Eigenverbrauch - die Lösung, die in die Irre führt

Peak demand parity - wenn mehr erneuerbarer Strom erzeugt, als verbraucht wird - Teil Drei

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Im letzten Beitrag Der Eigenverbrauch - alles Schlechte kommt aus Amerika haben wir uns mit der bevorstehenden Netzparität für den Solarstrom auseinandergesetzt. Nun wenden wir uns der Eigenverbrauchsregelung im aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu, die ja ein Versuch ist, die Einspeisetarife auf die Netzparität für die Photovoltaik vorzubereiten. Genauso wie bei der Windkraft (an Land), wo in den ersten Jahren rund neun Cent pro Kilowattstunde und danach rund fünf Cent gezahlt wird, können nach der Netzparität für die Photovoltaik nur die Einspeisetarife dafür sorgen, dass nicht zu viel gezahlt wird.

Es klingt logisch: Wenn man schon ein Solardach hat, dann könnte man doch den eigenen Bedarf damit decken. Das ist ja auch die Idee hinter "net-metering" in den USA. Deutschland hat aber Einspeisetarife, und da spielt der eigene Stromverbrauch gar keine Rolle. In den USA versucht man also, die Solaranlage so zu dimensionieren, das nicht zu viel Überschuss erzeugt wird, denn der wird ja meistens nicht voll oder gar nicht vergütet; die Solaranlage fällt entsprechende kleiner aus. In Deutschland haut man dagegen das Dach voll mit Modulen – bisher.

In den USA wird die vorhandene Dachfläche nicht vollständig ausgenutzt, sondern man hält die Solaranlage kleiner als den eigenen Verbrauch. Bild aus New Orleans vom Autor

Die Eigenverbrauchsregelung ist jedoch nicht mit net-metering gleichzusetzen. Sie ist vielmehr eine Art net-metering mit Lastmanagement, denn man soll nicht nur grob übers Jahr gerechnet die gleiche Anzahl von Kilowattstunden erzeugen und verbrauchen, sondern man solle den erzeugten Solarstrom gleich verbrauchen oder in Batterien speichern und für später aufheben. Eigentlich müsste ich von diesem Vorstoß begeistert sein, schließlich rufe ich seit Jahren nach mehr Lastmanagement (Das virtuelle Kraftwerk).

Schade nur, dass man vielleicht gar nicht zuhause ist, wenn werktags die Sonne scheint. Man müsste also den Sonnenstrom in Batterien speichern für den Abend. Oder im Sommer für den Winter. Das kostet zwar auch mehr Geld, aber schließlich wird unter der Eigenverbrauchsregelung auch mehr gezahlt als beim Einspeisetarif. Während also die Kosten für die Photovoltaik steigen und der Einspeisetarif zunehmend als zu kostspielig angesehen wird, schlägt die Bundesregierung einen noch kostspieligeren Ersatz vor. Und der sieht so aus (und falls es Ihnen beim Lesen langweilig wird, überspringen Sie den folgenden Abschnitt ruhig…).

Die neuen Regelungen von 2009

Die erste Eigenverbrauchsregelung trat 2009 in Kraft. Damals erklärte mir Heiko Stubner, wissenschaftlicher Assistent im Bundestag, dass die Regelung "als Übergangsmechanismus in Vorbereitung auf die Netzparität" gedacht war. Ein Ziel sei es, die notwendigen Technologien zu entwickeln, erklärte sein Kollege Tobias Dünow vom Bundesumweltministerium und fügte hinzu, dass neben Speichertechnologien auch neue Zählern notwendige seien – schließlich muss man nicht nur den Verbrauch und die Erzeugung messen, sondern auch noch wie viel davon gleichzeitig passiert. Mittlerweile überschlagen sich die Firmen mit Zählern für die Eigenverbrauchsregelung, und es wird selbstverständlich immer mehr in Batteriespeichern geforscht.

2009 betrug der Einspeisetarif für kleine Dachanlagen rund 43 Cent pro Kilowattstunde. Unter der Eigenverbrauchsregelung bekam man lediglich 25 Cent, 18 Cent weniger als der Einspeisetarif, doch man ersetzte dadurch gleichzeitig den eigenen Stromverbrauch. Zahlte man also mehr als 18 Cent für den Strom aus der Steckdose, fuhr man besser mit der Eigenverbrauchsregelung – so die Theorie.

