EU: Von der Leyen im Paralleluniversum
Seite 2: Was nicht zur Sprache kommt
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Erwartungsmanagement und Klientelpolitik - das waren die Leitmotive der Soteu-Rede 2023. Von der Leyen wollte es allen recht machen und es sich mit niemandem verscherzen. Wobei der Blick wohlgemerkt nach innen ging, in die Brüsseler Blase und den exklusiven Kreis der EU-Entscheider.
Einem normalen Bürger wäre diese Rede nicht zuzumuten, sie richtete sich eigentlich nur an Insider.
In diesem "Inner Circle" gibt es einige Gewissheiten, die "gesetzt" sind und nicht hinterfragt werden dürfen. Dazu zählt selbstverständlich der "Angriffskrieg" Russlands, den die EU gar nicht genug verurteilen kann - aber auch die Unterstützung der Ukraine, die ausgebaut und auf Dauer gestellt werden muss. Die Hilfe darf weder vom realen Kriegsgeschehen noch vom Ausgang der Europawahl erschüttert werden.
Nur so lässt sich erklären, dass von der Leyen mit keinem Wort auf die schleppende Gegenoffensive eingegangen ist - und dass sie auch nicht ansatzweise versucht hat, die enormen Finanztransfers nach Kiew und die massive Waffenhilfe zu rechtfertigen.
Diese kritischen Themen, die im US-Wahlkampf zu Recht für Aufregung sorgen, werden in der EU tabuisiert. Von der Leyen sparte sie einfach aus.
Wie lange soll der Krieg noch weitergehen? Ist eine Fortsetzung im europäischen Interesse? Hat die EU genug Ressourcen, um die Ukraine noch über Jahre zu unterstützen - oder droht ein "Mission Creep", eine unkontrollierte Ausweitung von Aufgaben und Ausgaben?
Ein kritisches Publikum hätte diese und viele andere Fragen gestellt. Im Europaparlament kamen sie nicht zur Sprache.
Der Ruf der Geschichte und die Bevölkerung
Und so konnte von der Leyen am Ende ungestört ins Pathetische und Utopische abschweifen. Sie forderte die EU auf, den "Ruf der Geschichte" zu erhören und alles zu tun, um die Ukraine und weitere Länder aufzunehmen.
Eine Union mit mindestens 30 Mitgliedsländern werde ein "Katalysator für den Fortschritt" sein, behauptete sie. Es klang wie eine Flucht nach vorn. Denn ein Beitrittsdatum fehlt, ein Plan zur Umsetzung auch.
Während ihr die Realität entgleitet, sucht die ungeliebte EU-Chefin ihr Heil in einer fernen Zukunft. Und das in ihrer womöglich letzten großen Rede - denn ob von der Leyen nach der Europawahl noch mal antritt, ist nach der Soteu 2023 genauso unklar wie zuvor.
Die Stimmung ist schlecht: Nach einer Umfrage von Table.Media sind 60 Prozent der Deutschen gegen eine zweite Amtszeit.