheim sowie Fatima M. aus dem ostwestfälischen Detmold. Sie alle wollen an den Gräueltaten des IS nicht beteiligt gewesen sein.
Doch wie glaubhaft ist das? Linda W. wurde im Sommer 2017 in einem Tunnelsystem unter der Altstadt der irakischen Stadt Mossul zusammen mit 19 weiteren ausländischen Dschihad-Anhängerinnen aufgespürt. Einige Monate später wurde sie in Bagdad wegen Mitgliedschaft beim IS und der illegalen Einreise in das Land zu 6 Jahren Haft verurteilt.
Nach der Trennung ihrer Eltern fiel sie in ein Loch, kam zufällig mit dem Thema "Islam" in Berührung und, so schreibt es Die Zeit:
In Sachsen, vor ihrer Flucht, hat sie Texte von radikalen Vorbetern wie Sven Lau oder Pierre Vogel gelesen, sie hat gehört, dass aufrechte Muslime angeblich in ein Land ziehen sollen, wo die Scharia gilt. Als sie auf Facebook ein fremder Mann kontaktiert und auffordert, sich ein Flugticket nach Istanbul zu kaufen, fälscht sie die Unterschrift ihrer Mutter, geht in ein Reisebüro und bucht ein Ticket.
Die Zeit
Lamia K. war 47, ihre Tochter Nadia P. 17, als sie 2014 mit ihr ins IS-Kalifat nach Syrien zog. Mutter und Tochter sind inzwischen beide im Irak zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zu Unrecht, wie Lamia K. sagt.
Fatima M. soll, wie auch Linda W., Lamia K., Nadia P. und die im Juli 2017 in dem Tunnelsystem in Mossul entdeckten Frauen, zu den berüchtigten Al Khansar-Brigaden gehört haben, einer weiblichen Sittenpolizei des IS. Ihnen wird vorgeworfen, auf Einhaltung der Vollverschleierung geachtet und bei Zuwiderhandlung die betreffenden Frauen ausgepeitscht und gefoltert zu haben. Anfang 2018 wurde Fatima M. zu einem Jahr Haft und 400 Dollar Geldstrafe verurteilt.
Alle vier Frauen wollen zurück nach Deutschland. Hier würde sie dann ein neuer Prozess erwarten.
Doch wegen welcher Vergehen sollen die Behörden sie anklagen? Die Frauen geben sich als völlig Unbeteiligte, die typische Hausfrau halt, bloß eben im IS-Kalifat. Die irakischen Behörden sehen das erwiesenermaßen anders.
Puppen im Salafisten-Look
In vielen Fällen kommen die Frauen mit der Masche "verfolgte Unschuld" auch durch. U.a. deshalb, weil Frauen nicht ernstgenommen werden. Die Familie ist der kleinste Kern dieser terroristischen Vereinigungen, das Rückzugsgebiet für die Kämpfer, wo sie sich erholen und Kraft für den nächsten Kampf und ganz nebenbei potentielle Gotteskrieger zeugen können sowie der Ort, an dem nachfolgende Generationen auf die zukünftigen Aufgaben vorbereitet werden.
Die Erziehung ist ausgerichtet auf die gewalttätige Umsetzung der Ideologie, die als die einzig wirklich wahre Lebensweise akzeptiert wird. In diese Ideologie werden die Kinder hineingeboren, sie wachsen darin auf und sind die Garanten für die Tradierung dieser Lebensweise.
In Rakka (auch: Raqqa) geborene Kinder kennen nichts anderes als dieses System. Dieses mit kriegerischen Mitteln zu verteidigen und auszubreiten, halten sie vermutlich für völlig normal. Was das für den weiteren Lebensweg dieser gleichwohl zutiefst verrohten wie auch traumatisierten Kinder bedeutet, vermag niemand zu sagen.
Doch nicht nur in Rakka lebten salafistische Familien, sondern auch in Deutschland. Und auch hier werden Kinder nach dieser Ideologie erzogen. Die Frauen in Rakka nahmen auch aktiv an der Gestaltung des Kalifats teil, so z. B. Fatima M., die Anfang 2019 nach Deutschland zurückkehren möchte, um ein neues Leben zu beginnen, wie Erol Kamisli in der LZ schrieb. Laut SZ soll sie für die Sittenpolizei des IS gearbeitet haben.
Ihr Ehemann soll ums Leben gekommen sein; was aus den beiden Söhnen geworden ist, weiß niemand so genau. Fatima M. zufolge ist sie durch einen Bombenanschlag von ihnen getrennt worden.
