Ein Messias an der Front
Seite 2: Den Krieg überwinden…
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In "Hacksaw Ridge" verteidigen Desmond Doss und sein Platoon dieses Ideal an einer gewaltigen Steilküste Okinawas. Senkrecht türmt sich die lehmige, völlig zerbombte Landschaft hier zur titelgebenden Klippe auf. Ein Kletternetz führt die knapp 30 Meter hohe Hacksaw Ridge hinauf. Oben angekommen erwartet die Soldaten der Initiationsritus, auf den Gibsons Film bereits im verträumten Virginia hingearbeitet hat. Der Krieg schlägt mit voller Wucht in die Körper der jungen Amerikaner ein, und mit ihm überrollt Gibsons reaktionäres Weltbild die Leinwand.
Es folgt ein Inferno aus zerfetzten Leibern, zerschmettertem Material und Einschusslöchern in Verhoeven-Größe. Die Wucht des ersten Aufpralls wandelt Gibson sukzessive vom Albtraum in ein präzise getaktetes Spektakel um, in dem der Heroismus bald aus dem Schatten der Kriegsgräuel tritt, um diese in den Hintergrund drängen. Die Welt wird wieder einfach und übersichtlich.
Doss zieht einen Kameraden nach dem anderen aus dem blutigen Schlamm, während die japanischen Soldaten versuchen mit diversen Kriegsverbrechen noch einmal das Ruder herumzureißen. Aber Doss schafft es, endgültig im Superhelden-Modus angekommen, die Granate abzuwehren, die ein japanischer Soldat unter dem Deckmantel der weißen Fahne zwischen die GIs wirft. Der Pazifist wird einer der wichtigsten Frontkämpfer.
… mit Gottes Hilfe
Das eigentliche Dilemma, dem sich besonders ein frommer Pazifist im Zweiten Weltkrieg stellen muss, und den Gibson bis dahin ansatzweise verfolgt, ist geklärt, sobald Doss und seine Einheit auf Okinawa landen. Ein Gebot, das "Du sollst nicht Töten" sagt, mit in den Krieg zu nehmen, ist kein Problem mehr. Die moralisch schwierige Frage, ob die notwendige Niederlage der Achsenmächte, die nur durch das Töten von Menschen herbeizuführen ist, religiös legitimiert werden kann, verliert schlicht ihre Bedeutung.
Desmond Doss ist nicht länger ein Mann, dessen Überzeugung als Christ und Pazifist auf die Probe gestellt wird, er ist Gibsons Prophet an der Front. Sein Glaube gibt den Kameraden die Kraft für den letzten, schlachtentscheidenden Angriff auf die japanischen Stellungen. Er stiftet die heilige Aura für das Gemetzel.
Eine Aura, die noch vom Himmel scheint, als Doss unter der Felddusche das Blut seiner Kameraden von sich abspült. Am nächsten Schlachttag wird er wieder Kameraden vom Schlachtfeld ziehen, während diese japanische Kriegsverbrecher niedermähen. So funktioniert Gibsons Version des gläubigen Pazifisten eben doch am besten: in perfekter Symbiose mit dem Soldaten.