EZB bestimmt was "grün" ist?
Ein Gastkommentar: Die "Öko EZB" will ihre Geldpolitik mehr auf den Klimawandel ausrichten und betreibt damit Industriepolitik
Die EZB mutiert immer mehr zum Tausendsassa. Erst wurden Banken gerettet, dann der Euro, Griechenland, Italien, dann die Finanzmärkte und zuletzt die ganze EU. Wer aber denkt, dass dies das Ende der Fahnenstange sei, der hat sich gewaltig getäuscht.
Jetzt will sie auch noch das Klima zu retten! Ja, Sie lesen richtig! Die EZB will immer Größeres erreichen, auch wenn sie nach unserer Auffassung bisher mit allen Rettungsorgien versagt hat. Ist das Hybris? Ist das spätrömische Dekadenz oder einfach nur purer Aktionsmus? Ist das eine Mandatsüberschreitung? Darf die EZB das überhaupt? Fragen über Fragen. Das wäre ungefähr so, wie wenn die SNB (Schweizerische Nationalbank) anfangen würde, sich für bedrohte Tierarten stark zu machen oder der Alterung den Kampf ansagt.
Doch zurück zur EZB. Zuerst wurden unter anderem Staatsanleihen von faktisch bankrotten Staaten wie Italien, Griechenland… erworben, dann folgten Unternehmensanleihen von ebenso faktisch bankrotten Unternehmen wie beispielsweise italienische Banken, vom Volksmund auch gerne Zombieunternehmen genannt, und jetzt soll die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des Klimawandels konkret in Aktion treten.
Nichts weniger als die gesamte geldpolitische EZB-Strategie soll auf den Prüfstand. Offenkundig will die EZB jetzt mit einer neuen "grünen" Geldflut, für die die Steuerzahler der Euroländer über ihre Notenbanken haften, das Klima retten. Kann das denn gut gehen?
Planwirtschaft 2.0
Die Zeiten des Kapitalismus, in dem der Markt alles regelt, sind längst passé. Die Devise lautet nach unserer Beobachtung und Einschätzung "Sozialismus und Planwirtschaft", obwohl eben diese in der Vergangenheit bekanntlich noch kein Land Europas in den volkswirtschaftlichen Olymp, sondern an den Rand des Bankrotts befördert hat. Aber auch weltweit ist die Erfolgsbilanz der Planwirtschaft gelinde gesagt miserabel.
Venezuela und Nordkorea sind abschreckende Beispiele. Aber egal, heute soll augenscheinlich das Heil in der Planwirtschaft liegen. Die Eurozone befindet sich in unseren Augen unverkennbar immer weiter auf dem Weg in die Planwirtschaft - der Planwirtschaft der Notenbank EZB. Jetzt soll diese Planwirtschaft auch noch einen grünen Anstrich bekommen! Erst wurden die Banken gerettet, jetzt wird das Klima mit der Notenbankpresse gerettet.
Die neuen Masters of the Universe sind erkennbar nicht mehr Investment-, sondern heutzutage Notenbanker. Laut den Europäischen Verträgen ist das vorrangige Ziel der EZB die Gewährleistung der Preisstabilität. Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde sieht diesen Sachverhalt bekanntermaßen grundlegend anders. Sie will die Geldpolitik auf "Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit als zusätzliche Kernaufgaben" ausrichten.
Noch weiß keiner wieviel zusätzliches Geld aus dem Nichts die EZB unter ihrer neuen Königin Lagarde, hervorzaubern zu beabsichtigt und um wie viele Euros mehr die gigantische Notenbankbilanz weiter aufgebläht wird. Offensichtlich ist man bei der EZB nach wie vor davon überzeugt, dass man mit Gelddrucken Probleme lösen kann. Dieser Sachverhalt ist jedoch grundlegend falsch. Sie lassen sich keinesfalls lösen, sondern lediglich in die Zukunft verschieben.
EZB entscheidet zukünftig, was "grün" ist
Mit dem Einstieg in die Klimapolitik betreibt die EZB Industriepolitik. Es kann nicht sein, dass die EZB entscheidet, was "grün" ist und lediglich jener Kredit erhält, welcher für die EZB passende Investitionen tätigt. Auch das EZB-Ratsmitglied - und Bundesbankpräsident - Jens Weidmann sieht vollkommen zu Recht jeden Versuch, die geldpolitischen Maßnahmen der EZB zur Bekämpfung des Klimawandels umzuleiten, "sehr kritisch".
Sollte die EZB bewusst im Rahmen ihrer planwirtschaftlichen Maßnahmen dennoch "grüne" Anleihen kaufen, dann ist der Grundsatz der Marktneutralität nicht mehr gegeben. Denn die EZB darf mit ihren Anleihekäufen weder einzelne Unternehmen noch Staaten bevorzugen. Abgesehen davon, wie beabsichtigt die EZB zu prüfen, welche Konzerne tatsächlich "grün" sind und welche lediglich Greenwashing betreiben, damit die EZB ihre Anleihen kauft und die Konzerne dank der billigen Kredite nur einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz erschlichen haben?
Der Kampf gegen den Klimawandel ist die Aufgabe von Regierungen und Parlamenten auf Landes- sowie EU-Ebene, aber gewiss nicht die Aufgabe einer Notenbank. Denn klimapolitische Maßnahmen, die maßgeblichen Einfluss auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft haben, sind von Politikern zu bestimmen, welche vom Wähler ge- und abgewählt werden können, aber gewiss nicht von Notenbankern, die keiner von uns gewählt hat und die niemals für ihr Tun zu Verantwortung gezogen werden können. Die Unabhängigkeit der Notenbanken war bestimmt nicht dazu gedacht, dass diese ihre eigenen Mandate kontinuierlich erweitern.
Nicht nur wir, sondern auch der langjährige EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing kommen zu dem Schluss:
Eine "grüne" Geldpolitik kann es nicht geben. Ein Politikbereich, der weit außerhalb des eigentlichen Mandats der Notenbanken liegt, hat in der Geldpolitik nichts zu suchen. Entsprechende Versuche werden unweigerlich ein mehr oder weniger schlimmes Ende nehmen.
Otmar Issing, EZB-Chefvolkswirt
Die beiden Ökonomen, Querdenker und nun fünffachen Bestsellerautoren haben zuletzt das Buch "Der größte Crash aller Zeiten - Wirtschaft, Politik, Gesellschaft. Wie Sie jetzt noch Ihr Geld schützen können" im Eichborn Verlag veröffentlicht (und sind damit aus dem Stand auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste gelandet).
Weitere Informationen zu den Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich finden Sie unter: www.friedrich-weik.de, auf Facebook, YouTube, Instagramm und Twitter.