Harmlos sind Frauen wie Fatima M. beileibe nicht: So haben Reporter des Bayerischen Rundfunks (BR) ein Frauennetzwerk ausfindig gemacht, das in sozialen Netzwerken mit Hilfe von Kindern für Spenden für inhaftierte Gotteskrieger sammelt.
Die Namen der Facebook-Gruppen mit jeweils mehr als 2.000 Mitgliedern, in denen die Frauen sich aufhalten und zum Teil als Verwalterinnen auftreten, sind Programm: "Aseerun Spendengruppe" und "Free our Sisters". Hier wird für die Freilassung verurteilter Dschihadisten geworben - unter anderem mit Kinderzeichnungen sowie Videos mit Kindern. Außerdem wird über den Verkauf von Bastelpüppchen versucht, Erlöse zu generieren, die den Islamisten in Haft und deren Angehörigen zugutekommen sollen.
"Möge Allah ihn aus den Ketten der Ungläubigen befreien", heißt es zum Beispiel in einer Botschaft für einen Hassprediger, der für den Dschihad rekrutiert haben soll und 2016 in Österreich zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Auch das Logo von "Niwelt", ein Sprachorgan der Terrormiliz IS, postet das Netzwerk, dessen Facebook-Mitglieder in ganz Deutschland verstreut sind. Dazwischen immer wieder Kinderzeichnungen oder Videos mit Kindern, die für das Engagement für verurteilte Islamisten eingesetzt werden sollen.
BR
Auf Fotos in einer Facebookgruppe identifizierte der BR eine Frau, "die einst aus Bayern mit ihren Kindern ins Dschihad-Gebiet ausreiste und dann wieder nach Deutschland zurückkehrte. Sie lebt derzeit mit einem Mann zusammen, der sich in der Islamisten-Szene als Propagandist einen Namen gemacht hat".
Der neueste Schrei sind "Jundullah"-Puppen, was dem Kölner Islamwissenschaftler Elhakam Sukhni zufolge übersetzt "Soldaten Gottes" heißt. Wie der WDR berichtet, sollen damit nach Ansicht von deren Herstellerin "unsere kleinen Löwen und Löwinnen bereits beim Spielen die natürliche Schamhaftigkeit kennenlernen". Das, so der WDR, habe sie auf Facebook erläutert.
Der Leiter des Landeamtes für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, Burkhard Freier, legte dem WDR gegenüber dar: "In Geschichten wird zum Beispiel die Mehrehe propagiert oder es geht darum, dass Gefangene, die von der deutschen Justiz inhaftiert worden sind, zu Opfern und Märtyrern erklärt werden."
Laut Elhakam Sukhni soll so für die Kinder "die Welt aufgeteilt werden in die, die auf dem richtigen Weg sind und alle anderen, die auf dem falschen Weg sind." Bereits im Kindesalter werde eine komplette Abschottung vorangetrieben.
Die Frauen nennen sich "Schwestern", analog zu den Männern, die sich "Bruder" nennen. Die Netzwerke der "Schwestern" haben unterdessen auch das Augenmerk der Behörden auf sich gezogen. Laut der NW sind "die islamistischen Frauen in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten aktiv. Es gebe Zusammenschlüsse weniger Personen bis hin zu großen Gruppen. Hier tauschten sich weibliche Szeneangehörige in einer ihrer Ideologie angepassten Lebensführung aus, böten Anleitungen zur Kindererziehung und Unterricht an, seien in der 'Gefangenenhilfe' aktiv und verbreiteten extrem-salafistische Inhalte".
Tupperparty der besonderen Art
Die ihnen zugeschriebene Rolle füllen Frauen in Europa anders aus als in islamischen Staaten oder Regionen, wie z.B. in Gaza. "Tupperparty auf salafistisch" nennt die Bloggerin Sigrid Herrmann-Marschall in ihrem Blog "Vorwärts und nicht vergessen" die Aktivitäten der Frauen.
Das Repertoire umfasst demnach "Schwesternunterricht in einschlägigen Moscheen", "Gesundheits-Zirkel", die weiblich eingebunden sind und niedrigschwellig agieren, Internetanwerbung, "Kinderbildungsvereine", "Austausch über Kindererziehung sowie Austauschportale über die korrekte Kleidung".
