EU-Holzhandelsverordnung: bürokratisches Monster oder Papiertiger?

„Clear Cut“-Flächen aus Tesso Nilo. Bild: WWF

Wird Greenwashing für illegal geschlagenes Tropenholz jetzt geltendes Recht in der EU?

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Wenn es nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission geht, dann sollten in Zukunft keine Meldungen die Runde machen müssen, wie sie der WWF Anfang Dezember unter dem Titel Kahlschlag unterm Weihnachtsbaum verbreitete. Dort zeigte man anhand einer aktuellen Untersuchung, dass im Papier zahlreicher Kinderbücher Fasern aus Tropenholz enthalten waren, das offensichtlich aus illegalem Einschlag stammt. Da die Produktion vieler Kinderbücher inzwischen nach China verlagert wurde, haben die hiesigen Verlage offensichtlich nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Erwägungen auf einen Einfluss auf die Produktion verzichtet. Es ist heute kein Geheimnis, dass der zur Papierproduktion für die chinesischen Druckereien benötigte Zellstoff vielfach aus illegalem Einschlag in Indonesien stammt.

Aber auch über die Papierproduktion hinaus sind Tropenhölzer sehr beliebt. Sie gelten als witterungsbeständig und lange haltbar. So findet sich Teak bei Gartenmöbeln und beim Bau von Badmöbeln. Meranti wird vielfach im Fensterbau eingesetzt. Nicht zuletzt aufgrund des illegalen Einschlags sind die Hölzer trotz der langen Transportwege auch in Europa noch erstaunlich billig zu erwerben.

Mit der EU-Holzhandelsverordnung und den flankierenden nationalen Gesetzen soll ab dem 3. März 2013 das Inverkehrbringen von illegal geschlagenem Holz und daraus hergestellten Produkten in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verboten sein. Geht man die Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen sowie die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 607/2012 der Kommission vom 6. Juli 2012 über die detaillierten Bestimmungen für die Sorgfaltspflichtregelung und die Häufigkeit und Art der Kontrollen der Überwachungsorganisationen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen durch, dann finden sich zahlreiche Ungereimtheiten.

Zur Begründung der Verordnung stellt die Kommission fest, dass der Schutz des Tropenwaldes von großer Bedeutung ist und dass er vor illegalem Einschlag geschützt werden soll. Dies sei jedoch in bestimmten Ländern aufgrund fehlender institutioneller Strukturen in der Praxis nicht umsetzbar. Gleichzeitig geht man davon aus, dass sich in diesen Ländern Strukturen aufbauen lassen, die eine Zertifizierung von legal geschlagenem Holz ermöglichen. Aus nachvollziehbaren Gründen will sich die EU im Rahmen der Holzhandelsverordnung bei der Frage der Legalität des Einschlags auf die jeweils geltenden nationalen Gesetze der Holzexportländer verlassen.

In Deutschland erfolgt die nationale Umsetzung der EU-Holzverordnung von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Zusammenarbeit mit dem Zoll.

Von der VO (EU) Nr. 995/2010 betroffen ist ein ganzer Katalog an Holzprodukten, die auf der Grundlage der „Kombinierten Nomenklatur“ (KN) bzw. des „Warenverzeichnisses für die Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes“ aufgelistet werden. Betroffen sind damit unter anderem Rohholz (auch entrindet), Bahnschwellen, Furnierblätter, Spanplatten, Faserplatten aus Holz oder anderen holzigen Stoffen, Holzrahmen für Bilder und Fotografien und so weiter und so fort.

Ganz spannend liest sich auch die Auflistung all der Produkte, die von der Verordnung ausgenommen sind - z.B. Kleiderbügel und angespitzte Rouladenstäbchen, aber auch Bücher, Zeitungen, Bilddrucke und andere Erzeugnisse des grafischen Gewerbes. Damit dürfen die vom WWF angeprangerten Kinderbücher auch in der nächsten Zukunft noch ganz legal nach Europa importiert werden. Ausgenommen sind ausdrücklich auch Musikinstrumente sowie Teile und Zubehör für diese Instrumente. Dies verblüfft umso mehr, als der Fall des Gitarrenbauers „Gibson" in den USA gezeigt hat, dass auch renommierte Hersteller mit einschlägigen Gesetzen zum Schutz des Tropenholzes in Konflikt geraten können, weil man möglicherweise illegal eingeschlagene Hölzer aus Madagaskar und Indien für die Gitarrenproduktion verwendet hat. Inzwischen scheint man sich bei Gibson mit den zuständigen Behörden in den USA geeinigt zu haben.

