Ein Antifaschismus, der die deutsche Geschichte entsorgt

Seite 2: Verbrechen der deutschen Geschichte ausgeblendet

Genauso ignoriert werden in den Erklärungen die Kriege, die seit 1990 in Europa geführt wurden. Der Zivilisationsbruch besteht für König und Wiegers nicht darin, dass schon 1999 die Bundeswehr gegen Belgrad im Einsatz war, wo noch keine 60 Jahre zuvor die deutsche Wehrmacht und NS-Einsatzgruppen ungeheure Verbrechen verübten hatten.

Es waren aber 1999 die Überlebenden der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager sowie junge Antifaschisten, die verhinderten, dass schon damit eine Umdeutung der Geschichte stattfinden konnte. Sie wiesen empört die Erzählungen von Grünen und SPD zurück, die in den nationalistischen serbischen Politikern wie Slobodan Milosevic die Wiedergänger Hitlers sehen wollten und ihren Eintritt in den Krieg sogar als antifaschistischen Auftrag umzudeuten versuchten.

Hätte es 1999 schon Twitter gegeben, hätten sie sich Königs Motto "Aus Anstand Antifaschist" zu eigen machen und ein "Fuck Milosevic" dahinter setzen können. Daran knüpfen die Position eines Königs und Wiegers‘ heute an. Vor 24 Jahren sahen Antifaschisten darin mit Recht eine Entsorgung deutscher Geschichte.

Niemals mit Faschisten – außer Asow

Es ist frappierend, dass in den Erklärungen von zwei jungen Antifaschistischen kein Gedanke daran verschwendet wird, dass in der heutigen Nach-Maidan-Ukraine, die von beiden gelobt wird, Denkmäler für den Antisemiten und zeitweiligen NS-Kollaborateur Stepan Bandera errichtet und Ultranationalisten mit Nazi-Vergangenheit, wie Mitglieder des das Asow-Bataillons, als Vaterlandsverteidiger gefeiert werden.

"Mit Faschisten demonstriert man nicht, nicht als Linker, nicht als Mensch", schreibt Wiegers und da kann man ihm nur zustimmen. Doch warum schweigt er dann zu Bandera und Asow? Warum wird nicht mal in einem Halbsatz darauf hingewiesen, dass 2014 auf dem Maidan eine bürgerlich-demokratisch gewählte Regierung gestürzt wurde, die zwischen der EU und der russischen Welt neutral bleiben wollte?

Und warum wird dann nicht auf die Rolle verschiedener Nazigruppen bei dem Maidan-Umsturz hingewiesen? Sie waren sicher nicht in der Mehrheit, aber sie waren unübersehbar. Das hat damals verschiedene libertäre und antiautoritäre Linke davon abgehalten, weiter bei den Protesten mitzumachen, weil sie eben nicht mit Faschisten demonstrieren wollten.

Ein solcher entleerter Antifaschismus, der strategisch eingesetzt wird, betreibt genau das, was antinationalistische Linke vor 30 Jahren bekämpft haben: Die Entsorgung der deutschen Geschichte und auch die Relativierung der Shoah, indem Begriffe wie Zivilisationsbruch und Vernichtungskrieg heute inflationär gebraucht werden.

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