EEG-Novelle: "Grober Unfug"

Bei Industrierabatten wird ein wenig umgeschichtet aber der Umfang bleibt der gleiche. Eigenverbrauch soll bestraft werden, allerdings nicht bei den Großkraftwerken

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Im Bundestag stand gestern die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zur Debatte. Erwartungsgemäß erhitzten sich die Gemüter insbesondere an den geplanten Rabatten für industrielle Großbetriebe. Die Bundesregierung hatte hierzu erst am gestrigen Donnerstag den "Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Besonderen Ausgleichsregelungen für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen" vorgelegt.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel verteidigte vom Rednerpult seinen Entwurf: Den Unternehmen würden jährliche Abgaben von insgesamt rund fünf Milliarden Euro erspart. Das würde einen dreiköpfigen Haushalt über die dadurch höhere EEG-Umlage mit 45 Euro per annum belasten. Dieser Preis müsse gezahlt werden, weil andernfalls "Hunderttausende industrieller Arbeitsplätze" gefährdet würden. Caren Lay, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, sah hingegen darin "eine zynische Haltung [gegenüber denjenigen], für die 45 Euro eine Menge Geld ist".

Was ist geplant? Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sollen die privilegierten Unternehmen grundsätzlich nur 15 Prozent der EEG-Umlage zahlen. Statt der vollen 6,24 Cent, die die anderen Verbraucher hinlegen müssen, zahlen sie, wenn der Entwurf angenommen wird, im Durchschnitt also nur 0,936 Cent pro Kilowattstunde. Aber auch das nicht im vollen Umfang. Für den zu zahlenden Gesamtbetrag gibt es einen Zwei-Stufen-Deckel in Höhe von vier beziehungsweise 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung des Unternehmens.

Die konkreten Zahlungsmodalitäten sehen wie ein Anreiz zur Stromverschwendung aus: Auf die erste Gigawattstunde (eine Million Kilowattstunden) sollen die privilegierten Unternehmen die volle EEG-Umlage entrichten, auf jede weitere Kilowattstunde aber nur noch 0,1 Cent. Würde das System andersherum gestrickt, das heißt, würde die erste Gigawattstunde verbilligt und der drüber hinausgehende Verbrauch schrittweise verteuert, gäbe es einen massiven Anreiz zum Stromsparen. Es wäre natürlich etwas komplizierter, für Betriebe unterschiedlicher Größe mit unterschiedlichem Verbrauch die gleichen Bedingungen zu schaffen, aber unmöglich wäre es nicht.

Die Branchen, die von der Privilegierung profitieren sollen, sind in zwei Listen im Anhang des Entwurfs des EEG aufgeführt (ab Seite 99). An erster Stelle steht dort der Steinkohlebergbau, der ohnehin schon mit jährlichen Beträgen im unteren einstelligen Milliardenbereich aus Steuergeldern subventioniert wird. Querfinanziert werden diese Subventionen übrigens seit Zeiten der Koalition aus SPD und Grünen mit der Stromsteuer (2,05 Cent pro Kilowattstunde für private Verbraucher, viele Unternehmen können Rückerstattung beantragen), die ganz orwellesk auch gerne Ökosteuer genannt wird. Die Braunkohle wird nicht explizit aufgeführt, aber bis auf den Abbau von Eisenerz sind praktisch alle Bergbauaktivitäten explizit oder implizit als Begünstigte aufgelistet.

Ebenfalls privilegiert werden neben weiten Bereichen der Lebensmittelproduktion die Alu-, Kupfer-, Glas- und Papierindustrie und - natürlich ist man geneigt zu sagen - weite Teile der chemischen Industrie. Insgesamt umfasst die Liste, die Gabriel mit der EU-Kommission kürzlich ausgehandelt hatte, 62 Branchen. In verschiedenen Presseberichten war am Donnerstag allerdings von 68 Branchen die Rede. Auch die Hersteller von Malz erhalten die generösen Nachlässe bei der EEG-Umlage. Brauereien und Molkereien sind hingegen nicht aufgeführt. Zumindest einige von ihnen waren bisher begünstigt. Für diese aus der Privilegierung herausfallenden Betriebe gibt es eine unbefristete "Übergangsregelung": Sie müssen künftig auf die erste Gigawattstunde die volle Umlage entrichten und auf den weiteren Verbrauch 20 Prozent.

