Ein Jahr Inflation Reduction Act: Deindustrialisierung Europas bleibt vorerst aus
Die Angst vor Bidens IRA war groß, die Flucht der Industrie prognostiziert. Doch inzwischen importieren die USA mehr Elektroautos aus Europa und Asien. Das sind die Gründe.
Ein Jahr ist vergangen, seit Präsident Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act (IRA) eine massive grüne Subventionswelle in den USA ausgelöst hat. Ein Schritt, der in Europa sowohl Applaus für das klimafreundliche Engagement als auch Ängste vor einem wirtschaftlichen Exodus ausgelöst hat.
Nachdem das IRA-Gesetz den Weg für 369 Milliarden US-Dollar an Steuererleichterungen für Elektrofahrzeuge, Batterien, Wasserstoff und Solarzellen in den nächsten zehn Jahren geebnet hatte, wuchs die Angst in Europa. Es wurde befürchtet, dass führende Unternehmen im Bereich der sauberen Technologien die EU verlassen würden, um von den Steuervorteilen in den USA zu profitieren, was zu einem Verlust von Know-how, Investitionen und Arbeitsplätzen in Europa führen würde.
Trotz anfänglicher Befürchtungen zeichnet sich inzwischen ein anderes Bild ab. Laut Niclas Poitiers vom Brüsseler Thinktank Bruegel wurde der Einfluss des IRA auf Investitionsentscheidungen möglicherweise überschätzt.
"Nach der Pandemie und dem Beginn des Krieges in der Ukraine gab es die allgemeine Befürchtung, dass die IRA der EU-Wirtschaft den Todesstoß versetzen würde", sagte Poitiers gegenüber Reuters. Bisher gebe es jedoch keine Daten darüber, ob das Subventionspaket zu einer massiven Umleitung von Subventionen aus der Europäischen Union in die USA geführt habe. Einige hätten wahrscheinlich aus diesem Grund in den USA investiert, aber dafür gebe es nur anekdotische Beweise.
Um die Attraktivität der IRA für europäische Unternehmen zu verringern, hat die EU im März beschlossen, ihre Regeln für staatliche Beihilfen zu lockern. Jede nationale Regierung sollte europäischen Unternehmen die gleichen Subventionen geben können, die sie in den USA erhalten hätten. Ein Beispiel ist Thyssenkrupp, das in ein umweltfreundliches Stahlwerk in Duisburg investiert, wobei ein Großteil der Kosten durch staatliche Subventionen gedeckt wird.
Die Schattenseite dieser Regelung ist allerdings, dass der europäische Binnenmarkt in Gefahr geraten könnte. Denn vor allem die wohlhabenden EU-Länder sind in der Lage, Investitionen mit üppigen Hilfen anlocken. Ärmere hätten dagegen das Nachsehen.
Ein weiterer Grund dafür, dass die Industrie nicht in Scharen in die USA abwandert, dürfte in der Lobbyarbeit der Europäer liegen. So befürchteten Deutschland und Frankreich, dass ihre Automobilhersteller durch den IRA diskriminiert werden könnten. Denn die finanziellen Anreize waren an die Bedingung geknüpft, dass ein Großteil der Produktion in den USA stattfindet.
Auf Druck aus Europa und Asien wurden Leasingfahrzeuge von dieser "Made in America"-Klausel ausgenommen. Der Erfolg zeige sich nun darin, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass die Importe von Elektroautos aus Europa, Südkorea und Japan im vergangenen Jahr sogar weiter gestiegen seien.
Von den in Südkorea für den US-Markt produzierten Autos wurden im Dezember 2022 nur drei Prozent geleast. Im April waren es bereits 42 Prozent. Von den europäischen Herstellern wurde Ende 2022 rund ein Drittel der Fahrzeuge geleast. Jetzt sind es laut FAZ zwei Drittel.
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