EU-Währungspolitiker Gualtieri ist neuer italienischer Finanzminister

Gruppenbild vom neuen Kabinett. Foto: Presidenza della Repubblica

M5S-Capo Luigi Di Maio wechselt vom Arbeits- in das Außenministerium

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Italien hat seit gestern eine neue Regierung - das Kabinett Conte II. Ihm gehören neben neun Politikern der Fünf-Sterne Bewegung (M5S) und acht der sozialdemokratischen PD auch zwei Unabhängige und ein Mitglied der PD-Abspaltung Liberi e Uguali (LeU) an: Gesundheitsminister Roberto Speranza, mit dessen Berufung sich die Koalition eine Mehrheit im Senat sichert (vgl. Koalition aus M5S und PD überspringt Online-Abstimmungs-Hürde).

Mit besonders großer Spannung wurde erwartet, wer dem bisherigen Innenminister Matteo Salvini nachfolgt: Es ist die parteifreie 66-jährige Juristin Luciana Larmorgese. Die Süditalienerin wird eher der PD zugerechnet, weil sie die rechte Hand des letzten sozialdemokratischen Innenministers Marco Minniti war, bis dieser am 1. Juni 2018 abtreten musste. Der andere Unabhängige im Kabinett ist Umweltminister Sergio Costa, der seinen am 1. Juni 2018 angetretenen Posten behält.

M5S: Nur zwei blieben im Kabinett, nur einer auf seinem Posten

Selbiges gilt für den M5S-Minister Alfonso Bonafede (Justiz). Neu im Amt sind die M5S-Minister Stefano Patuanelli (ein Ingenieur aus Triest, der sich künftig um die wirtschaftliche Entwicklung kümmern soll), Nunzia Catalfo (eine sizilianische E-Learning-Expertin, die Arbeits- und Sozialministerin wird), Federico D'Incà (ein Computerverwaltungssystemanalyst aus Venetien, der für die Beziehungen zum Parlament zuständig ist), Fabiana Dadone (eine Juristin aus dem Piemont, die Verwaltungsministerin wurde), Vincenzo Spadafora aus Neapel (der bisherige Staatssekretär für Chancengleichheit, der jetzt Minister für Jugend und Sport ist), der römische Ökonomieprofessor Lorenzo Fioramonti (der Bildungsminister wurde) und die Turiner Innovationsmanagementprofessorin Paola Pisano, die das Technologieministerium übernimmt.

Ein alter Minister mit neuem Aufgabenbereich ist der M5S-Capo Luigi Di Maio, der vom Arbeits- in das Außenministerium wechselt. Für manche Medien kommt das unter anderem deshalb überraschend, weil der 33-Jährige durch sein Treffen mit französischen Gelbwesten im Februar für eine diplomatische Verstimmung zwischen der französischen und der italienischen Staatsführung sorgte, die bis zum Rückruf des französischen Botschafters ging. Darüber hinaus gilt Di Maio als Befürworter der in Brüssel eher unbeliebten Neuen Seidenstraße Pekings (vgl. "Heute sagen wir: Italien zuerst!").

Dass seine Englischkenntnisse angeblich begrenzt sind, ist ein Mangel, mit dem in der Vergangenheit auch andere Außenminister gut zurechtkamen (vgl. "Es ist Deutschland hier!"). Dafür gibt es Dolmetscher. Als problematischer könnten sich mangelhafte Geografie- und Geschichtskenntnisse erweisen, falls Di Maios Verortung von Augusto Pinochet in Venezuela anstatt in Chile nicht nur ein Flüchtigkeitsfehler gewesen sein sollte.

PD-Chef Zingaretti nicht im Kabinett - aber eine enge Vertraute

Für die PD ziehen ihr stellvertretender Parteisekretär Lorenzo Guerini (Verteidigung), die enge Nicola-Zingaretti-Vertraute Paola De Micheli (Infrastruktur), Romano Prodis ehemaliger Ministerratschef Francesco Boccia (Autonomie und Regionen), der Parteifunktionär Vincenzo Amendola (Europa), die Gewerkschaftsfunktionärin Teresa Bellanova (Landwirtschaft), der ehemalige und jetzt erneute Kultur- und Fremdenverkehrsminister Dario Franceschini, der Meridionalist Giuseppe Provenzano (Süditalien), die Mathematikerin Elena Bonetti (Familie) und Roberto Gualtieri ins Kabinett ein.

Der 53-Jährige ist der ehemalige Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im EU-Parlament und nun in der italienischen Regierung für Wirtschaft und Finanzen zuständig. Dass er diesen Posten bekam, gilt als Signal nach Brüssel und als Ausdruck einer Hoffnung, dass sich die Beziehungen dorthin auf persönlicher Ebene verbessern lassen. Ob diese Hoffnung berechtigt war, wird sich möglicherweise schon bald zeigen.

Brüssel fordert 20 Milliorden Euro an Einsparungen oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 22 auf 25 Prozent

Denn die EU erwartet im anstehenden italienischen Haushaltsplan für 2020 Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro. Kann Rom diese Einsparungen nicht glaubhaft nachweisen, soll es die Mehrwertsteuer von 22 auf 25 Prozent anheben müssen. Für die am Boden liegende italienische Wirtschaft wäre das - vorsichtig formuliert - ein Risiko. Die Finanzmärkte geben sich gestern diesbezüglich aber eher optimistisch und ließen die Zinsen für italienische Staatsanleihen sinken und die Kurse für Aktien steigen.

Ob der für diesen Posten gehandelte ehemalige Ministerpräsident Paolo Gentiloni Roms Vertreter in der EU-Kommission wird (und ob er dann den von Conte ausgehandelten Wettbewerbs- oder einen anderen Posten bekommt), steht wahrscheinlich erst nächste Woche sicher fest, wenn die designierte neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr 26-köpfiges Team vorstellt.

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