Ehen mit Minderjährigen: Andere Länder, andere Sitten

Seite 2: Was bedeutet Ehe nach Scharia-Recht?

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Fragen werden aufgeworfen, für die das bundesdeutsche Rechtssystem (noch) keine Antworten hat. Dabei scheint es, dass die juristischen Probleme der Zukunft im Frühmittelalter begründet sind. Denn die nach Scharia-Recht gegründeten Ehen gehen zurück auf die Geschichte des Propheten Mohammed, der um 625 n. Chr. herum seine dritte und jüngste Ehefrau Aischa geheiratet haben soll:

Nach den Bestimmungen orthodoxer islamischer Rechtsschulen dürfen Mädchen ab neun Jahren heiraten. Diese Rechtsschulen orientieren sich an der Ehe des Propheten Mohammeds mit seiner dritten Frau Aischa, die nach islamischer Überlieferung (Hadith) zum Zeitpunkt des Erschließungsvertrages sechs Jahre und bei der Hochzeit neun Jahre alt gewesen sein soll. ... Es wird angenommen, dass die Ehe mit neun Jahren auch vollzogen wurde.

Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher hat sich dieses Scharia-Recht im Hinblick auf Selbstbestimmung und Freiwilligkeit der jungen Bräute angesehen:

Offensichtlich scheint von Seiten der Rechtsgelehrten denjenigen Überlieferungen größeres Gewicht zugebilligt worden zu sein, die die Verheiratung der Braut durch ihren männlichen Vormund befürworten und deren eigene Zustimmung nicht als notwendige Voraussetzung für die Eheschließung betrachten. So haben die vier sunnitischen und die wichtigste schiitische Rechtsschule der Zwölferschiiten hinsichtlich des Mitspracherechts der Frau bei ihrer Eheschließung im Kern nur wenig unterschiedliche Regelungen getroffen und deren rechtlich-konstitutive Komponente grundsätzlich in die Hände des Vormunds gelegt. Zwar beziehen alle Rechtsschulen die Zustimmung der Braut in ihre Überlegungen mit ein, ja halten diese Zustimmung sogar für wünschenswert. Allerdings betrachten sie die Verheiratung der Braut in den meisten Fällen auch ohne deren Zustimmung für rechtens.

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Bei der Jungfrau, von deren 'Schüchternheit' islamische Gelehrte der Frühzeit häufig ausgehen, gilt nach klassischer Gelehrtenmeinung auch deren Schweigen, Lachen oder Weinen als Zustimmung zur Eheschließung, mit anderen Worten: Nur ein sehr entschieden vorgetragener und vermutlich frühzeitig und lautstark geäußerter Protest wird überhaupt als solcher aufgefasst worden sein. Wird dieser Protest den Vormund, der eine ganz bestimmte Eheschließung seines Mündels durchsetzen möchte, jedoch vom anvisierten Vertragsschluss abhalten, den angesichts seines Entscheids rechtlich niemand anfechten kann? Wohl nur dann, wenn er aus persönlichen Gründen einlenkt. Das Schariarecht verpflichtet ihn nicht dazu, selbst wenn eine Eheschließung gegen den Willen der Braut nicht als ideal oder sogar als missbilligt betrachtet wird.

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Zwangsehen bedeuten für die Betroffenen eine grundlegende und dauerhafte Verletzung ihres Menschenrechts auf sexuelle Selbstbestimmung und eine Negierung des Grundsatzes der Gleichberechtigung. Sie stellen als legalisierte Form der Vergewaltigung eine besonders schlimme Form der Nötigung dar.