Ein Messias an der Front
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Mel Gibsons "Hacksaw Ridge" folgt einem frommen Pazifisten in die Hölle des Pazifikkriegs, wo die Kraft des Glaubens jede Form der Gewalt legitimiert
Desmond Doss (Andrew Garfield) trägt keine Waffe. Mit leeren Händen rennt er über das Schlachtfeld, um Dutzende seiner Kameraden aus dem Schlamm der Kraterlandschaft zu ziehen. Tragen seine Hände keinen Kameraden, faltet Doss sie für ein Gebet. Er bittet Gott um die Kraft noch jemanden retten zu können. Sein Gebet wird erhört, 75 Mal. "A true story", wie der Film zu Beginn verdeutlicht. Die wahre Geschichte eines jungen Christen, der 1942 den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen verweigerte und wenig später, aus freien Stücken, als unbewaffneter Sanitäter in den Pazifikkrieg zog.
Desmond Doss stammt aus der Kleinstadt Lynchburg in Virginia. Seine Heimat inszeniert Mel Gibson als ein Paradies der 1940er. Fast fühlt es sich an, als gehöre ein Weichzeichner über die Bilder gelegt, die in saftigen Farben Desmonds Elternhaus, die Kleinstadt und ihre Umgebungslandschaft zeigen. Dort beobachten wir den jungen Desmond beim Heranwachsen, bis er, zum Mann geworden, die schöne Dorothy (Teresa Palmer) auf einen Hügel führt, um sie dort das erste Mal zu küssen.
Hacksaw Ridge (15 Bilder)
Der Film arbeitet mit diesen Ansichtskarten-Tableaus bereits auf den Einschnitt hin, den der Krieg für das Leben des jungen Amerikaners bedeuten wird. Und doch spricht noch etwas anderes aus diesen Bildern. Eine Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Welt noch einfacher war. Eine Zeit in der man zum Leben ein Mädchen, die Bibel und ein klares Feindbild brauchte. Eine Zeit der beruhigenden, geradlinigen Lebensentwürfe. Im Grunde der perfekte Nährboden für das Comeback von Mel Gibson, der mit "Hacksaw Ridge" seine erste Regiearbeit nach zehn Jahren abliefert.
Comeback eines Konservativen
Es scheint konsequent, dass Mel Gibson die Geschichte eines strenggläubigen, pazifistischen Kriegshelden erzählt. Schließlich nimmt Gibson als devoter Christ selbst eine Sonderrolle innerhalb Hollywoods ein, wo er eine konservative Agenda vertritt, die er, im Gegensatz zum ebenfalls erzkonservativen Clint Eastwood, auch in seinen Filmen immer wieder propagiert - mit großem Erfolg.
Das konnte Gibson bereits mit "Die Passion Christi" beweisen. Der Film wurde trotz der Antisemitismusvorwürfe gegen Gibson und schlechter Kritiken ein gewaltiger Erfolg. Der reaktionäre Hollywoodstar brachte seine ganz eigene Zielgruppe an die US-Kinokassen, wo der Film knapp 370 Millionen Dollar einspielte.
Dass Gibson nun wieder eine Großproduktion wie "Hacksaw Ridge" leitet, dürfte ein Zugeständnis an eben diese Zielgruppe sein. Diesmal ist sogar die amerikanische Presse, die Gibson für "Die Passion Christi" bereits vor Kinostart in der Luft zerriss, mit an Bord: "Hacksaw Ridge" schnitt bei den US-Kritikern gut ab. Völlig überraschend ist das nicht.
Gibsons Filme entwickeln, jenseits ihres intrusiven Weltbilds mitunter eine enorme Energie. Sein letzter Film "Apocalypto" steht als gutes Beispiel dafür. Der historische Actionfilm erzählt in opulenten Bildern von einer Zivilisation, die, getrieben von einem dekadenten Adelsgeschlecht, in religiösem Wahn untergeht. Natürlich kommt Gibson auch hier nicht umhin, den Maya auf Yucatan das gleiche Familienbild überzustreifen, das er in allen Filmen propagiert: die patriarchal strukturierte, monogam gelebte Kernfamilie. Ein Ideal, dass der Gibson verteidigt, ungeachtet von Zeit, Genre und Kriegsschauplatz.