Ein Haushalt für Militär und Rüstungsindustrie

Seite 2: Aufrüstung der EU: Die ständige strukturierte Gelddruckmaschine

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Für diese Befürchtung sprechen auch weitere Gründe. Auch die Bundeskanzlerin setzt sich inzwischen dafür ein, dass innerhalb der EU eine "echte europäische Armee" geschaffen wird. Für dieses Projekt entstanden im letzten Jahr zahlreiche Initiativen auf EU-Ebene. Mit dem Europäischen Verteidigungsfonds befindet sich ein 13-Milliarden-Programm im Aufbau, das weitgehend der parlamentarischen Kontrolle entzogen ist.

Als einzige Fraktion im Bundestag verlangte "Die Linke", dass die Bundesregierung bei der EU eine so genannte "Subsidiaritätsrüge" gegen den Europäischen Verteidigungsfonds ausspricht. Aus Mitteln des gemeinsamen EU-Haushaltes dürfen - so der EU-Vertrag von Lissabon wörtlich - überhaupt keine Ausgaben "für Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen" finanziert werden. In solchen Fällen können nationale Parlamente gegen die missbräuchliche Verwendung der EU-Mittel vorgehen.

Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen kritisierte Franziska Brantner zwar öffentlich diesen fragwürdigen Rüstungsfonds. Der konkreten parlamentarischen Initiative, um eben diesen zu verhindern, mochten sich jedoch auch die Grünen nicht anschließen. Aus den Reihen der Linken wird nun überlegt, auf EU-Ebene juristisch gegen das Projekt vorzugehen.

Ein weiteres kostenintensives Rüstungsprogramm auf EU-Ebene wird die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" (PESCO). Ihr Ziel ist es, die Rüstungsindustrie in den EU-Staaten anzukurbeln. Die Bundespolitik bewirbt das Projekt zwar mit dem Argument, dass PESCO insgesamt zu Einsparungen führen würde, weil Doppelstrukturen in verschiedenen EU-Staaten abgeschafft würden. Tatsächlich bedeutet PESCO jedoch Mehrausgaben für alle 25 Mitgliedstaaten.

Der entsprechende Vertrag legt die teilnehmenden Länder sogar ausdrücklich darauf fest, dass sie ihre Rüstungsausgaben regelmäßig erhöhen, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Opposition einräumen musste: "Die an PESCO teilnehmenden Mitgliedstaaten haben im Anhang zu diesem Ratsbeschluss weitergehende Verpflichtungen vereinbart. Darin ist u. a. eine 'regelmäßige reale Aufstockung der Verteidigungshaushalte' vorgesehen."

Bereits am 19. November stimmten die EU-Verteidigungsminister den 17 neuen Rüstungsprojekten im Rahmen von PESCO zu. Dazu gehören etwa die Entwicklung der Eurodrohne und ein neuer Kampfhubschrauber namens Tiger Mark III (PESCO-Rüstungsprojekte: Deutschland, Italien und Frankreich sahnen ab). Nun gab die Bundeswehr bekannt, dass sie PESCO auch dafür als Argument heranzieht, um ihre Truppen aufzustocken. In den nächsten Jahren wolle man 5.000 Soldaten und weitere 4.600 zivile Beschäftigte zusätzlich einstellen. Hauptgründe seien "die wachsenden Aufgaben Deutschlands in der NATO und der EU".

So müsse die Bundeswehr "Tausende Soldaten" für die vor einigen Jahren geschaffene schnelle Eingreiftruppe der NATO (VJTF) abstellen, mit der die NATO die russische Regierung erschrecken will. Weiterer Bedarf entstehe durch die "verstärkte militärische Zusammenarbeit" in der EU (PESCO) und die "Reform der Rüstungsbeschaffung". Kurz: In den kommenden Jahren werden zusätzliche Milliarden-Ausgaben auf die Bundesbürger zukommen, die weder der Diplomatie noch der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa oder den Krisenländern dienen.

Natürlich verschwindet nicht das gesamte Geld folgenlos in anonymen Rüstungsprojekten oder in osteuropäischen Nato-Stützpunkten, wie die am Dienstag in Afghanistan ausgelöschte Familie dokumentiert. Die Zahl der bei Gefechten und Anschlägen in Afghanistan getöteten Zivilisten erreichte im ersten Halbjahr 2018 einen neuen Höchststand. Laut UN sind 1.692 Zivilisten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres getötet worden, weitere 3.430 Menschen wurden demnach verletzt. Im gleichen Zeitraum erlangten die Taliban laut Zahlen der International Crisis Group die Kontrolle über 44 Prozent des Staatsgebietes.

Für die Bundeskanzlerin scheint die Frage, ob die insgesamt 11,3 Milliarden Euro für die verschiedenen Afghanistan-Einsätze sinnvoll eingesetzt wurden, klar: Für sie sei es ein Fehler gewesen, dass die Sowjetunion Ende der 1980er-Jahre ihre Truppen aus Afghanistan abzog und die Machtübernahme der Taliban begünstigte. "Wenn wir einmal da sind, bleiben wir auch so lange wie nötig", so die Bundeskanzlerin kürzlich auf der Bundeswehrtagung.

Malte Daniljuk ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Europapolitischen Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag.