E-Mobilität ist kein Jobmotor
Ifo-Studie:Automobilzulieferer haben ihre besten Zeiten hinter sich. Die IG Metall fordert eine aktive Industriepolitik, um neue Perspektiven für die Beschäftigten zu schaffen
Die Autobranche steht vor einem großen Wandel. Seit Jahren war darüber diskutiert, welche Auswirkungen die Elektromobilität auf die Beschäftigung in der Branche haben wird. Die Diskussion hat nun mit einer Studie des Münchner Ifo-Instituts neue Nahrung erhalten. Erstellt wurde die Studie im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Am Bau von Benzin- und Dieselautos hängen derzeit noch rund 613.000 Arbeitsplätze. Viele von ihnen könnten in den nächsten Jahren wegfallen. Bis 2025 sind nach Ifo-Berechnung etwa 170.000 Stellen von den Veränderungen in der Branche betroffen, bis 2030 könnten es 222.000 sein. In denselben Zeiträumen gehen demzufolge allerdings nur 87.000 beziehungsweise 140.000 Menschen in Ruhestand. Der Rest wird wohl den Job verlieren.
Die Zulieferbetriebe, die vor allem mittelständisch geprägt seien, stünden vor großen Herausforderungen, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Im Jahr 2019 stellten sie in der Summe Produkte im Wert von mehr als 149 Milliarden Euro her, die mit dem Verbrennungsmotor verbunden sind. Besteht dieser Antrieb aus mindestens 1.200 Bauteilen, sind es bei einem Elektromotor nur rund 200. Wenn Teile nicht mehr nachgefragt werden, geraten vor allem Unternehmen in Schwierigkeiten, die auf wenige Produkte spezialisiert sind.
Mit den neuen Klimazielen der Bundesregierung dürfte sich die Situation der Beschäftigten noch einmal verschärfen; denn die Berechnungen berücksichtigen nur die bislang bestehenden. Fuest und VDA-Präsidentin Hildegard Müller schimpften über die neuen Klimaziele und beklagten, dass die Bundesregierung sie "über Nacht" und "im nationalen Alleingang" verschärfe. Um die Beschäftigten dürfte es ihnen dabei nicht gehen - eher um Schwierigkeiten für die Unternehmen.
Mehr Klimaschutz, mehr E-Autos? - IG-Metall-Chef sieht Automatismus
Aber auch Jörg Hofmann, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), zeigte sich im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wenig erfreut. Schärfere Klimaziele vergrößerten die Probleme der Zulieferer, die ausschließlich von Bauteilen für Verbrennungsmotoren gelebt hätten; dagegen könnten die Autohersteller Arbeiten wieder in den eigenen Werken erledigen lassen, die sie vorher ausgelagert hatten. Die Aufträge dieser Zulieferer würden nun "noch schneller wegbrechen als bisher zu erwarten war", sagte er. Die Gefahr, dass Unternehmen pleitegingen und deren Beschäftigte arbeitslos würden, wachse nun.
Während die meisten Verkehrswende-Befürworter eher auf Bus, Bahn und Fahrrad setzen, meint Hofmann, dass mit den neuen Klimazielen zwangsläufig wesentlich mehr E-Autos in der Bundesrepublik an den Mann oder die Frau gebracht werden müssen: "Statt acht bis zehn Millionen müssen dann Ende des Jahrzehnts in Deutschland 14 bis 16 Millionen Fahrzeuge mit Elektroantrieb auf der Straße sein", sagte er. Dadurch würden zwar auch neue Arbeitsplätze geschaffen - aber nicht so viele wie wegfallen. Denn einige Unternehmen würden den Wechsel zur E-Mobilität auch als Gelegenheit nutzen, Produktion ins Ausland zu verlagern. "In Deutschland gefertigte Komponenten für Verbrenner-Fahrzeuge werden durch Bauteile für E-Autos ersetzt, die in ausländischen Werken hergestellt werden".
Hofmann plädiert für eine aktive Industriepolitik der Bundesregierung: Neue Jobs sollen dort entstehen, wo die alten wegfallen. Und es gebe Regionen, die noch stark vom Verbrennungsmotor abhängig sind, "im Saarland, in Süd-Westfalen und in Thüringen". Wenn dort industrielle Wüsten und Massenarbeitslosigkeit verhindert werden sollen, müsse dort für neue Jobs gesorgt werden.
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