Doch 2009 war die Situation noch sehr konfus. So dauerte es bis April, bevor die Steuern geregelt wurden. Man ist als Betreiber einer Solaranlage Unternehmer und führt Umsatzsteuer für den verkauften Strom ab, doch die Steuer auf den selbst verbrauchten Strom kann man als Privatmensch nicht abziehen. Geht es dann eine Steuer auf die fiktiven 18 Cent für den Strom aus der Steckdose, den man nicht verbraucht hat?

"Klar gibt es die!" entschied das Gericht, und so bekam man unter der Eigenverbrauchsregelung nicht die vollen 25 Cent, sondern 25 Cent abzüglich 3,4 Cent (die Umsatzsteuer auf die fiktiven 18 Cent für den Strom, den man ersetzt und nicht verbraucht hat), also 21,6 Cent.

Bitte ab hier weiterlesen: die Eigenverbrauchsregelung von 2010

Ich hoffe, es fiel Ihnen schwer, meinen Erläuterungen zu folgen. Mir fällt es selbst schwer, das alles richtig hin zu schreiben, obwohl ich diese Regelung schon mehrfach erklärt habe. Um es mit den Worten von Thomas Seltmann in Ausgabe 05/2010 von "Sonne, Wind & Wärme" zu sagen, die Eigenverbrauchsregelung hat "alle Klarheiten beseitigt."

Bis vor ich sie ganz verliere, schauen wir uns kurz an, was in der Regelung von 2010, die auch 2011 gilt, geändert wurde. Erstens gibt es nun zwei "Zuschläge": Verbraucht man bis zu 30 Prozent seines Solarstroms selbst, bekommt man "nur" 16,38 Cent weniger als der Einspeisetarif pro Kilowattstunde, d.h. der Umstieg vom Einspeisetarife auf die Eigenverbrauchsregelung lohnt sich ab einem Strompreis von netto 16,38 Cent; für jede Kilowattstunde darüber muss der Strompreise lediglich zwölf Cent kosten, damit sich die Eigenverbrauchsregelung lohnt. Wie ein Experte von der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie (DGS) auf Intersolar sagte: "Je höher der Strompreis in Zukunft steigt, umso wirtschaftlicher ist die Anlage."

Die Unterscheidung zwischen <30 % und >30% hielt man für notwendig, um Mitnahmeeffekte zu verändern; es wird davon ausgegangen, dass der normale deutsche Haushalt bereits ohne weitere Investitionen 30 Prozent Eigenverbrauch hinbekommt. Die extra 4,38 Cent sind also ein Anreiz, in Speichertechnologien (Batterien) und intelligente Systeme (Lastmanagement) zu investieren. Verschiedene Experten haben grob errechnet, dass man in etwa gleich gut fährt mit den Einspeisetarifen von 2010 und mit der Eigenverbrauchsregelung. Mit der Zeit dürfte sich das aber ändern, und man fährt als Solardachbesitzer immer besser mit dem Eigenverbrauch – bliebe es dagegen beim sinkenden Einspeisetarif, würde die Gesellschaft immer weniger für den Solarstrom ausgeben.

In Deutschland macht man generell die Solaranlage so groß, wie das eigene Budget und das Dach erlauben. Der eigene Verbrauch spielte bis vor kurzem keine Rolle. Bild aus Freiburg vom Autor

Die zweite Neuerung betrifft die Deckelung auf der Systemgröße, die von 30 Kilowatt auf 500 Kilowatt gestiegen ist. Damit ist der Eigenverbrauch nicht mehr nur für Häuslebauer und Kleinbetriebe interessant, sondern auch für mehr oder weniger alle Industriegebäude. Und weil ein Unternehmen durchaus viel Strom tagsüber verbraucht, ergibt sich eine interessante Verschiebung: Firmen können ihre Solaranlage so dimensionieren, dass sie genauso viel Leistung hat, wie die Firma am frühen Nachmittag, wenn am meisten Solarstrom produziert wird, verbraucht. Dann hat die Firma gute Chancen, fast 100% ihres Solarstroms selbst zu verbrauchen und bekäme deswegen auf 70 Prozent des Stroms die höchste Vergütung – weit mehr als der Einspeisetarif.

Das wäre insofern neu in Deutschland, weil man bisher versucht hat, so viele Module wie möglich aufs Dach zu stellen. Nun würde man versuchen, die Anlage bloß nicht größer als der Spitzenverbrauch am frühen Nachmittag zu bauen, denn für die weiteren Module bekommt man rund 4,4 Cent weniger pro Kilowattstunde.