Eigenverbrauch - die Lösung, die in die Irre führt
Seite 2: Smart Grids
Zwei Sachen stoßen mir dabei übel auf. Auf der einen Seite ist der Eigenverbrauch ein Versuch, die Photovoltaik besser ins Netz zu integrieren, an sich lobenswert. Im Prinzip macht man die Photovoltaik mit der Eigenverbrauchsregelung zunehmend unsichtbar im Netz. Anstatt dass immer mehr Solarstrom ins Netz gespeist wird, sieht es so aus, als würden die Verbraucher mit immer weniger Strom klar kommen. Hier sind wir wieder bei der Idee vom amerikanischen net-metering. Ich zitiere noch einmal den US-Solaraktivisten Adam Browning:
Uns ist es gelungen, skeptische (und oft feindlich gesinnte) Regulierungsausschüsse zu überzeugen, dass net-metering den gleichen Effekt bei den Versorgern wie Energieeinsparungen und Energieeffizienz hat.
Adam Browning
Die Photovoltaik soll also verschwinden, sich gar nicht mehr im Netz bemerkbar machen. Die Idee ist nicht schlecht, hat aber einige Unzulänglichkeiten. Zum einen stellt sich die Frage, ob man auf diesem Wege zu einem echten Smart Grid kommen kann. Ein intelligentes Stromnetz würde Signale an Verbraucher schicken, ihren Verbrauch zu drosseln. Diese Signale würden meistens zu Zeiten von Lastspitzen kommen, und diese sind werktags am frühen Nachmittag und abends. Die Eigenverbrauchsregelung könnte jedoch indirekt dazu führen, dass am frühen Nachmittag, wenn am meisten Solarstrom verfügbar ist, sogar mehr verbraucht wird. Ein richtiges intelligentes Netz würde außerdem auch die Windkraft und die Biomasse mit einbeziehen. Und letztlich müsste die Verschiebung für den Solarstrom saisonal erfolgen, d.h. wir müssten mehr im Sommer und weniger im Winter verbrauchen. Bei fast allen häuslichen Anwendungen – Kochen, Waschen, usw. – wird das schwierig.
Ein Paradoxon: Durch die Eigenverbrauchreglung wird de facto mehr, nicht weniger, für den Solarstrom als mit dem Einspeisetarif bezahlt – Tendenz steigend. Würde man die Eigenverbrauchsregelung bei der Photovoltaik 1:1 auf die Windkraft (z.B. für kleine Generatoren von < 10 Megawatt), direkt übertragen, stiege die Vergütung um rund 150%. Dabei sinken die Einspeisetarife (ohne die Eigenverbrauchsregelung) für die Photovoltaik voraussichtlich um gut 10% pro Jahr. Bald hat man die vielgepriesene Netzparität nicht nur erreicht, sondern weit unterschritten, und dann stellt sich die Frage, wann wir durch die Eigenverbrauchsregelung vielmehr für die Photovoltaik als mit den Einspeisetarifen ausgeben würden. Schauen wir uns mal den Trend an.
Hier sieht man (rote Linie), wie sich der Einspeisetarif (FIT = "feed-in tariff") für kleine Dachanlagen in Deutschland seit 2008 entwickelt hat. 2010 gab es nicht nur zu Jahresbeginn, sondern auch noch während des Jahres zwei weitere Absenkungen, die mit "2010~" angegeben sind. Die Haushaltstrompreise (blaue Linie) basieren auf der Annahme, dass die Preise jährlich um fünf Prozent steigen. Die Änderungen für 2011 sind nicht eingerechnet, weil sie ja noch nicht klar sind – sicher ist nur, dass der Einspeisetarif weiter sinken wird, d.h. der Tarif in der Graphik oben ist bis 2012 bereits um rund 20% zu hoch.
Man sieht deutlich, dass bereits 2015 der Netzstrompreis 50% über dem Einspeisetarif liegen könnte. Zurzeit steht der Einspeisetarif für die Photovoltaik in der Kritik, weil er angeblich zu üppig sei. Wir werden den Einspeisetarif aber auch nach Erreichen der Netzparität brauchen, um die Ausgaben für die Photovoltaik im Rahmen zu behalten. Die heutige Eigenverbrauchsregelung läuft Ende 2011 ab. Wird sie auf einer ähnlichen Basis verlängert, wird sie bald dazu führen, dass viel mehr als notwendig für die Photovoltaik ausgegeben wird. Genauso wie bei der Windkraft (an Land), wo in den ersten Jahren rund neun Cent pro Kilowattstunde und danach rund fünf Cent gezahlt wird, können nach der Netzparität für die Photovoltaik nur die Einspeisetarife dafür sorgen, dass nicht zu viel gezahlt wird.
