Ein Tagesordnungspunkt namens Karl Marx

Seite 2: Bürgerliches Lager gegen China

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Ganz anders verhielt sich - um in der Marxschen Diktion zu bleiben - das bürgerliche Lager. Kritische Stimmen kamen von Grünen, die beim Thema Marx-Statue gespalten waren, FDP und AfD. Für Grüne und FDP war vor allem der Schenker, die Volksrepublik China, ein Problem: "Wer ein Geschenk annimmt, ehrt den Schenkenden", meinte Reiner Merz (Grüne). "Und dieses Regime in China ist keine Ehre wert." Die chinesische Kommunistische Partei wäre in Deutschland "selbstverständlich längst verboten".

China trete aber die Menschenrechte mit Füßen, deshalb solle Trier die Statue aus Protest nicht annehmen, forderte Merz: "Heute könnten wir ein Zeichen setzen, was wirklich über unsere Grenzen hinaus deutlich gehört würde." In dieselbe Kerbe schlug die FDP. Die Marx-Statue sei ein "vergiftetes Geschenk", das von einem "despotischen, unmenschlichen und blutrünstigen Regime" komme, meinte Tobias Schneider (FDP) mit Verweis auf Berichte von amnesty international über Organghandel.

Antikommunismus für Deutschland

Ideologisch richtig in die Vollen stieg die AfD. In osteuropäischen Staaten seien nach 1989 die Marx-Statuen abgerissen worden, nur Staaten wie die Sowjetunion, China und Nordkorea hätten Marx-Denkmäler aufgestellt, wetterte Michael Frisch (AfD). "Wir wären also keineswegs in guter, sondern in ausgesprochen schlechter Gesellschaft", wenn Karl Marx ein solches "Mega-Monument" in der Innenstadt bekomme. "Marx war kein Humanist, sondern ein antidemokratischer Revolutionär", behauptete er, er "predigte Gewalt und Hass". Trier dürfe nicht zum "Wallfahrtsort für alte und neue Marx-Gläubige" werden. Auch der Opfer "sozialistischer Menschenverachtung" müsse gedacht werden.

Stoßrichtung der AfD-Argumentation war natürlich die "ehemals Marx-kritische CDU-Fraktion" (Frisch). Um so erstaunlicher war dann, dass die AfD sich durchaus ein Marx-Denkmal vorstellen kann, zumindest in Trier. Es müsse aber kleiner sein und dürfe nicht auf dem Platz des Heiligen Simeon stehen. "Über einen von der Stadt finanziertes Denkmal in angemessener Größe und an einem anderen Platz zur Würdigung der historischen Persönlichkeit Karl Marx hätten wir diskutieren können", sagte er. Ob die AfD wirklich so gesprächsbereit gewesen wäre, kann mit der Annahme der Schenkung leider nicht mehr getestet werden.

Museumsladen im Karl-Marx-Haus. Bild: Andreas Praefcke/public domain

Pragmatische CDU-Konservative

Während die AfD das konservative antikommunistische Gewissen gab, repräsentierte die CDU im Trierer Stadtrat den realpolitischen Konservatismus, der auch die Geschäftsinteressen der heimischen Tourismusbranche im Blick hat. "Ich bin der Meinung, wir sollten stolz darauf sein, dass wir jemanden in unserer Stadt hatten, der einen großen Namen hat", sagte Karl Biegel (CDU).

Auch außenpolitisch sind solche Konservative pragmatisch: China ist ein wichtiger Handelspartner, vom grünen Anspruch, die ganze Welt umerziehen zu wollen, ohne es zu können, sind solche Konservative ebenfalls weit entfernt. So war es dann mit Udo Köhler ein CDU-Ratsherr, der an die Trierer Städtepartnerschaft mit dem damals in der DDR gelegenen Weimar erinnerte, die seinerzeit auch umstritten gewesen sei. Er zeigte sich "froh um das Geschenk" und plädierte dafür, Freundschaften weiter zu pflegen.

Damit war die Debatte nach Marx und China um einen dritten Punkt erweitert: Wozu dienen Städtepartnerschaften und welche Verpflichtungen geht damit einher. Mit Weimar hat Trier seit 1987 eine Partnerschaft, mit Xiamen seit 2010. Lehnt man das "chinesische Regime" als "blutrünstig" ab, machen eine Städtepartnerschaft und gegenseitige Besuche mit den üblichen Einladungen ins Rathaus, Sektempfang und Eintrag ins Goldene Buch wenig Sinn. Denn damit gehen bestimmte Verpflichtungen einher, wie Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) kurz vor der Abstimmung deutlich machte: Er werde im Rahmen der Partnerschaft bald nach China reisen, kündigte er an. Auch deswegen sei die Abstimmung zum jetzigen Zeitpunkt nötig. Er müsse schließlich wissen, wie er dort auftreten könne.