EU: Kein Problembewusstsein für Korruption?

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EU-Kommissare lassen sich Hotelrechnungen von Katar und Marokko bezahlen. Beide Länder sind in eine Bestechungsaffäre mit der Union verwickelt. Die EU-Politiker, darunter Josep Borrell, finden an ihrem Verhalten nichts auszusetzen.

Kürzlich hat die EU-Kommission ihre "neue Antikorruptionsstrategie" vorgelegt, um die Aushöhlung der Demokratie einzudämmen. "Korruption ist wie ein Krebsgeschwür", sie töte "unsere Demokratie und das Vertrauen der Menschen in die demokratischen Institutionen", so die Begleitmusik von EU-Justiz-Kommissarin Věra Jourová.

Bei der hoch besetzten Vorstellung waren auch noch der EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas, Ylva Johansson (Inneres) und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell dabei.

Gleich drei dieser Namen tauchen gerade in einem Vorgang auf, der mindestens ein Geschmäckle hat oder sogar schon im Bereich der Bestechung eingeordnet werden könnte. Das Verhalten von Borrell, Schirnas und Johansson lässt, wie auch der Fall der Pfizer-SMS von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Sorgen hochkommen, dass es mit der neuen Antikorruptionsstrategie vielleicht nicht sonderlich weit her sein wird.

Die EU gibt sich fest entschlossen. Nach eigenen Angaben will sie noch in der laufenden Gesetzgebungsperiode verstärkt gegen Korruption, Missbrauch und organisierte Kriminalität vorgehen. Zu tun gäbe es schon etwas auf diesem Dunkelfeld, das nichts von der Transparenz wissen will, die von der EU so hoch gehalten wird.

So berichtet die Publikation Publico aktuell über Vorgänge, die kein gutes Licht auf Praktiken in der EU werfen, man könnte sie im Bereich von Bestechung argwöhnen. Politico hatte Spesenabrechnungen von EU-Kommissaren der letzten drei Jahre untersucht und fand heraus, dass sich sieben Kommissare Hotelrechnungen von ausländischen Regierungen bezahlen ließen – von Katar und Marokko.

Das geschah in einer Zeit, in der die Einflussnahme auf die europäische Politik über Katar und Marokko bekannt wurde (siehe EU-Korruptionsfall Eva Kaili: Wie aus "Katargate" ein "Marokkogate" wird). Der Skandal brachte Europaparlamentarier hinter Gitter.

Die neuen Enthüllungen werfen "neue Fragen zur Ethik in den höchsten Rängen der EU auf", so Politico. Dass man sich von Nicht-EU-Regierungen Hotelübernachtungen bezahlen lässt, darin sehen die sieben Kommissare offenbar kein Problem.

Es sei alles im "Rahmen der Regeln" geschehen, so die einhellige Antwort der EU-Kommissare, die die kostenlosen Hotelübernachtungen angenommen haben und dies damit auch nebenbei bestätigten. Neben Katar und Marokko nennt der Medienbericht auch Israel und Jordanien. Auch Usbekistan, Vietnam, Kuwait oder die Arabischen Emirate sollen sich spendabel gezeigt haben.

Die sieben Kommissare erklären, dass ihr Verhalten gängige diplomatische Praxis sei. Dabei steht im eigenen Verhaltenskodex, dass "von Dritten angebotene kostenlose Reisen nicht angenommen werden dürfen". Ausnahmen gibt es, wenn die Annahme der Begünstigung den diplomatischen Gepflogenheiten oder den Gepflogenheiten der Höflichkeit entsprechen oder der Präsident sie zuvor genehmigt hat, was natürlich eine sehr wachsweiche Formulierung ist.

"Ich denke nicht, dass das akzeptabel ist", meint Nick Aiossa, Leiter der Abteilung Politik und Interessenvertretung bei Transparency International EU. Kommissare oder Beamte sollten keine Reisen oder Vergünstigungen annehmen, fügt er an und fordert von der Kommission als Exekutivorgan "hart durchzugreifen" und die Regeln neu zu formulieren.

Das wäre zu begrüßen, ist aber nicht zu erwarten. Wie sonst kommt ein Mann wie Borrell ausgerechnet auf den Posten des Außenbeauftragten? Dass er es mit Regeln nicht so genau nimmt, ist weithin bekannt.

In Spanien wurde er verurteilt, weil er Insidergeschäfte betrieben hat. Er musste als Präsident des Europäischen Hochschulinstituts 2012 zurücktreten. Er hatte "vergessen" sein 300.000-Euro-Jahreseinkommen beim spanischen Abengoa-Konzern anzugeben, mit deren Aktien er später Insiderhandel trieb.

Der Politiker war auch in einen großen Spionageskandal verwickelt.

Und für das autokratische Marokko, das in Brüssel "hyperaktiv" agiert, lehnt er sich weit aus dem Fenster.

Auffällig in der Vorgehensweise ist, dass die große Mehrheit der Kommissare gar nicht angab, dass ein Dritter für ihre Ausgaben aufkam.

Sie haben laut Publico in den öffentlichen Reiseunterlagen lediglich vermerkt, dass auf einer bestimmten Reise "null" für die Unterkunft ausgegeben wurde.

Eine seltene Ausnahme sei Kadri Simson, die für die Energiepolitik zuständige Kommissarin. In ihren öffentlichen Unterlagen vermerkte sie im Kommentarteil, dass während einer Reise nach Ägypten im Juni 2022 die Unterkunft "von der lokalen Regierung angeboten wurde".