Anders ausgedrückt: Stellen Sie sich vor, jeder kann ab 2015 einen garantierten Gewinn von mehr als 50% auf einen Teil einer Investition bekommen. Wer wird nicht in die Photovoltaik investieren? Und wenn auf jedem Gebäude eine Photovoltaikanlage installiert ist, werden wir bald mehr installierte Photovoltaikleistung haben, als wir mittags im Sommer Strom verbrauchen (siehe Rettet die deutsche Energiepolitik!). Wir werden also die "peak demand parity" überschreiten.
Netzparität wo?
Schauen wir genauer hin, stellen wir fest, dass die sogenannte Netzparität in der Grafik oben irreführend ist, wie am Beispiel dieser Grafik aus Wikipedia zur Zusammensetzung des Strompreises in Deutschland deutlich wird:
Verschiedene Komponenten in der Preisbildung gelten immer noch für den Solarstrom, solange man überhaupt einen Netzanschluss hat. Man bedenke, dass es bei der Eigenverbrauchsregelung nicht etwa darum geht, wie unabhängig man vom Netz wird, sondern wie viel man vom eigenen Solarstrom verbraucht. Im letzten Beitrag Der Eigenverbrauch - alles Schlechte kommt aus Amerika haben wir gesehen, dass es unter der heutigen Regelung für eine große Firma leicht wäre, bis zu hundert Prozent seines selbsterzeugten Solarstroms intern zu verbrauchen, doch ein Industriebetrieb würde möglicherweise nur einen kleinen Prozentsatz seines Strombedarfs dadurch decken und bliebe somit auf den Netzanschluss angewiesen. Gleiches gilt auch für Haushalte – selbst wenn sie es schaffen, 50% ihres Solarstroms selbst zu verbrauchen (was sehr viel wäre), würden sie das Netz benötigen, um die anderen 50% zu kaufen.
Die Konzessionsabgabe beispielsweise deckt die Kosten, die anfallen, wenn eine Gemeinde Bürgersteige und Ähnliches aufreißen muss, um Stromleitungen zulegen. Aber auch der Posten "Netznutzung" verschwindet nicht, nur weil man einen Teil seines Stroms intern erzeugt und verbraucht. Ob die Steuern bestehen bleiben, ist eine frei verhandelbare politische Entscheidung. Im Grunde genommen ersetzt man tatsächlich nur den Posten für die Stromerzeugung. Rechnet man aber nur die Netznutzung und die Konzessionsabgabe heraus, verschwinden sofort 40% des Netzpreises, und dann drückt die Netzparität um einige Jahre nach hinten und entzieht vor allem der derzeitigen Eigenverbrauchsregelung die Grundlage. Geht man davon aus, dass wirklich nur die Kosten für die Stromerzeugung vermieden werden, dann erreicht die Photovoltaik die Netzparität viel später.
Die Eigenverbrauchsregelung kommt außerdem einem Wortbruch gleich. Im letzten Jahrzehnt haben die Befürworter der Einspeisetarife für die Photovoltaik (wozu ich mich auch zähle) argumentierte, die Photovoltaik brauche Zeit, um wettbewerbsfähig zu werden. Im alten Einspeisegesetz von 1991 wurde der Tarif für Wind und Solar als Prozentsatz vom Netzpreis berechnet (z.B. 80-90% des Netzpreises). Im EEG dagegen wird technologiespezifisch vergütet – immer das, was die jeweilige Technologie kostet, wobei vor allem die Photovoltaik mehr als der Netzstrom gekostet hat. Nun nähert sich die Photovoltaik diesem (wie auch immer definierten) Punkt, und da soll plötzlich viel mehr als der Einspeisetarif bezahlt werden, der immerhin auch nach der Netzparität eine Rendite von 5-7 Prozent garantieren soll?
Im nächsten und letzten Teil schauen wir uns an, wie es mit der deutschen Energiepolitik generell weitergehen soll.
Craig Morris leitet Petite Planète und ist Autor des 2005 erschienen Telepolis-Buches Zukunftsenergien. Er bloggt über allerlei auf Englisch bei Always Greener.