Unterm Strich, so das Bundeswirtschaftsministerium, werden die privilegierten Unternehmen fünf Milliarden Euro weniger in den EEG-Umlagefonds einzahlen, als sie müssten, wenn sie im vollen Umfang herangezogen würden. Mit anderen Worten: Von der von der Regierung versprochenen Strompreisbremse ist an dieser Stelle also nichts zu sehen, jedenfalls nicht für die privaten Verbraucher und das Kleingewerbe, die diese fünf Milliarden zusätzlich werden schultern müssen.

Die bereits oben erwähnte Caren Lay von der Linksfraktion sieht eine Täuschung der Bürger:

In Wahrheit ist aus der angekündigten Reduzierung der Rabatte nichts geworden. Neben einer Umverteilung innerhalb der Industrie und einer massiven Ausweitung der begünstigten Branchen gibt es einen saftigen und unbefristeten Bestandsschutz für die bisher schon befreiten Unternehmen. Selbst das Ministerium geht davon aus, dass es mindestens beim aktuellen Stand von über fünf Milliarden Euro bleibt. Auch in Zukunft müssen also die Rentnerin, der Student, der Bäckermeister von nebenan und andere Handwerksbetriebe sowie Geringverdienende für die Konzerne blechen.

Rückendeckung für die Regierung gab es unterdessen vom Deutschen Gewerkschaftsbund. "Der DGB unterstützt den Beschluss zur Ausgestaltung der besonderen Ausgleichsregelung ausdrücklich. Damit wird ein wesentlicher Beitrag für die Sicherung hunderttausender Arbeitsplätze in den energieintensiven Industrien geleistet. Branchen wie Stahl, Aluminium, Kupfer, Chemie, Papier, Glas, Zement oder Keramik sind auf international konkurrenzfähige Strompreise angewiesen", lässt DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel wissen.

Eigenverbrauch

  • Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Verband der Familienunternehmer befassen sich in ihrer Stellungnahme zur EEG-Debatte im Bundestag mit einer anderen Form der Konzernprivilegierung. Paragraf 58 des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für ein neues EEG sieht vor, dass künftig der Eigenverbrauch ebenfalls belastet wird. Ausgenommen sind nur Bestandsanlagen, Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung und der Eigenverbrauch von Kraftwerken.
  • Letzterer ist durchaus beachtlich: Steinkohlekraftwerke haben 2013 nach Angaben von Bruno Berger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme gut acht Prozent des erzeugten Stroms selbst verbraucht, Braunkohlekraftwerke noch sieben, AKW fünf und Gaskraftwerke drei Prozent. Doch dieser Verbrauch soll nicht belastet werden. Von Gleichbehandlung also auch hier keine Spur.
  • Nach Berechnung des vzbv wäre der kostensenkende Effekt der geplanten Belastung des Eigenverbrauchs, der vor allem Betreiber von Solaranlagen, aber auch von Kraftwärmeanlagen treffen würde, minimal. Gerade 55 Cent pro Jahr würde ein Durchschnittshaushalt sparen. vzbv-Sprecher Holger Krawinkel widerspricht der Auffassung, die Einführung der Abgabe auf Eigenverbrauch würde Ungerechtigkeiten beseitigen: "Wer seinen selbst erzeugten Strom direkt vor Ort verbraucht, statt ihn gegen eine hohen Vergütung ins Netz zu speisen, entlastet die EEG-Umlage. Von einer Entsolidarisierung der Eigenverbraucher kann daher keine Rede sein."
  • Lutz Goebel vom Verband der Familienunternehmer verweist außerdem auf die ökologisch vollkommen unsinnige Bestrafung eines eigentlich sehr sinnvollen Ansatzes: "Eigenstrom ist Energiewende pur. Deshalb setzt die Industrie in vielen Fällen auf die Stromerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung. Die ist regional und bedarf keiner zusätzlichen Netze. Eigenstrom kann die Schwankungen der Erneuerbaren ausgleichen, ist ökologisch sowie ökonomisch sinnvoll, da er ohne Subventionen auskommt. Diese definitiv vorhandenen Potentiale zu zerstören, halte ich für groben Unfug."