EU-Kommission will künstliche Intelligenz zur Überwachung nutzen

Screenshot: Video European Supercomputers/YouTube

Ein EU-Dokument vergleicht das Maschinenlernen mit der Erfindung der Elektrizität. Insgesamt sollen 20 Milliarden Euro in Forschungen zu "KI made in Europe" fließen

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Ein Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz der Europäischen Union sieht vor, Algorithmen verstärkt in den Bereichen "Migration und Infrastrukturüberwachung" einzusetzen. So steht es im Anhang der Mitteilung der EU-Kommission, die der Generalsekretär kurz vor Weihnachten an den Rat gerichtet hat. KI-basiertes maschinelles Lernen soll demnach vor allem in den Bereichen Geoinformation und Erdbeobachtung genutzt werden.

Die EU betreibt das Programm Copernicus, das aus zunächst sechs optischen und radarbasierten Satelliten besteht. Die aus dem All generierten Bilder und Geodaten werden für Umwelt- und Sicherheitsbelange genutzt. Als wichtigster Abnehmer im Sicherheitsbereich gilt Frontex, die über "Copernicus" Satellitendaten für ihr Grenzüberwachungssystem Eurosur anfordert. Auch die Überwachung des "Grenzvorbereichs" erledigt die EU-Grenzagentur unter anderem mit Satellitendaten. Eurosur ist laut Frontex jetzt schon in der Lage, mithilfe von Algorithmen verdächtige von unverdächtigen Schiffen zu unterscheiden.

Beitrag zur "faktengestützten politischen Entscheidungsfindung"

Als weitere Anwendungsgebiete von KI zur "Politikumsetzung und -überwachung" nennt die Kommission Klimawandel, Umweltschutz, Landwirtschaft, Stadtentwicklung und Cybersicherheit. Auch im Katastrophenschutz soll KI zur "faktengestützten politischen Entscheidungsfindung" eingesetzt werden.

Gemeint sind Anwendungen zur "Krisenfrüherkennung", wie sie unter anderem im Auswärtigen Amt genutzt werden. Dabei werden öffentlich verfügbare Daten unter anderem aus dem Internet oder aus Datenbanken des Ministeriums verarbeitet. Auch das Verteidigungsministerium forscht mit der Firma IBM an solchen Verfahren.

In dem Papier der Kommission werden Daten als "Rohstoff" für KI bezeichnet. Bald gilt in der Europäischen Union die neue Verordnung über den freien Verkehr nicht personenbezogener Daten. Anschließend will die Kommission große Datenbestände, "insbesondere maschinell erzeugte Daten", einheitlich formatieren und in "gemeinsamen europäischen Datenräumen" verfügbar machen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Erdbeobachtungsdaten und Informationen aus "Copernicus".

Supercomputer zum Trainieren von KI

Der "Koordinierte Plan für künstliche Intelligenz" strotzt vor euphorischen Formulierungen. So vergleicht die Kommission KI mit der Erfindung der Elektrizität. Dementsprechend weitgehend sind die Vorschläge zur Finanzierung öffentlicher und privater Maßnahmen. Als erster Schritt werden laufende Investitionen im Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizont 2020" auf jährlich 1,5 Mrd. EUR aufgestockt.

Die Mitgliedstaaten und "der Privatsektor" sind aufgefordert, in einer öffentlich-privaten Partnerschaft "ähnliche Anstrengungen unternehmen". Für die nächsten zwei Jahre soll auf diese Weise ein Investitionsvolumen von über 20 Mrd. EUR zusammenkommen. Damit sollen beispielsweise "Satellitentechnik", aber auch 5G-Mobilfunknetze, Glasfasernetze und "Cloudsysteme der nächsten Generation" ausgebaut werden. Darüber hinaus will die Kommission im nächsten Jahr Gelder "für Startups und Innovatoren" in den Bereichen KI und Blockchain bereitstellen.

Die anvisierten KI-Investitionen liegen deutlich über denen früherer Kooperationen mit der Industrie. Für die Partnerschaften im Bereich Robotik (SPARC) und für Massendatenverarbeitung (Big Data Value Association, bei denen von 2014 bis 2020 insgesamt 4,4 Mrd. EUR verausgabt werden.

Der "Koordinierte Plan für künstliche Intelligenz" soll daran anknüpfen, denn für Anwendungen im Bereich der KI werden leistungsstarke Rechenkapazitäten benötigt. Genannt wird das "Gemeinsame Unternehmen EuroHPC", in dem die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten ein Netz von Supercomputern errichten. Den Plänen zufolge werden diese zum Trainieren der KI genutzt.

Einsatz zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr

In einigen Mitgliedstaaten sollen Teststandorte für "KI made in Europe" entstehen, die auf bestehenden Exzellenzzentren aufbauen. Gefördert werden beispielsweise grenzüberschreitende 5G-Korridore für vernetztes und autonomes Fahren die Erprobung "intelligenter Krankenhäuser in realem Maßstab und unter wirklichkeitsnahen Bedingungen". Geplant sind außerdem Pilotprojekte in den Bereichen Energie, Gesundheitsversorgung, Fertigung, Geoinformation und Landwirtschaft.

Laut der kürzlich veröffentlichten deutschen "Strategie Künstliche Intelligenz" könnten selbstlernende Algorithmen auch in der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr eingesetzt werden, etwa im Predictive Policing, der Erkennung von verbotenen Inhalten im Internet und zur Bildung von Personenprofilen durch Auswertung Sozialer Medien.

Auch die Kommission spricht davon, KI könne bei der "besseren Aufdeckung und Untersuchung krimineller Machenschaften" helfen. Genannt werden Geldwäsche und Steuerbetrug. Der "Koordinierte Plan für künstliche Intelligenz" unterstützt damit die Pläne, die grenzüberschreitende Nutzung von Finanzinformationen auszuweiten.

Daten aus zentralen Bankkontenregistern sollen einem Richtlinienvorschlag zufolge nicht nur zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus verwendet werden, sondern auch zur Verfolgung von schweren Straftaten.

Der "Koordinierte Plan für künstliche Intelligenz" wurde von den Mitgliedstaaten sowie Norwegen, der Schweiz und der Kommission entworfen. Er zementiert einen strategischen Rahmen für KI-Strategien in den Mitgliedstaaten, wie sie außer Deutschland, Finnland, Frankreich, Schweden und Großbritannien bereits beschlossen haben.

Alle übrigen Mitgliedstaaten werden nun aufgerufen, bis Mitte 2019 ebenfalls eine nationale KI-Strategie aufstellen und die Investitionen sowie Umsetzungsmaßnahmen beschließen. Bindend sind diese Appelle bei Mitteilungen der Kommission jedoch nicht.

Abschlussbericht im März

Die Forschung, Entwicklung und Einführung von Anwendung zur Künstlichen Intelligenz haben mitunter große rechtliche und ethische Bedeutung. So wird auch ihre Nutzung für autonome Waffensysteme von der Kommission nicht ausgeschlossen. Betont wird aber, dass es sich hierbei nur um eine Teilautonomisierung handeln kann und Entscheidungen über die Anwendung tödlicher Gewalt am Ende einer menschlichen Kontrolle unterliegen muss.

Eine Hochrangige Gruppe zu Künstlicher Intelligenz hat jetzt einen Entwurf für ethische Richtlinien zum Einsatz von KI veröffentlicht. Im März soll der Abschlussbericht mit Empfehlungen vorliegen. Dabei sollen besonders mögliche Anwendungen in den Bereichen medizinische Diagnose und Behandlung, Autonomes Fahren, Versicherungenprämien und Strafverfolgung berücksichtigt werden.