Selbst neumodische Erscheinungen wie Esoterik wissen die "Schwestern" für sich zu nutzen. Dabei verknüpfen sie geschickt uralte Methoden, das "Schröpfen", islamisch "Hijama", eine Heilmethode, bei der Blut abgezapft wird, bzw. Blutegel zur "Heilung" eingesetzt werden, mit aktuellen Debatten, wie z.B. über die Nebenwirkungen von Verhütungsmitteln für Frauen, oder sie greifen die Argumente der Impfgegner auf.
Dabei beziehen sie sich auf beliebte esoterische Seiten wie das Zentrum der Gesundheit, und auch Verweise auf die neurechte Wissensmanufaktur fehlen nicht. Auf der Facebook-Seite Hijama Hamburg wird diese Methode auch zur Heilung von Autismus empfohlen. Angeblich ist die Ursache dafür eine kaputte Darmflora.
Der Einwand, Autismus sei keine Darmkrankheit, sondern eine Störung im Gehirn, wird mit der Erwiderung "unser Magen-Darm-Trakt ist mit einem eigenen Nervensystem ausgestattet und ist somit das zweite Gehirn" entkräftet. So einfach ist die Welt.
"Ein Tag des Fiebers ist Kaffarah (Sühneleistung) für ein ganzes Jahr", lernen wir. Fieber als schlechtes Karma. Mit dieser Sicht werden Kranke so ganz nebenher als "Sünder" oder "Sünderin" stigmatisiert.
Plastikspielzeug als Wohnstätte von bösen Geistern
Auch den Djinn, den bösen Geistern, die von Satan geschickt werden und Menschen "befallen", die sich nicht religionskonform verhalten, z. B. weil sie verbotene Dinge tun, begegnen wir auf der Seite. Und zwar in Gestalt von Kinderspielzeug, in dem Fall ein Plastik-Dino, der eine "Wohnstätte für Djinn" sein könnte.
Das ist ein versteckter, aber direkter Affront gegen die westliche Lebensweise, denn solche Dinos sind vermutlich hierzulande in fast jedem Kinderzimmer zu finden - mit Ausnahme der "halal", also streng nach den Geboten Allahs lebenden "Umma" (islamische Gemeinschaft).
Unterschwellig werden also die "Kufr", die "Ungläubigen", mit dem Satan in Verbindung gebracht. Wie bitte sollen Kinder in dieser Gesellschaft zurechtkommen, wenn sie glauben, ihre Schulkameraden seien von bösen Geistern befallen, weil diese mit Plastik-Dinos spielen? Integration jedenfalls geht anders.
Die Behörden sind überfordert
Kaum zu glauben, aber wahr: Dem Nachrichtenmagazin Focus zufolge wurden zwei inhaftierte Frauen aus dem nordirakischen Mossul befreit. Und zwar im Auftrag des Bundeskriminalamtes (BKA) - ohne Wissen der zuständigen irakischen Behörden, die entsprechend verschnupft reagierten:
Staatsschutzbeamte des BKA bekommen seit diesem Vorfall kein Visum mehr. In der Vergangenheit durften sie einreisen, um im Auftrag der Karlsruher Bundesanwaltschaft IS-Angehörige aus Deutschland zu vernehmen.
Focus
Laut Focus müssen "die beiden Frauen aufgrund ihrer Gefährlichkeit rund um die Uhr überwacht werden. Ein Haftbefehl des Bundesgerichtshofs lag zum diesem Zeitpunkt nicht vor."
Eine der beiden Frauen ist die 30jährige Sibel H. aus dem hessischen Offenbach, die laut Informationen des Spiegel "gleich zweimal nach Syrien gereist [ist], um sich dort dem 'Islamischen Staat' anzuschließen. Zunächst war sie ihrem Mann gefolgt, der 2013 in den Bürgerkrieg reiste. Als ihr Mann im Kampf starb, kehrte H. zurück nach Deutschland, reiste aber kurze Zeit später in Begleitung ihres neuen Mannes wieder zum IS".
Dabei wäre es Aufgabe der Justiz und der Geheimdienste, eine Gefährdung, wie sie von solchen Frauen ausgeht, von der Gesellschaft abzuwenden. Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass genügend Psychologinnen und Sozialarbeiter eingestellt und entsprechend ausgestattet werden, dass eine engmaschige Betreuung dieser Frauen und ihrer Kinder möglich wird.
Ratsam wäre es, sich dabei von Experten wie z. B. dem Berliner Psychologen Ahmad Mansour beraten zu lassen. Auf gar keinen Fall darf diese heikle Aufgabe den etablierten Islamverbänden wie dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) oder der direkt der türkischen Regierung unterstehenden DITIB übertragen werden.