EU: "Sonderabgaben" auf Stahleinfuhren
Branchenverband EUROFER macht für Einfuhrsteigerungen einen durch US-Zölle gestiegenen "Absatzdruck" verantwortlich
Gestern stimmten die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten einem Plan der EU-Kommission zu, der vorsieht, dass vorerst bis Juli 2021 "Sonderabgaben" auf die Einfuhr von "Stahlprodukten" erhoben werden. Diese bereits provisorisch eingeführten Sonderabgaben bestehen aus einem 25-prozentigen Zusatzzoll, der auf diejenigen Stahlimporte erhoben wird, welche das Durchschnittsimportvolumen der vergangenen drei Jahre überschreiten.
Der Kommission zufolge ist das eine Reaktion auf die Zölle, welche die USA seit dem letzten Jahr erheben (vgl. Amerikanische Stahl- und Aluminiumzölle sollen in zwei Wochen gelten). Sie soll "europäische Hersteller vor schwerwiegenden Marktverzerrungen schützen", indem sie den Stahl besteuert, den Drittexporteure dem europäischen Stahlindustrieverband EUROFER nach wegen der US-Zölle mit größerem Druck auf dem europäischen Markt absetzen. 2018 waren das dem Verband nach etwa 18 Prozent von insgesamt 47,8 Millionen Tonnen Stahl.
"Erst einmal nur eine Behauptung"
Inwieweit die US-Zölle tatsächlich ursächlich für den Anstieg der Stahlimporte nach Europa sind, ist insofern unklar, als man nicht weiß, wie die Entwicklung ohne sie verlaufen wäre. Dass sich handelspolitische Instrumente nicht immer so auswirken, wie Ökonomen und Politiker das erwarten, zeigen aktuell die neuen chinesischen Handelsbilanzen, aus denen hervorgeht, dass der chinesische Überschuss beim Handel mit den USA trotz der neuen amerikanischen Zölle um 17,2 Prozent auf 323,3 Milliarden Dollar anstieg, während er insgesamt um 16,2 Prozent auf knapp 351,8 Milliarden Dollar zurückging.
Den Zahlen der chinesischen Zollbehörde nach nahmen amerikanischen Exporte nach China 2018 zwar um 0,7 Prozent zu - aber die chinesischen Exporte in die USA wuchsen mit 11,3 Prozent deutlich stärker. Im Verhältnis zu anderen Ländern lief es dagegen umgekehrt: Insgesamt stiegen die Importe nach China nämlich um 15,8 Prozent und die Exporte aus China nur um 9,9 Prozent.
Dass wegen der US-Zölle "mehr Stahl auf dem europäischen Markt landet, ist erst einmal nur eine Behauptung" meint Rolf Langhammer, der ehemalige Vizepräsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Stahl ist seinen Ausführungen in der Wirtschaftswoche nach nämlich "kein standardisiertes Rohprodukt, das beliebig auf verschiedene Märkte geworfen werden [kann]": "Es gibt Qualitätsunterschiede beim Stahl und verschiedene Weiterverarbeiter benötigen unterschiedlichen Stahl" (vgl. Beteiligungsverbot aus "sicherheitspolitischen Gründen").
Die Argumentation der EU-Kommission, dass "die EU-Stahlzölle keine Strafzölle gegen China" seien, sondern "nur verhindern [sollen], dass der vom US-Markt ferngehaltene überschüssige Stahl in der EU landet", hält Langhammer für problematisch, weil ein "Dominoeffekt" entstünde, wenn alle Territorialeinheiten so handeln. Gabriel Felbermayr, der Außenwirtschaftschef des Münchner Ifo-Instituts, hält die Sonderabgaben sogar für "kontraproduktiv" und nicht für einen "Ausdruck ökonomischer Vernunft", sondern für einen "der Lobbystärke der Stahlbranche".
Automobilbranche besorgt
Von dieser Stahlbranche, die unter anderem in Jean-Claude Junckers Heimatland Luxemburg eine Rolle spielt, gibt es bislang noch keine Stellungnahme zur gestrigen Entscheidung - auch nicht auf Nachfrage von Telepolis. Dafür hat sich der europäische Fahrzeugherstellerverband ACEA zu Wort gemeldet. Sein Generalsekretär Erik Jonnaert spricht von einem "realen Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autobauer", die nun mit steigenden Materialpreisen rechnen müssen.
Hinzu kommen die von Donald Trump angedrohten Zölle auf europäische Automobile, die noch nicht vom Tisch sind. Bei einem Treffen mit den Vertretern der deutschen Automobilhersteller Daimler, BMW und Volkswagen regte Donald Trump im Dezember an, dass die Unternehmen am besten damit reagieren, dass sie ihre Produktion in die USA verlagern (vgl. "Baut sie hier"). Den Ruf, mehr in den USA zu produzieren, hörten die deutschen Autohersteller bereits vor Trumps Amtsantritt. Und sie folgten ihm auch:
BMW etwa hat seine weltweit größte Fabrik inzwischen nicht mehr in Dingolfing oder in München, sondern in Spartanburg, South Carolina, wo im letzten Jahr über 400.000 SUVs gefertigt wurden, von denen 70 Prozent in den Export gingen. Aktuell sucht das Unternehmen nach einem zweiten amerikanischen Standort für ein Motoren- und Getriebewerk. Daimler brachte es in Tuscaloosa, Alabama 2018 auf 300.000 Fahrzeuge und hat dort im Oktober mit dem Bau einer Batteriefabrik begonnen. VW produzierte im selben Zeitraum in Chattanooga, Tennessee 150.000 Fahrzeuge und will dort 800 Millionen Dollar investieren, um Elektroautos herzustellen, wozu Trump der Stadt und dem Bundesstaat am Dienstag auf Twitter öffentlich gratulierte. In Deutschland wird VW währenddessen bis zu 23.000 Stellen streichen.
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