EU versucht Handel mit Konfliktrohstoffen einzuschränken

Die USA haben es im Dodd-Frank-Act vorgemacht; jetzt schlägt auch die EU-Kommission ein System zur Selbstzertifizierung von Einfuhren bestimmter Rohstoffe vor

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Als Präsident Obama im Juli 2010 den Dodd-Frank-Act unterzeichnete, waren viele Menschenrechtsorganisationen guter Dinge. Denn neben Bestimmungen für eine Finanzmarkt- und Bankenkontrolle, enthielt das Gesetz auch Regelungen zum Handel mit sogenannten Konfliktrohstoffen. Bei Gold, Wolfram, Zinn und Coltan, sofern es aus der Demokratischen Republik Kongo stammte, sollte fortan nachgewiesen werden, dass durch den Abbau keine Milizen oder Rebellengruppen finanziert wurden. Das Ziel war, den seit Jahren andauernden Bürgerkrieg in der Region an den Großen Seen finanziell auszutrocknen.

Der Dodd-Frank-Act verpflichtete alle an amerikanischen Börsen notierten Unternehmen, die Herkunft, der in ihren Produkten verwendeten Metalle nachzuweisen.

Für den Arbeitskreis Rohstoffe (AK Rohstoffe), ein Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen, war er daher zu Beginn eine durchaus positive Entwicklung. So heißt es in einer aktuellen Stellungnahme:

Die Regulierung hat seit ihrer Verabschiedung im Juli 2010 entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine neue Dynamik erzeugt und vor Ort zum Entstehen vielversprechender Initiativen wie der Conflict Free Tin Initiative (CFTI) oder Solutions for Hope (SfH) beigetragen. Diese freiwilligen Initiativen haben als Reaktion auf die verbindliche Regulierung das Angebot an ‚konfliktfreien‛ Rohstoffen erhöht und namhafte Unternehmen wie Apple, HP oder Philips haben mittlerweile die Namen ihrer Schmelzen veröffentlicht, von denen sie ihre Rohstoffe beziehen.

Im Gegenzug jedoch zeigten sich zunehmend auch die Nachteile des Gesetzes: Für die Industrie wurde es immer schwieriger, die entsprechenden Nachweise für die Industriemetalle zu bekommen. Ein Großteil der abgebauten Metalle gelangt über Schmuggel und kriminelle Zwischenhändler auf die Märkte. Ein lückenloser Nachweis über die Herkunft der Rohstoffe ist so nicht zu erbringen.

Viele Unternehmen waren auf das Gesetz unzureichend vorbereitet und haben aus Angst vor Imageschäden die Region beim Rohstoffbezug komplett gemieden. Darunter litten vor allem die Menschen, die mit dem Kleinbergbau ihren Lebensunterhalt verdienten. Verstärkt wurde dies durch das Verbot des Kleinbergbaus in den Provinzen Nord-und Süd-Kivu sowie in Maniema durch Präsident Laurent Kabila im September 2010. Mit diesem Gesetz wollte der Präsident den illegalen Abbau und Schmuggel von Rohstoffen sowie die Konflikte eindämmen. Doch das Gegenteil geschah: Der legale Bergbausektor brach zusammen, die illegalen Tätigkeiten nahmen drastisch zu.

AK Rohstoffe

Die EU-Kommission will nun die Lehren aus dem Dodd-Frank-Act ziehen und eine eigene Initiative zum Handel mit Konfliktrohstoffen beschließen. In einer Abstimmung des EU-Parlaments Ende Februar unterstützte eine Mehrheit der Abgeordneten einen Vorschlag, der europäische Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen will bei ihren Handelsgeschäften mit Industriemetallen.

Lobbyarbeit gegen einen zu scharfen Entwurf

Michael Reckordt, der Koordinator des AK Rohstoffe, sieht darin eine einmalige Chance der EU-Kommission, mit einer gesetzlich verbindlichen Einführung von Sorgfaltspflichten ihrer Verantwortung gegenüber Menschenrechten gerecht zu werden - mit freiwilligen Verpflichtungen seien in den letzten Jahren keine Verbesserungen erreicht worden.

Ob es letztendlich zur Verabschiedung eines europaweit geltenden Gesetzes kommen wird, ist ungewiss. Derzeit versuchen verschiedene Lobbygruppen Einfluss auf die Entscheidung der EU-Kommission zu nehmen. So heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) von Juli 2013:

Dies [eine Regelung zum Handel mit Konfliktrohstoffen (der Autor)] wäre mit der Einführung von Sorgfaltspflichten für europäische Akteure in der Rohstofflieferkette verbunden und würde eine erhebliche Kostenbelastung für das verarbeitende Gewerbe über die gesamte Wertschöpfungskette, insbesondere des Mittelstandes, bedeuten. Eine unabhängige Studie der Tulane-Universität schätzt, dass allein die Implementierungskosten des Dodd-Frank-Act 1502 für die Unternehmen knapp acht Milliarden US-Dollar betragen dürften.

Daneben hat der BDI eine eigene Studie bei Öko-Institut in Freiburg in Auftrag gegeben. Der Autor der Studie gab sich in einem Interview mit Faire Computer denn auch deutlich skeptisch gegenüber allzu rigiden Maßnahmen:

Wenn wir all unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass ja keine Konfliktrohstoffe mehr in unsere Produkte gelangen, dann erlangen wir vielleicht ein reines Gewissen, nützen tut es aber zuallererst einmal den global tätigen Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die viel Geld mit der Nachweisführung verdienen.

"Nicht weitreichend genug"

Michael Reckordt kritisiert dagegen, dass der EU-Entwurf "nicht weitreichend genug ist". Der Einfluss auf Unternehmen sei doch sehr beschränkt. In seiner Kritik am EU-Verordnungsentwurf führt Reckordt mehrere Mängel auf; zu Wort kommen Einwände einer Reihe von NGOs. Kritisert wird u.a., dass sich die EU-Kommission in ihrem Entwurf auf Zinn, Wolfram, Tantal und Gold beschränkt.

Damit würde missachtet, dass auch andere Rohstoffe Konflikte antreiben, wird Astrid Scharma von Pax zitiert: "Unsere Studien zeigen, dass in Kolumbien der Abbau von Kohle bewaffnete Gruppen finanziert und diese den Tod von tausenden Menschen verursacht haben. Auch wurden mindestens 60.000 Menschen allein im Departamento del Cesar durch den Konflikt vertrieben."