Ausgenommen von den Beschränkungen der Holzhandelsverordnung ist ausdrücklich auch Verpackungsmaterial, das ausschließlich zum Stützen, zum Schutz oder zum Tragen eines anderen in Verkehr gebrachten Erzeugnisses verwendet wird. Es ist wie die darin enthaltenen Waren einzureihen (z.B. Behältnisse für Fotoapparate, Musikinstrumente, Waffen, ...). Die Frage, wie Verpackungsmaterial zolltechnisch behandelt wird, das als Ersatz für eine beschädigte Originalverpackung importiert werden soll, ist ein knappes Vierteljahr vor Inkrafttreten der Verordnung noch immer ungeklärt.

„Clear Cut“-Flächen aus Tesso Nilo. Bild: WWF

Im Zweifelsfalle wird ein Import dieser Materialien dann durch den Zoll an den jeweiligen Außengrenzen der EU verhindert. Die Schweiz ist im Falle der Holzhandelsverordnung wie andere Nicht-EU-Staaten zu behandeln. Bei der Zollabfertigung muss jeder Marktteilnehmer, der Holz und Holzerzeugnisse in den europäischen Binnenmarkt importieren (also erstmals auf dem Binnenmarkt in Verkehr bringen) will, ab kommendem März nachweisen, dass das Holz (bzw. die Holzerzeugnisse) aus legalem Einschlag stammen. Für diesen Nachweis müssen bestimmte Sorgfaltspflichten eingehalten werden.

Und spätestens bei der Sorgfaltspflichtenregelung beginnt sich das ganze zum bürokratischen Monster zu entwickeln. Denn wer annimmt, dass er sich - wenn er Produkte mit Zertifikaten, wie z.B. Forest Stewardship Council (FSC) oder „the Programme for the Endorsement of Forest Certification“ (PEFC) importiert - auf der sicheren Seite befindet, hat sich geirrt. Diese Zertifikate werden derzeit noch nicht als Nachweis der Legalität akzeptiert und können nur als Indiz für ein vernachlässigbares Risiko herangezogen werden.

Wenn alle Dokumente dafür sprechen, dass es sich bei dem zu importierenden Holz oder Holzprodukt um Ware aus legalem Einschlag handelt, können die betreffenden Produkte in die EU eingeführt werden. Jeder weitere Verarbeitungsschritt und jede Handelsstufe muss jedoch nachprüfbar dokumentiert werden, sodass die Marktüberwachung eine Rückverfolgung der einzelnen Importchargen auch später noch vornehmen kann.

Koh Kong Provinz, Kambodscha. Bild: USAID

Mit den zunehmend genauer werdenden Analysemethoden und dem Aufbau entsprechender Holzherkunftsdatenbanken soll in Zukunft lückenlos nachgewiesen werden können, ob ein Holzprodukt auf einen illegalen Einschlag zurückgeht. Hier arbeitet z.B. der WWF an der Entwicklung neuer Methoden zur Rückverfolgung der Holzherkunft. So können anhand der Isotopenzusammensetzung des Holzes bestimmte Regionen als Herkunftsland ausgeschlossen werden. Mit einer Kombination der Isotopenmethode zur Herkunftsidentifizierung und der DNA-Analyse zur Artdifferenzierung von Holz will man hier in Zukunft belastbare Aussagen zur Holzherkunft bereitstellen können. In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück geförderten Projekt von WWF, Berlin, TÜV Rheinland Agroisolab GmbH, Jülich, Universität Hamburg; Institut für Weltforstwirtschaft und dem wie die BLE zum Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zählenden Johann Heinrich von Thünen-Institut hat man die Umsetzung für tropische Regionen untersucht.

Mit der Realisierung eines belastbaren Herkunftsnachweis scheint das Problem gelöst zu sein, dass die Begleitdokumente der Holzprodukte nicht immer der Realität in der Form entsprechen, wie sie die Europäische Union fordert. Wer in Zukunft Holz aus Regionen importiert, die im Verdacht stehen, illegalen Einschlag zu ermöglichen, darf diese Ware dann nicht mehr wie bisher auf den europäischen Markt bringen oder muss sich anderweitig vor dem Risiko schützen, dass ihm rückwirkend ein Verstoß gegen die EU-Holzhandelsverordnung vorgeworfen wird. So lassen sich über eine entsprechende Deklaration zahlreiche der Ausnahmen nutzen - und notfalls ließen sich für größere Importchargen auch rechtlich eigenständige Unternehmen aktivieren. Spätestens dann wird das bürokratische Monster direkt zum Papiertiger.

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