E-Auto-Krise: Werksschließungen und Jobverluste in Europa unvermeidbar?
Der Elektroauto-Boom in Europa ist vorerst vorbei. Sinkende Verkäufe bringen Autobauer in Bedrängnis. Werks-schließungen drohen. Kann die Branche gegensteuern?
Die europäischen Automobilhersteller stehen vor großen Herausforderungen. Wie der Verband der europäischen Automobilhersteller mitteilte, brachen die Auslieferungen von Elektroautos in Europa im August um 36 Prozent ein. In Deutschland, dem größten Automarkt der Region, betrug der Rückgang sogar 69 Prozent, berichtet Bloomberg. Der Marktanteil von Elektroautos schrumpfte im August auf 14 Prozent – im Vorjahr lag er noch bei gut 15 Prozent.
Wegfall von Kaufanreizen bremst Elektroauto-Nachfrage
Als Hauptgrund für den Nachfragerückgang nach Elektroautos wird der Wegfall der staatlichen Kaufanreize gesehen, die die relativ teuren Fahrzeuge bisher erschwinglicher gemacht haben. Die Folge: Autohersteller überdenken ihre Strategien und Zeitpläne für den Umstieg auf Elektroantriebe.
Besonders betroffen ist die deutsche Automobilindustrie, die ohnehin mit einer Reihe von Rückschlägen zu kämpfen hat. Europas größter Autobauer Volkswagen hat einen jahrzehntelangen Tarifvertrag aufgekündigt und erwägt wegen der schwachen Nachfrage erstmals Werksschließungen in Deutschland. BMW senkte seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr, unter anderem wegen des schleppenden Absatzes von Elektrofahrzeugen.
Viele Autowerke in Europa nicht ausgelastet
Eine Analyse von Bloomberg News zeigt, dass fast ein Drittel der großen Pkw-Werke der fünf größten europäischen Autohersteller – BMW, Mercedes-Benz, Stellantis, Renault und VW – im vergangenen Jahr nicht ausgelastet waren. Sie produzierten wahrscheinlich weniger als die Hälfte der Fahrzeuge, die sie produzieren könnten. Eine Auslastung von weniger als 50 Prozent ist nach Expertenmeinung in der Regel defizitär.
Die jährlichen Verkaufszahlen in Europa liegen immer noch um rund drei Millionen Autos unter dem Niveau vor der Pandemie. Hinzu kommen eine unerwartete Verlangsamung der Nachfrage nach Elektroautos und ein verschärfter Wettbewerb auf wichtigen Exportmärkten wie den USA und China. "Immer mehr Autohersteller kämpfen um ein kleineres Stück vom Kuchen", sagt Matthias Schmidt, ein unabhängiger Autoanalyst, laut Bloomberg. "Einige Produktionsstätten werden definitiv gehen müssen."
Hohe Energiekosten verschärfen Situation der Autobauer
Die Gefahr von Werksschließungen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Der Arbeitskräftemangel hat die Löhne in die Höhe getrieben, der Krieg in der Ukraine die Energiekosten. Gelingt die Trendwende nicht, droht der Wirtschaft in der Region ein schwerer Schlag: Die Automobilindustrie steht für mehr als sieben Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts und mehr als dreizehn Millionen Arbeitsplätze.
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Besonders prekär ist die Lage in Deutschland, wo die Autobauer nach jahrzehntelanger Führung bei Verbrennungsmotoren mit der Umstellung auf Elektroautos zu kämpfen haben. VW hat das Auslaufen von Jobgarantien bestätigt – der Auftakt zu einer Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften. Auch BMW und Mercedes kämpfen mit einer schwachen Nachfrage und bereiten sich auf die Einführung neuer E-Modelle vor, um dem entgegenzuwirken.
Politik und Gewerkschaften bremsen Werkschließungen
Fabrikschließungen sind in Europa jedoch das letzte Mittel. Gewerkschaften und Politik haben großen Einfluss auf die Entscheidungen der Unternehmen. Die Schließungspläne von VW zum Beispiel müssen erst den Aufsichtsrat passieren, in dem Staats- und Arbeitnehmervertreter die Mehrheit haben.
Auch andernorts mischen sich Regierungen ein: In Frankreich fördert der Staat die Batterieproduktion, in Italien lieferte sich Stellantis-Chef Carlos Tavares einen Schlagabtausch mit Rom über Pläne zur Produktionsverlagerung. "Die Herausforderung wird sein, an den Gewerkschaften vorbeizukommen", sagt Schmidt.
Zur Bewältigung der Elektroauto-Krise fordert der europäische Autoherstellerverband ACEA die EU-Kommission zum Handeln auf. Sonst drohten den Herstellern Strafzahlungen in Milliardenhöhe wegen verfehlter CO2-Ziele, warnt der Verband. Wie die Autoindustrie wieder auf Kurs kommen soll, ist allerdings noch gänzlich offen.