EU-Quellen: Massiver Dissens zwischen Mitgliedsstaaten über Ölpreisdeckel

Seite 2: Ölpreisdeckel wirkt: EU-Tankerflotte schrumpft

Die Preisbegrenzung für russisches Erdöl, das über den Seeweg ausgeliefert wird, könnte vor allem die maritimen EU-Nationen wirtschaftlich erheblich belasten. Nach Informationen diplomatischer Quellen in Brüssel haben allein seit August 60 Tanker, die bislang in Malta gemeldet waren, ausgeflaggt.

Bei den Beratungen über die offenbar äußerst kurzfristig präsentierte Vorlage der EU-Kommission zum Ölpreisdeckel hatten angesichts dieser Entwicklung vor allem die Vertreter von. Griechenland, Malta und Zypern Bedenken angemeldet.

Weil die vom Seehandel wirtschaftlich stark abhängigen südeuropäischen Länder gegenüber den Binnenstaaten weitreichende Nachteile befürchteten, hatten sie bei den Abstimmungen in Brüssel in den vergangenen zwei Wochen auf eine Preisbegrenzung von 75 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) für russisches Tankeröl gedrängt. Vor allem die polnische Delegation sei daraufhin mit dem "erkennbar provozierenden" Preisvorschlag von 30 US-Dollar pro Barrel vorgeprescht, merkt nun ein beteiligter Diplomat an.

Wegen der massiven Kontroversen hatten die Abstimmungen bis kurz vor Bekanntgabe des Ölpreisdeckels am Freitag angedauert. Die maritimen südeuropäischen Staaten lenkten am Ende unter anderem ein, weil der Preisdeckel alle zwei Monate überprüft wird und so sie Möglichkeit zur stetigen Korrektur besteht.

Während Ungarn weiterhin auf Ausnahmegenehmigungen pochte, versuchte der Kabinettschef von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Björn Seibert, die Kritiker zu beschwichtigen, heißt es aus Brüssel. Es gehe bei dem Ölpreisdeckel auch darum, russisches Erdöl trotz des andauernden Krieges in der Ukraine auf dem Markt zu halten, so Seibert bei der Präsentation des Vorhabens vor zwei Wochen vor EU-Botschaftern.

Offiziell argumentiert die Kommission vorrangig mit der Sanktionierung Russlands und der Schmälerung der Gewinne aus dem Erdölgeschäft.

Am Freitag hatten sich nach vorherigen Absprachen auch die Mitgliedsstaaten der Gruppe der Sieben (G7) und Australien dem Ölpreisdeckel der EU angeschlossen. Bezüglich der Wirksamkeit der gemeinsamen Marktmacht bestehen es in der EU aber Zweifel: Die dem Ölpreisdeckel gegenüber kritisch eingestellten Seehandelsstaaten befürchten, dass nun zahlreiche Tanker auf Länder wie Panama, Libyen oder die Marshallinseln umflaggen. Selbst der Einfluss der USA auf diese Staaten sei begrenzt, hieß es nach Angaben eines beteiligten Diplomaten aus Zypern.

Die russische Regierung gab indes bekannt, man werde nach der Einführung des Ölpreisdeckels durch EU und G7 neue Versicherungssysteme schaffen, um die eigene Tankerflotte am Laufen zu halten.

Der Überseehandel mit russischem Erdöl sehe "schwierigere Bedingungen" entgegen, gestand der stellvertretende Premierminister Alexander Nowak nach Angaben der Nachrichtenagentur Ria Nowosti ein: "Dennoch verkaufen wir weiterhin Öl und werden dies auch in Zukunft tun."

Derzeit würden neue Instrumente und Versicherungsmechanismen geschaffen, gleiches gelte für die Zusammenarbeit zwischen Förder- und Transportstrukturen, so Nowak weiter, der auf eine Veränderung des Marktes verwies: "Die großen Händler sind, wie Sie wissen, verschwunden, heute sind mehr Händler als früher aktiv, auch im Verkauf von russischem Öl."

Der Ölpreisdeckels zielt politisch darauf ab, die zuletzt stark gestiegenen Einnahmen Russlands aus dem Erdölgeschäft zu schmälern. So solle verhindert werden, dass Moskau von dem Krieg gegen die Ukraine sogar noch profitiere. Der Ölpreisdeckel ist am gestrigen Montag zeitgleich zu einem EU-Embargo für russisches Rohöl in Kraft getreten.

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